Zeitgemäß das Evangelium erklären

Die eine zuverlässige Quelle des Evangeliums

Warum wir vom Evangelium überhaupt Kenntnis haben, ist klar: Wir finden es in der Bibel und nur dort – besonders im Neuen Testament. Dass es damit heute Verständnisschwierigkeiten geben kann, zeigen die in den letzten Jahren häufiger werdenden Bibelübersetzungen in heutiger oder zeitgemäßer Sprache. Es ist der Versuch, eine alte Botschaft und Jahrtausende alte Texte mit dieser Botschaft in der direkten Begegnung etwas verständlicher zu machen – indem man sich ausdrückt, wie es der Mensch heute gewohnt ist, und dann besser verstanden wird, so hofft man. An dieses Wort bleiben wir gebunden, denn es ist – Wort für Wort – von seinem Urheber, von Gott, inspiriert.

Warum also nicht einfach nur die Bibel?

Zweifellos kann jemand durch das einfache Lesen der Bibel zum Glauben finden. Aber die wenigsten lesen gleich die Bibel; Vorurteile gegen sie verhindern das oft. Und so bleibt also der Auftrag, das Evangelium zu verkünden (Mt 28,19.20) – mündlich, schriftlich oder über diverse Medien. Und da geht es um mehr, als aus der Bibel vorzulesen. Da geht es darum, Menschen abzuholen, sie neugierig zu machen und ihr Interesse zu wecken. In Bezug auf Kinder spricht man von einer „kindgemäßen“ Vermittlung, analog dazu dürfte es berechtigt und einsichtig sein, von einer „zeitgemäßen“ Vermittlung des Evangeliums zu sprechen. Es ist dieselbe Stoßrichtung, die Gott beschlossen hatte, als er zu einer bestimmten Zeit seinen Sohn auf diese Erde sandte und ihn Mensch werden ließ. Nur so wurde Gottes Liebe verständlich, nur so konnten und können immer noch Menschen gerettet werden. Und deshalb ist „Evangelisation“ immer der Weg zum Menschen und in seine Welt hinein, um ihm dort zu begegnen und verständlich von dem zu reden, was Gott den Menschen sagen will.

Wie wurde ursprünglich das Evangelium gepredigt?

Wenn wir uns fragen, wie verständlich das damals war, was der Herr Jesus predigte oder später die Apostel verkündigten und lehrten, müssen wir uns über Folgendes klar sein: Sie kamen ihren Zuhörern sehr entgegen, um  von ihnen verstanden zu werden. Sie redeten nicht über ihre Köpfe hinweg und an ihren Herzen vorbei, sondern  mitten hinein, sodass das Wort ihre Zuhörer traf (vgl.z. B. Mt 21,45; Apg 2,37). Das lag auch daran, dass die Redner jeweils genau wussten, wer ihnen zuhörte. Sie kannten sich bestens aus mit der Denkweise ihrer Zuhörer, was sie bewegte und umtrieb und wo sie „zu packen“ waren. Das Problem heute ist nun, dass die Leute in unserer Zeit zwar ebenso Menschen aus Fleisch und Blut sind, dass ihre Welt sich jedoch von der damaligen in vieler Hinsicht unterscheidet. Und so haben sie Schwierigkeiten, das zu verstehen, was damals problemlos verstanden wurde, heute aber manchmal fremd und wenig realitätsnah klingt.

Schon die Schreiber der biblischen Bücher wiesen hin auf den Wert der Bildrede. So heißt es in Sprüche 1,5-6: „Der Weise höre und mehre die Kenntnis, und der Verständige erwerbe weisen Rat, um zu verstehen Spruch und Bildrede, Worte von Weisen und ihre Rätsel!“ Und dass man mit offenen Augen in der Welt unterwegs sein konnte, um aus dem, was man dort sah, Lehren zu ziehen, war schon den Gläubigen des AT nicht fremd: „Am Acker eines Faulen kam ich vorüber und am Weinberg eines Menschen ohne Verstand. … Und ich schaute es, ich nahm es mir zu  Herzen. Ich sah es, nahm mir daraus die Lehre …“ (Spr 24,30.32). Paulus fragt die Korinther: „Lehrt euch nicht selbst die Natur, dass …?“, und nutzt das zur Unterstützung seiner Argumentation für ein geistliches Prinzip, das in  der Gemeinde und innerhalb der Ehe zum Ausdruck kommen soll (1Kor 11,14). Und Petrus vergleicht das Verhalten abtrünniger Menschen mit dem Hund, der sein eigenes Gespei frisst, oder mit der Sau, die sich wieder im Dreck suhlt, nachdem sie gewaschen wurde (2Petr 2,22).

