Warnen und Bauen – wie setzt man das um?

Die einen warnen, die anderen „worken“ … Wer setzt sich durch? So könnte man in mancher Gemeinde fragen, wenn es hin und her geht. Wer nur warnt und des Öfteren „falschen“ oder voreilig Alarm schlägt, auf den hört am Ende keiner mehr, auch wenn er irgendwann mal einen „Treffer“ landen sollte. Und wer nur immer vor sich hinarbeitet und andere ständig antreibt, übersieht vielleicht die drohende Gefahr, die am Ende alles zum Erliegen bringen kann. Das Beste wäre, wenn man ein Herz für beides hat, für das Warnen und das „Worken“.

Nehemia war ausgewogen. Er beugte drohender Gefahr vor und organisierte gleichzeitig den Fortschritt der Arbeit. Er vermittelte seinen Leuten Wachsamkeit, während er sie zur Mitarbeit anspornte. Das Schwert bei der Hand, Gottes Wort als täglicher Begleiter, ohne dabei die Arbeit ruhen zu lassen. Wie ist das heute umsetzbar?

Nachfolgend dazu Auszüge aus einem Artikel von Andreas Lindner, der Prinzipien zeigt, die zeitlos wichtig und anwendbar sind (1).

Der Wächterdienst

Der Wächterdienst ist eine Aufgabe, die innerhalb der Christen und auch in einer Gemeinde geübt werden soll, um dazu beizutragen, dass Gläubige auf einem guten Weg des Glaubens bleiben. Dazu aber muss er von biblischen Maßstäben geprägt sein und darf nicht der Streitsucht dienen. …

Welche Richtlinien gibt uns das Wort Gottes für die Ausübung des Wächterdienstes? Worüber soll aufgeklärt werden, wie, durch wen? Wie können wir sicherstellen, dass unsere Aufklärung zum Aufbau der Gemeinden beiträgt und nicht zu Polarisierung und Spaltung?

Proportionen

Verschiedene Themen in Gottes Wort sind unterschiedlich wichtig, wie auch der Herr betont (Mt 5,19; Mt 23,23). Wir können die Themen in drei Kategorien einteilen: Grundsätzliches (zum Beispiel: die Gottheit von Jesus, Rettung durch Gnade), Wichtiges (worüber die Schrift lehrt, z. B. Taufe) und Nebensächliches (wo die Schrift Freiheit gibt, z. B. Halten des Sabbats). Der Umgang mit Nebensächlichen wird z.B. in Römer 14 behandelt. Ein Merksatz dazu: Im Grundsätzlichen Gleichheit, im Wichtigen Einheit, in Nebensächlichkeiten Freiheit, in allem aber die Liebe. (2)

Liebe

Sie soll den Umgang untereinander prägen (Joh 13,34f.). Liebe ist die Voraussetzung, um etwas zu prüfen, zu erkennen und zu beurteilen (Phil 1,9- 11). Ohne Liebe können wir nicht richtig beurteilen. Liebe ist die Grundlage von gesunder Beurteilung und notwendig, um anderen zu helfen, und um andere von ihrem Splitter im Auge zu befreien (Mt 7,1-12). Wir brauchen Barmherzigkeit im Umgang mit anderen.

Aufklärung

Aufklärung ja, aber wie? Eine gewisse Aufklärung ist erforderlich, die Leiter der Gemeinde sind als Hirten dafür verantwortlich. … Wir können nicht zulassen, dass alle Strömungen kommentarlos über die Geschwister hereinbrechen. Die Aufklärung sollte aber alle Aspekte des geistlichen Lebens umfassen und das Wachstum der Geschwister fördern. Deswegen ist es notwendig, viel mehr über Christus zu sprechen als über die Missstände oder die falsche Lehre. … Es geht hauptsächlich um Christus und unser Leben mit ihm!

Lob

Es ist wichtig, dass wir das Gute sehen und ansprechen. Tadel und Vorschläge werden leichter angenommen, wenn man das Gute hervorhebt und lobt. Paulus macht das in seinen Briefen (vgl. 1Kor 1).

