Der erhöhte Herr und seine Gemeinde

Wenn wir einen Blick auf die sieben Sendschreiben der Offenbarung (Kap. 2–4) werfen, dann wird auch deutlich, dass das, was wir hier vorfinden, über die damalige Situation der sieben Gemeinden hinausgeht. Einerseits können wir aus dem geistlichen Zustand der damaligen Gemeinden individuell Belehrungen für uns persönlich ableiten (vgl. Röm 15,4), andererseits dürfen wir hier aber auch einen Blick auf die Entwicklung und Geschichte der Gemeinde Gottes allgemein werfen. Jedem einzelnen Sendschreiben sind Aspekte des Wesens Jesu Christi vorgeschaltet. Jesus Christus offenbart sich jeder Gemeinde in ihrer spezifischen Situation in einer besonderen Art und Weise.

Christus stellt sich vor als der, der inmitten der sieben Leuchter – ein Bild für die Gesamtheit der Gemeinden (Offb 1,20), die ER sich durch sein Blut erworben hat – wandelt und sie beurteilt! (Wie hell leuchtet ihr Zeugnis in der Welt?) Gleichzeitig hält Er die Sterne in seiner Hand – ein Bild dafür, dass Er die einzelne Person in seiner Hand hält, trägt und schützt. Der einzelne Gläubige und die Ortsversammlungen stehen in der Verantwortung gegenüber dem Haupt der Gemeinde – damals wie heute! Wie würde heute ein Brief an dich und mich, an deine und meine Ortsgemeinde ausfallen? Hat Er noch das Sagen in unserem „privaten“ Leben? Bestimmt Er unseren Gemeindekurs?

1. Ephesus

Das Sendschreiben an Ephesus hinterfragt unsere Motive. Ja, da sind Einsatz, Wachsamkeit, Arbeit, Mühe und Ausdauer. Aus den Werken kann man doch unseren Glauben erkennen. Reicht das denn nicht? Aber ist unser Herz dabei? Warum dienen wir? Warum mühen wir uns ab? Sind es Bemühungen der Liebe zu Jesus Christus? Haben wir Ausdauer in der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus? (1 Thess.1,3)

In seiner Liebe zu uns sehnt sich der Herr nach unserer Gegenliebe zu ihm! Diese Liebe soll in ihrer Intensität und Ausschließlichkeit wie die Liebe in der Anfangszeit einer Liebesbeziehung („erste Liebe“) sein. Da hatte nichts anderes Platz! Da konnte nichts den Gegenstand unserer Liebe und Dankbarkeit aus dem Zentrum unserer Gedanken, unseres Lebens verrücken.

Was ist nur im Laufe der Zeit passiert? Über unsere Bemühungen, unsere Liebe zu zeigen, sie zum Ausdruck zu bringen (was ja richtig ist!), kam es zu einer Bedeutungsverschiebung. Liebe sollte der Motor sein, der uns antreibt, für Ihn etwas zu tun. Mit unseren Werken für Ihn kamen dann auch die (berechtigten) Überlegungen: Was soll ich als Nächstes tun? Wie soll ich es tun? Wie kann ich es beständig und ausdauernd tun? Auch wenn es mich etwas kostet, will ich etwas tun! Und so rutscht unser Tun immer mehr in den Mittelpunkt. Unsere Aktivität verdrängt allmählich unseren Herrn und die Liebe zu ihm. Aus Liebe wurde Pflichtgefühl. Natürlich gehört zur Liebe auch Pflichtgefühl, aber wenn wir nur noch aus der Pflicht handeln und nicht mehr aus Liebe, dann verliert auch die größte Anstrengung an Wert!

2. Smyrna

In Smyrna (Offb 2,8-11) stellt sich der HERR als der Erste und der Letzte vor, der tot war und wieder lebendig wurde. Einer Gemeinde, die Bedrängnis, Armut und Verleumdung erfahren muss, die schweren Prüfungen ausgesetzt ist, kann er Trost zusprechen. Er ist der souveräne Herrscher, der auch den Tod besiegt hat und deswegen auch ermuntern kann, treu bis zum Tod zu sein.

Passt diese Perspektive zu unserer Sicht von Gemeinde? Erheben wir deutlich unsere Stimme für die Schwachen und Stimmlosen? Berühren uns z. B. die Abtreibungen von so vielen Babys überhaupt noch? Leben wir deswegen in Ruhe, Beschaulichkeit und Frieden, weil wir nicht mehr mutig Licht und Salz in dieser Welt sind? Fürchten wir die Menschen mehr als Gott? Haben wir die Gottesfurcht verloren und werden deswegen nicht verfolgt (2Tim 3,12)?

3. Pergamon

Der Gemeinde in Pergamon (Offb 2,12-17) stellt ER sich vor als der, der das zweischneidige, scharfe Schwert hat. Nach Hebräer 4,12 ist damit das Wort Gottes gemeint. Auch in dieser Gemeinde gab es Verfolgung, sogar Märtyrer. Sie hielten am Namen Jesu fest und haben ihn nicht verleugnet. Hier hatte sich aber Toleranz gegenüber falschen Lehren eingeschlichen.