Wie kann man heute das Evangelium verständlich machen, ohne es dabei zu verändern oder unzulässig zu verkürzen, geschweige denn zu verfälschen?

Man muss das Original, also die Bibel selbst, gut kennen und verstanden haben, was sie sagt, um es im heutigen Kontext zur Sprache zu bringen. Dabei wird nicht etwas Neues oder ein „anderes Evangelium“ geschaffen, sondern das Original sozusagen in ein neues Gewand gekleidet. Das bedeutet nun keine Abkehr von der Bibel und dem darin überlieferten Evangelium, sondern, im Gegenteil, eine Rückholung hin zu Gottes Wort – „Back To The Bible“ –, wie es eine groß angelegte amerikanische Initiative in näherer Vergangenheit ausdrückte. Und zurück zu dem liebenden Gott, der die Menschen zu sich ruft. Das kann man jedoch nur verantwortungsvoll umsetzen, wenn man sein Denken, Reden und Erklären immer wieder an Gottes Wort ausrichtet und sich selbst kritisch hinterfragt. Nur wer in  der Bibel zu Hause ist und bleibt, wird sich nicht in der Fremde, d. h. im spirituellen und kulturellen Kontext der Welt, verlieren. Letztlich geht es darum, Menschen mit der Bibel vertraut zu machen und eine Art „Kämmerer-Dienst“ zu leisten, wie einst der Evangelist Philippus dem Kämmerer aus Äthiopien half, das, was er in einem Teil der damaligen „Bibel“ las, auch zu verstehen.

„Wird doch auf jede Weise … Christus verkündigt, und darüber freue ich mich.“ (Phil 1,18)

Die Welt von heute als „Spiegel“ des Evangeliums?

Immer dann, wenn Verkünder des Evangeliums in ihrer jeweils aktuellen Kultur und Welt „zu Hause“ waren und die Menschen in Bezug darauf mit dem Evangelium konfrontierten, wurden viele für den rettenden Glauben an den Herrn Jesus gewonnen. Schon der Herr Jesus selbst nahm in seiner Verkündigung vielfältig Bezug auf die damalige Lebenswelt. So spiegelt sich in den Gleichnissen viel vom damaligen Alltagsleben wider. Typische Situationen rund um Hochzeit, Landwirtschaft oder Gastfreundlichkeit dienen als Verdeutlichung geistlicher Wahrheiten und Prinzipien und Aussagen über das Reich Gottes. Darauf beruht ihre besondere Wirkung. Und Begebenheiten wie z.B. sein Gespräch mit der samaritanischen Frau in Johannes 4 machen deutlich, dass der Herr auf die jeweiligen Lebenssituationen der Menschen einging und nicht stereotyp einfach nur die Kernstücke des Evangeliums mit den immer gleichen Worten weitergab. Und ein weiteres Prinzip wird bei ihm deutlich: Er zeigte Präsenz unter den Menschen („Heute muss ich in deinem Haus bleiben“, Lk 19,5). Er war ein Freund der Zöllner und Sünder. Er war mitten unter ihnen und stets ansprechbar. Zur Verkündigung gehört der Mensch, der evangeliumsgemäß lebt, d. h. sich den Menschen zuwendet und nicht auf Distanz zu ihnen bleibt.

An der Verkündigung und Präsenz Jesu schieden sich aber auch die Geister im Blick auf die Bereitschaft, sich für das zu öffnen, worum es dem Herrn Jesus ging und was Gott bei den Menschen „bewegen“ wollte. So wird man ebenso heute immer zwei Reaktionen finden, auch wenn das Evangelium in unsere Welt hinein so verständlich wie nur möglich verkündigt und gelebt wird: Die einen werden es annehmen, und in ihren Herzen wird der Same aufgehen; und die anderen werden ihm widerstehen, weil ihr Herz hart ist und das Wort Gottes darin keinen Raum findet. Aber Letzteres ist sicherlich keine Veranlassung dafür, sich keine besondere Mühe mehr um die Verständlichkeit des  eigenen Redens oder Schreibens von Gott und seinem Heil und um die Nähe zu den Verlorenen zu machen.