Beide Seiten bringen

Es ist gut, beide Seiten zu sehen. Wer nicht beide Seiten anhört, ist ein Narr (Spr 18,13.17). Wir sollten die Vorteile und Nachteile einer Sache erklären. Was spricht dafür, was spricht dagegen? Die Geschwister müssen lernen, sich selbst ein Urteil zu bilden.

Gottes Wort

Was sagt die Bibel dazu? Es wäre gut zu zeigen, was und wo die Schrift über diese Themen redet. Oft kann man in der Diskussion über strittige Themen fragen: „Wie würde man das aus der Bibel begründen? Ist das wirklich die Bedeutung?“ …

Anwendung erklären

Es ist nicht nur wichtig, welche Information wir weitergeben. Wir sollten auch Rat geben, wie man mit der Information umgehen soll.

Menschen abholen, wo sie sind

Paulus holt die Zuhörer dort ab, womit sie sich beschäftigen, und führt sie einige Schritte weiter (z.B. Predigt in Athen, Apg 17). Die Menschen stehen in einem Prozess, und der Herr macht uns darauf aufmerksam, dass es wie von der Saat bis zur Ernte eine gewisse Zeit und verschiedene Arbeiten braucht, bis sie alles verstehen (Joh 4,35ff.). Wenn wir Menschen erreichen wollen, müssen wir verstanden werden. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir uns herumstreiten und mit Haarspalterei beschäftigen. …

Menschen gewinnen

Wir sollten lernen und anderen beibringen, wie sie Menschen gewinnen können, wie sie anderen weiterhelfen, wie sie einen Durst nach der Wahrheit wecken, ohne sich selbst in Gefahr zu begeben. Es ist wichtig, aktiv zu sein und Beziehungen aufzubauen. Man muss sich auf die Themen vorbereiten! …

Heiligkeit

Heiligkeit besteht nicht aus einer Reihe von Geboten und Verboten, sondern aus einer Beziehung zum Herrn Jesus. Wir wollen ihm gehorchen. Wir sind in der Welt, aber nicht von der Welt. Diese Beziehung soll wachsen. Was trägt dazu bei? Was ist eine Gefahr? …

Anforderungen an die Wächter

Sie sollten in einem Team arbeiten (Spr 27,17; Pred 4,9-11). Sie sollen auf Rat hören. Wenn sie selbst nicht viel Erfahrung haben in Evangelisation, Nacharbeit und Hirtendienst, sollten sie diese Brüder zu Rate ziehen und überlegen, wie sich ihre Informationen auswirken. Hilft es zu wachsen? Führt es zu Spaltungen? Sie sollten an ihrem eigenen Charakter arbeiten. Auch dazu ist Korrektur von anderen nötig.

Beurteilen der Wächter und der Informationen

Wir sollten den Geschwistern beibringen, wie sie entscheiden können, wem sie vertrauen sollen. Sind die Leute qualifiziert und erfüllen sie die geistlichen Voraussetzungen für ihren Dienst (z. B. 1Tim 3)? Auch ein angesehener Lehrer oder ein geistlicher Mann kann sich irren. Die Geschwister müssen lernen, wie sie Behauptungen mit Gottes Wort vergleichen können. Nur wenn sie das Wort Gottes selbst kennen und im Dienst mitarbeiten, werden sie gewappnet sein und werden nicht von jedem Wind der Lehre hin und her geworfen werden (Eph 4,11ff.). Es besteht die Gefahr, dass die Geschwister von jemandem beeinflusst werden, der kein Gemeindeleben hat, der an der Wirklichkeit vorbei lebt. Ist der Wächter selbst aktiv und erfolgreich in Evangelisation und Gemeindebau beschäftigt? Hat er Erfahrung, andere zu fördern?

 

Fußnoten:

(1) Der Artikel beruht auf einem Vortrag, der erstmalig auf einer Tagung des BSK (Bibel-Studien-Kreis) vom 15.–18. Juni 2006 in Lahnstein gehalten wurde.
(2) Das Thema der Proportionen wird behandelt in „Achte auf den Unterschied“ von William MacDonald im Kapitel: Grundsätzliches, Wichtiges und Nebensächliches.

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