Im Hamsterrad des Lebens Ruhe finden

Ich musste schmunzeln, als ich das Thema dieser Ausgabe las: „Komm zur Ruhe!” Die E-Mail mit der Anfrage diesen Artikel zu schreiben erreichte mich, als ich an der Vorbereitung einer Predigt saß. Das Erstellen der Präsentation stand ebenfalls noch aus. Am Vorabend fand ein Online-Meeting statt und am selben Abend stand noch eines bevor. Die Inhalte mussten noch verarbeitet und gleichzeitig vorbereitet werden. Viel Zeit hatte ich für das Verfassen des Artikels also nicht. Ich fühlte mich wie ein Nager im Hamsterrad…

Unser Lebensrad läuft und läuft, und wir müssen schauen, wie wir mitkommen und durchhalten. Das Gefühl: „Jetzt darf nichts mehr dazwischenkommen oder an neuer Arbeit dazukommen!“ lässt das Adrenalin steigen. Dann passiert es erst recht! So erlebe ich immer wieder, dass es eine Illusion ist, wenn man meint, dass es ein Leben gibt, in dem das Lebensrad zum Stehen kommt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Bild einer Straßenbahn: Die Räder drehen sich so gut wie ununterbrochen. Gleichzeitig hat die Bahn unten einen Halt und bekommt dabei Energie von oben. Unten ist sie in den Schienen. Oben ist sie mit der Stromleitung verbunden. Hier wird deutlich, dass sie die Energie selbst gar nicht machen muss und kann. Entscheidend ist das Angeschlossen-Sein an der Kraftquelle. Wie schaffen wir es, aus der Ruhe heraus Menschen mit Jesus zu erreichen?

Im Lebensrad gibt es Killer

Hier lediglich einzelne Stichpunkte, mit denen wir konfrontiert werden und die uns unsere Lebenskraft „killen“ möchten:

  • Stress: Unser Körper und/oder unsere Seele sind überbeansprucht.
  • Leistungsdruck: In immer kürzerer Zeit müssen immer weniger Menschen noch mehr erreichen.
  • Vergleichen: Wir vergleichen uns mit anderen – Prestige!
  • Veränderungen: In der schnelllebigen technischen Entwicklung möchte man nicht von Vorgestern sein.
  • Perfektionismus: Gründliche und fleißige Arbeit ist gut – doch es muss nicht immer perfekt sein.

Wir sind in unserem Lebensrad gefangen und können nicht einfach eine Auszeit davon nehmen. Täglich sind wir herausgefordert, uns dem zu stellen, was im Moment dran ist und uns dabei nicht von den oben beschriebenen Killern „abtöten” zu lassen.

Hilfreich ist die Begegnung zwischen Jesus und den Schwestern Marta und Maria in Lukas 10,38-42:

Im Lebensrad gibt es „video“

Video“ aus dem Lateinischen heißt: „ich sehe“. Auf was schaue ich? Marta sah, wie ihre Schwester sich bedienen lässt. Sie hatten Besuch von Jesus. Alles sollte bestens sein. Und dann sieht sie Maria, die nicht bei der Hausarbeit helfen will. Das Sitzen von Maria aber war kein normales Sitzen. Sie saß ganz dicht bei Jesus, um ihre Seele zu sättigen. Maria sieht auf Jesus. Es gilt, richtig zu sehen, d. h. auch richtig zu sehen, wer Gott ist. Gott kann generell mit uns tun, was er möchte, und dabei muss er uns keine Rechenschaft ablegen. Bei allem, was er tut, meint er es gut mit uns. In der Regel kommen hierbei unsere Gefühle nicht mit. Als Christen bauen wir auf das, was Gott uns in der Bibel sagt.