Brückenbauer zur biblischen Botschaft werden

Man könnte nun auf Spurensuche gehen, wo das Ziel, die Menschen von heute zu erreichen, angemessen umgesetzt wird. Ein Beispiel für einen solchen Versuch in schriftlicher Form ist der Kalender „Leben ist mehr“, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Botschaft der Bibel insgesamt unverfälscht in die Lebenswelt heute hineinzutragen. Die Schreiber dieses Kalenders sollen Beiträge schreiben für die Menschen, mit denen sie täglich Kontakt haben: die Kassiererin an der Tankstelle, der Arbeitskollege, Mitschüler, Kommilitone, die Nachbarin, die ungläubigen Eltern, die Lauffreunde und Sportkollegen, die Verkäuferin im Schuhgeschäft oder Kaufhaus usw.

Dass auch viele Christen das als hilfreich empfinden, zeigt die große Resonanz und Akzeptanz, die dieser evangelistische Kalender selbst bei solchen hat, die schon glauben. Denn was man als Christ selbst besser verstanden  hat, kann man wohl auch leichter in seinem persönli chen Umfeld zur Sprache bringen. Wer um seinen Auftrag weiß, das Evangelium zu bezeugen, und dabei auch noch ein Herz für Verlorene hat, wird dankbar von vielen guten Beispielen lernen, um über den Herrn Jesus zu reden und darüber, was man durch ihn gewinnen kann. Da kann z. B. der erste Marathon-Läufer, der den Sieg über die Perser überbrachte, zum Hinweis darauf werden, den  Sieg Christi über die Macht der Hölle genauso engagiert zu verkünden (3. Januar 2020). Oder die Esel im Tierpark des Internationalen Gartens im Kairo, die man mit schwarz-weißen Streifen bemalte, weil es an echten Zebras mangelte, können zum Sinnbild für Menschen werden, die ihre Sünde durch ein frommes Äußeres vertuschten und sich als Gerechte ausgaben und doch nur Schauspieler waren (6. Januar 2020). Oder die falsch eingegebene IBAN-Nummer bei der Bank als Verbildlichung des Prinzips, dass auf dem Weg zu Gott allein seine Kontaktdaten gelten, die der Empfänger selbst, nämlich Gott, vorgibt: „Der Kontakt zu ihm läuft ausschließlich über seinen Sohn Jesus Christus“ (9. Januar 2020). Das sind nur wenige Beispiele.

Wenn man in einem solchen Kalender fündig wird, wie man das Evangelium verständlich weitergeben kann, wird man im privaten Alltag hier und da sicherlich leichter eine Anknüpfung finden, um im Gespräch mit Freunden, Bekannten oder auch bei Zufallsbegegnungen den einen oder anderen Gedanken zu vermitteln, der haften bleibt, bis sich Baustein für Baustein zusammenfügt und sich zu der Erkenntnis bündelt, dass tatsächlich durch die Begegnung mit dem Herrn Jesus „im Leben mehr“ zu finden ist als nur der Augenblick, ob dieser nun von Pflicht oder Vergnügen bestimmt wird.

Die nächste Stufe

Einmal erleuchtet (Joh 1,9) möchte man noch mehr Licht bekommen. Und nun ist der Weg frei, Gottes Wort, die Bibel, noch genauer kennenzulernen. Die Barrieren sind abgebaut. Die Bibel beinhaltet nämlich einen großen „Wort-Schatz“, und das nicht nur im grammatisch-sprachlichen Sinn, sondern auch im bildlichen Sinn – im Blick auf das, was sie uns über Gott und seinem großen Plan der Erlösung verrät. Diesen Schatz zu heben, ist kein Projekt für einen  Tag oder eine Woche, nein, mit diesem Schatz kann man ein Leben lang beschäftigt sein – und je früher man damit anfängt, desto besser, und desto reicher kann man dadurch werden. Es sind unermessliche geistliche Reichtümer, die sich uns durch die Hinwendung zum Herrn Jesus und zum Wort Gottes erschließen. Deshalb prägt das Christentum von seinem Charakter her eine Kultur des Wortes, genährt vom Wort Gottes selbst, mit einem möglichst täglichen Umgang damit und einer festen Verortung im persönlichen Leben. Je mehr das der Fall ist, desto fester wird man als Christ in den Herausforderungen der Zeit und des Lebens standhalten.

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