Welchen Stellenwert hat heute das Wort Gottes? In manchen Gemeinden beginnt man zu unterscheiden: Die Bibel sei nicht (mehr) Gottes Wort, sie enthalte es nur (und auch nur an manchen Stellen). Hier werden Fundamente zerstört. Oder: Man glaube an Jesus Christus und nicht an die Bibel. Ja, aber wir glauben an den Jesus Christus, der sich in der Bibel offenbart und definiert hat. Die Bibel ist wahrhaftiges und in spiriertes Wort Gottes, nicht Menschenwort (1Thes 2,13).

4. Thyatira

Der Gemeinde in Thyatira (Offb 2,18-29) stellt ER sich als der Sohn Gottes vor, dessen Augen wie lodernde Flammen brennen und dessen Füße wie leuchtendes Gold glänzen. Kein Geschöpf ist vor IHM verborgen, IHM ist alles bekannt, ER durchschaut alles, „der Nieren und Herzen erforscht“ (V. 23). In einer Zeit der Verführung und falschen Lehren brauchen wir ein biblisch fundiertes Gottesbild. Ein souveräner, allmächtiger und allwissender Gott wird einmal gerecht richten. Gott ist nicht der liebe Gott! Er ist ein liebender, heiliger und richtender Gott. In seiner Liebe hat er die Möglichkeit der Stellvertretung erfunden. Jesus Christus wurde an meiner Stelle für meine Sünden bestraft. Dadurch wurde Vergebung möglich, die jeder Mensch in Buße annehmen muss, damit er für die Ewigkeit nicht verloren geht. Menschen müssen Buße tun, weil es sonst eine Ewigkeit in der Gottesferne, in der Hölle geben wird.

Haben wir den Mut, dieses Zeugnis von der Liebe und Gerechtigkeit Gottes in unserer Gesellschaft zu sagen und zu leben? Wie lesen wir die Bibel? Hat Gottes Wort zu Ehe, Familie und Ordnungen in der Gemeinde etwas zu sagen, oder ist alles nur veraltetes Gedankengut einer vergangenen Kultur, sodass wir biblische Werte heute kulturell anpassen müssen?

5. Sardes

Der Gemeinde in Sardes (Offb 3,1-6) offenbart er sich als der, der die Fülle des Geistes hat (und gibt). Dieser Geist soll die Gläubigen führen und die Ungläubigen überführen. Er klagt eine Gemeinde an, die ein Bekenntnis, aber kein geistliches Leben hat: Der Geist Gottes fehlt oder ist in seinem Wirken eingeschränkt oder ausgelöscht. Liturgie, Routine, eine Form der Gottseligkeit, aber die Kraft Gottes wird verneint. Wunder? Gibt es nicht! Prophetie in Gottes Wort? Gibt es nicht! Da müsste man ja in die Zukunft schauen können, aber in einem evolutiv-materialistisch geprägtem Weltbild hat so ein Gedanke keinen Platz. Wenn, dann habe Gott durch Evolution geschaffen (Idee der theistischen Evolution).

6. Philadelphia

Der Gemeinde in Philadelphia (Offb 3,7-13) stellt er sich als der Heilige und Wahrhaftige vor, der öffnet und verschließt. Er ist der souveräne Gott, der Kontrolle, Autorität und uneingeschränkte Macht besitzt. ER lobt die Gemeinde, weil sie „das Wort vom Harren auf ihn bewahrt“ hat (V.10).

Sind wir heute eine wartende Gemeinde? Er hat versprochen, dass es eine Entrückung geben wird, dass er uns zu sich holen wird, dass er eine Wohnung für uns vorbereitet hat. Oder haben wir uns hier auf der Welt gemütlich eingerichtet? Ihm läuft die Weltgeschichte nicht aus dem Ruder! Er hat alles in seiner Hand, alles ist unter seiner Kontrolle. Alles kommt zu seinem Ziel! Gott schreibt (Heils-) Geschichte. Halten wir das fest? Ist das unser Zeugnis in der Welt?

7. Laodizea

Zuletzt stellt er sich der Gemeinde in Laodizea (Offb 3,14-22) als der „Amen“ vor, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes. Hier kommt zum Ausdruck, dass es Gott ist, der von Anfang an definiert, was gut und was schlecht und böse ist. Er liefert die Orientierungspunkte für unser Leben. Er ist das Fundament unseres Glaubens. Sein Zeugnis, sein Reden, seine Gedanken sind wahr.

Solche Korrekturen braucht eine Gemeinde, die ein falsches Selbstbild hat. Eine Gemeinde, die auf sich selbst schaut, die der Meinung ist, dass sie alles hat und nichts mehr von Gott braucht. Die denkt, man sehe die Dinge richtig, man mache alles richtig, man habe die richtige Erkenntnis. Es läuft alles so, wie man es sich denkt, dass es laufen soll. Man denkt, dass man Gott ganz nah sei, und merkt dabei nicht, dass man Gott aus dem Zentrum weg nach draußen befördert hat. Arm, blind, bloß – bemitleidenswert!

„Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“
(Offb 3,22)

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