Weiter ist es hilfreich, zu sehen, dass Jesus alles mitbekommt, was läuft. Alle Ungerechtigkeit, die leider auch unter Christen nicht wenig herrscht. Bei allem „Sehen“ im Alltag hilft es immer wieder zu sehen, was Jesus für uns Menschen getan hat. Er hat die größte Ungerechtigkeit am Kreuz ausgehalten. Sehen wir auf einen mitleidenden Jesus, der uns unaufhörlich liebt.

Im Lebensrad gibt es „audio“

„Audio“ – „ich höre“. Aufgrund der Beziehung mit Gott durch Jesus Christus haben wir Frieden mit Gott. Weil ich Jesus habe, habe ich Frieden.

Hören: Wenn ich Gott in meinem Leben habe, dann lebt er durch seinen Heiligen Geist in mir. Das ist eine göttliche Tatsache. Frühmorgens, wenn ich aufwache und noch im Bett liege, kann ich als Christ Gott danken: „Danke, Vater, dass ich durch dich die Kraft habe, die ich heute brauche.“ Ich muss nicht bei ihm betteln: „Vater, schenke mir bitte Liebe für die schwierigen und ablehnenden Menschen, denen ich heute im Lebensrad begegnen werde.“ Sondern ich danke: „Vater, danke, dass du mir Liebe für sie gegeben hast, als du bei mir eingezogen bist.“

Hören wir auf das, was Gott uns sagt, wenn wir mit ihm leben. Ich habe einen freien Zugang zu Gott. Jederzeit kann ich mit allem zu ihm kommen, wie Marta auch. Sie sagte ihm, was ihr stinkt.

An dieser Stelle hört Marta von Jesus das Entscheidende: Im Grunde ist doch nur eines wirklich wichtig. Selbstverständlich haben wir uns um die alltäglichen Dinge zu kümmern. Allerdings möchte ich in erster Linie auf Gott hören. Denn Jesus schätzt unsere Liebe mehr als das, was wir nach außen hin sichtbar tun.

Durch das schnelle Drehen unseres Lebensrads kommen wir z. B. in eine Lauheit und Müdigkeit im Blick auf unsere Mitmenschen, die durch die Sünde auf dem Weg in die ewige Verlorenheit sind. Dabei vergessen wir das „Eine, was wirklich wichtig ist“. Was ist dieses „Eine“?

Das Sitzen von Maria war es nicht, sondern „das Eine“ brachte sie dazu, sich hinzusetzen. Das Zuhören war es nicht, denn „das Eine“ brachte Maria dazu zuzuhören.

Was wirklich wichtig in unserem Leben ist, ist nicht etwas, das wir tun sollen, sondern die Art und Weise, wie wir sein sollen, wie wir leben sollen. Es ist nicht ein Ort, wo wir hingehen, sondern ein Ort, von dem wir ausgehen.
(Noor van Haaften; Vortrag bei der Deutschen Evangelistenkonferenz 2011)

Wie bei der Straßenbahn: Gott legt die Schienen für mein Leben. Als sein Kind habe ich darin zu leben. In meiner Beziehung zu ihm lasse ich mein Leben von ihm lenken. Wenn wir uns nur fünf Meter entfernt von den von Gott gelegten Schienen befinden, liegt es auf der Hand, dass wir kraftlos sind. Das liegt daran, dass der Anschluss nach oben gestört sind: Wir sind zu weit von unserer Kraftquelle entfernt. Die Energiequelle ist bei eigenen Wegen und Selbstbequemlichkeit abgeschnitten. Es ist Gottes Kraft, wenn wir uns aus der Ruhe, die er gibt, zu den Menschen aufmachen.

Im Lebensrad gibt es „disco“

Disco“ aus dem Lateinischen: „ich lerne”. Wir sind unser ganzes Leben dabei, zu lernen; und Gott hat die Zeit und Geduld mit uns. Wenn ich etwas verstanden habe, dann handle ich entsprechend. So bin ich dankbar, wie ich in der Beziehung mit Gott immer weiter lerne, gerade im Bereich der persönlichen Evangelisation. Das Gelernte versuche ich dann umzusetzen.

