Die Bedeutung der Apologetik für die Evangelisation

Christliche Apologetik ist die Verteidigung des Glaubens gegenüber Angriffen von außen, z. B. durch andere Religionen oder auch Philosophien.

Die entscheidende biblische Aussage dazu finden wir in 1. Petrus 3,15: „Seid aber jederzeit bereit zur Verantwortung (gr. apologian) jedem gegenüber, der Rechenschaft (gr. logon) von euch über die Hoffnung in euch fordert.“ Es ist eine vernunftgemäße Verteidigung mit Worten (der griechische Begriff setzt sich zusammen aus apo und lego, wobei lego für mündliche Rede steht). Es geht also um Argumente, nicht um Manipulation oder gar Gewalt.

Apologetik hat drei Funktionen:

  1. soll aufgezeigt werden, dass der Glaube der Vernunft nicht widerspricht;
  2. sollen die Argumente der Kritiker widerlegt werden;
  3. sollen andere Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen zurückgewiesen werden.

Diese Art der Rede finden wir häufig im Neuen Testament: bei unserem Herrn, wie er seine Kritiker widerlegt, aber oft auch bei Paulus, der z. B. mit den Hellenisten „redete und diskutierte“ (Apg 9,29 NeÜ).

Missverständnisse

Trotzdem gibt es unter Christen auch Vorbehalte gegen Apologetik, die m. E. aber aus Missverständnissen und falschem Gebrauch stammen:

Ein Missverständnis ist, dass kluge Argumente Glauben bewirken. Das ist aber nicht der Fall. Argumente bewirken ebenso wenig Glauben wie Wunder (s. z.B. Mt11,20).

Christliche Apologetik darf auch nicht manipulieren, z. B. durch geschickte Rhetorik. Paulus hat sich klar von solcher
Vereinnahmung im Namen des Evangeliums distanziert (1Kor 2,1-5).
Das hielt ihn aber nicht davon ab, das Evangelium auch argumentativ klar zu verkündigen. Denn die, die er zum Glauben an Jesus aufrief, sollten ja  wissen, an was und an wen sie glauben.

Postmoderne

Apologetik ist in den letzten Jahrzehnten stark vernachlässigt worden. Das hängt mit dem postmodernen Denken zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich das Denken des Westens, es wurde zunehmend  verstandeskritisch. So fragen die Autoren Adorno und Horkheimer in ihrem epochalen Werk „Die Dialektik der Aufklärung“, ob die Katastrophe des Dritten Reiches nicht auch etwas mit dem modernen Denken zu tun habe. „Die  vollständig aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils“ (1), heißt es auf den ersten Seiten. Die marxistisch geprägte „Frankfurter Schule“, die von den beiden Autoren mitbegründet wurde, beeinflusste in den  1960er-Jahren besonders die Sozialwissenschaften. Die Einflüsse der Gesellschaft rückten stärker ins Zentrum des  Denkens; Wahrheit wurde immer fragwürdiger. Gibt es  überhaupt DIE Wahrheit? Hat nicht jeder SEINE Wahrheit?

Wenn das der Fall ist, haben Argumente natürlich wenig Sinn, und Apologetik verpufft. Aber die Zeiten ändern sich. Es lässt sich ja auch gar nicht durchhalten,  dass alles relativ sein soll. Bei allen wichtigen Fragen unseres Lebens gehen wir von einer allgemein gültigen Wahrheit aus: Habe ich die Prüfung bestanden? Ist die Diagnose Krebs? Spätestens beim Kontoauszug glaubt dann auch der letzte Postmoderne an allgemeingültige Wahrheit: „H“ ist Guthaben und „S“ sind Schulden – und nicht „jeder hat seine Wahrheit“ oder nicht „alles ist nur ein soziales  Konstrukt“.

Gerade die „Neuen Atheisten“ (z. B. The Four Horsemen: Richard Dawkins, Christopher Hitchens, Sam Harris, Daniel Dennett) haben die Wahrheitsfrage neu auf die Agenda gesetzt. Und das war gar nicht so schlecht, wurde doch so wieder über Wahrheit diskutiert. Die öffentlichen Debatten zwischen John Lennox und Richard Dawkins sind ein großartiges Beispiel für zeitgemäße christliche Apologetik (2).

Apologetik für außen und innen

Dass man seinen Verstand ausschalten soll, wenn man Christ wird, ist falsch (auch wenn manche Christen das tun). Es  ist ja Gott selbst, der uns auffordert, ihn mit unserem „ganzen Verstand“ zu lieben (Mt 22,37)! Christlicher Glaube ist nicht blind, sondern sucht Erkenntnis. Daher hat Apologetik immer eine doppelte Zielrichtung:

Nach außen beseitigt sie Stolpersteine auf dem Weg zum Glauben, sie widerlegt Irrtümer und Lügen, korrigiert Missverständnisse und Vorurteile. Unser Herr und die Apostel haben genau das getan.

Die andere Zielrichtung geht nach innen: Sie soll unseren Glauben stärken. Die kritischen Fragen unserer  Gesellschaft gehen doch an uns Christen nicht spurlos vorbei. Spätestens in der gymnasialen Oberstufe werden  unsere Kinder damit konfrontiert. Es ist sehr lieblos, sie dann mit ihren Fragen und Zweifeln allein zu lassen (s. Jud 22).

So hat Apologetik auch eine glaubensstärkende Wirkung nach innen – sie hilft uns, uns unseres Glaubens gewisser zu werden. Dabei wirkt der so gestärkte Glaube dann wieder nach außen – denn nur, was uns selbst klar ist, können wir anderen erklären. Und nur, wenn wir selbst überzeugt sind, können wir auch andere überzeugen.

 

Anmerkungen:

(1) Adorno, Horkheimer, 1947, S. 9
(2) Siehe: https://www.youtube.com/watch?v=zF5bPI92-5o; https://www.youtube.com/watch?v=OVEuQg_Mglw, Abruf am 20.12.2019

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