Als ich 1999 meine ersten Gehversuche beim Buscafé Mobiler Treffpunkt machte, textete ich die Menschen mit Bibelversen und Argumenten zu. Wenn es z. B. um die Jungfrauengeburt ging, schoss ich minutenlang auf die Menschen ein. Heute berichte ich meinem Gegenüber aus meinem Leben, wie ich Jesus in konkreten Situationen erleben durfte. Dieses Erleben ist nur möglich, weil Jesus kein normaler Mensch ist, sondern der Sohn Gottes. Somit bin ich bei der Jungfrauengeburt, allerdings auf Augenhöhe mit meinem Gegenüber.

Bleibende Herausforderung

Es bleibt eine Herausforderung im Lebensrad, das richtige Maß zu finden! Wir wollen am Ball bleiben, immer und überall auf sämtlichen Kanälen erreichbar sein, haben mehr als genügend Aufgaben und gleichzeitig sollen uns die Menschen um uns herum nicht egal sein.

In meinem Lebensrad versuche ich, nicht unbedingt „mehr“ zu tun, sondern mit Gottes Hilfe immer mehr das Wesentliche zu erkennen.
(Noor van Haaften; Vortrag bei der Deutschen Evangelistenkonferenz 2011)

Dabei ist es Gottes Gnade, wenn wir aus den richtigen Motiven heraus Menschen das Rettungsangebot Jesu bringen. Denn das, was wir für andere sichtbar tun, kann durch Stolz und Selbstsucht gefärbt sein. Uns ist der Eindruck: „Nur ich bringe mich so stark missionarisch in unserer Gemeinde ein, die anderen ruhen sich aus…“ nicht fremd. Warum mache ich, was ich mache? Auf unseren Antrieb kommt es an! Weil wir Gott lieben, lieben wir die Menschen. Deshalb finden wir Zeit und kreative Ideen, dem Auftrag Gottes gehorsam zu sein.

Wenn ich in mein Leben schaue, muss und möchte ich ehrlich dazu stehen, dass mir immer Gründe einfallen, wieso es für mich jetzt in diesem Moment nicht passend ist, mich missionarisch einzubringen. Teilweise sind es sogar nachvollziehbare Argumente. Wiederum habe ich die bewegendsten Momente mit meinem „Auftraggeber” Gott dann gemacht, wenn ich müde und abgekämpft war. Sozusagen nach Feierabend. Nach einer mehrtägigen Dienstreise kam ich mental müde an einem Sonntag um ca. 17 Uhr zu Hause an. Dort erfuhr ich, dass sich eine sehr gute Freundin von uns im Krankenhaus befand und es ihr gar nicht gut ging. Ihre Angehörigen baten mich, sie möglichst bald zu besuchen. Meine Empfindungen signalisierten mir: „Morgen ist auch noch ein Tag, schlaf erst mal in deinem heimischen Bett aus.“ Innerlich war ich gedrängt, die einstündige Fahrt doch gleich nach einer Tasse Kaffee in Angriff zu nehmen. Als ich das Krankenzimmer betrat, schlief sie. Ich setzte mich auf einen Stuhl. Bereits nach fünf Minuten öffneten sich ihre Augen. Voller Freude sagte sie: „Karl-Ernst, dass du kommst! Damit machst du mir eine große Freude.“ Wir hatten ein sehr gutes und tiefgründiges Gespräch. Bevor ich mich auf die Heimfahrt machte, beteten wir zusammen. Vier Tage später kam sie bei Gott im Himmel an.

Lass dich nicht ans Hamsterrad fesseln, sondern finde Ruhe in der Verbindung zu Gott, unserer Kraftquelle! Schaue und höre auf die vielfältigen Impulse Gottes. Lerne das umzusetzen, was du in der Beziehung mit ihm lernst. Gehe mutig, kreativ und fröhlich zu den Menschen, denn sie brauchen Jesus!

Kommentare sind geschlossen.