Jesus und ich

Das letzte Kapitel im Johannesevangelium kann wohl als einer der bekanntesten Abschnitte der Bibel bezeichnet werden. Das Gespräch unseres HERRN mit Petrus in den Versen 15-22 kennt jeder Bibelleser und ist ein Beispiel für die Seelsorge des Herrn Jesus an seinen Leuten. Viele Auslegungen richten den Fokus auf den Herrn Jesus. Aber bei dem Thema „Jesus und ich“ geht es auch um die Sicht des Jüngers und wie er eine angefochtene und schwierige Situation erlebt und das Angebot Jesu erwidert.

Petrus war ein Verräter an seinem Herrn Jesus. Er hatte ihn verleugnet und verfluchte sich dabei sogar selbst (Mk 14,71). Diese unbereinigte Sünde stand zwischen ihm und seinem Herrn. Außerdem kam Petrus so wie alle Jünger mit der Kreuzigung, dem Tod Jesu und seiner Auferstehung nicht zurecht; viele Fragen bedrängten ihn. Ein gutes Beispiel hierfür sind auch die bekannten Emmaus-Jünger aus Lukas 24. Das alte, vertraute Verhältnis zu Christus war dahin. Eine große Befangenheit bestimmte nach seiner Auferstehung die wenigen besonderen Zusammentreffen mit ihm. Petrus wusste genau um seine Sünde (1).

Was tun, wenn Sünde und Fehlverhalten mein Leben belasten? Wir Christen von heute würden natürlich sagen: Da muss man seine Sünden im Gebet bekennen und um Vergebung bitten, dann ist alles wieder gut. Aber so einfach war das für Petrus nicht, diese Situation war neu für ihn, und ein Gespräch mit dem auferstandenen Herrn war (noch) nicht jederzeit möglich. Er macht das für ihn Naheliegende, er arbeitet wieder in seinem Beruf und geht fischen. Vielleicht ist es ein Weg, zunächst einmal den Alltag zu bestreiten und zu tun, was anliegt. Wenn der Herr Jesus mich bei der Arbeit findet, ist das keine schlechte Ausgangssituation.

Erfolgreich ist der nächtliche Fischzug zunächst nicht, was eine weitere Belastung darstellt. In dieser müden und vergeblichen Arbeitssituation steht der HERR am Ufer und wartet auf die Jünger – und ganz besonders wartet er auf Petrus. Der erlebt erst mal ein Wunder, wie es bereits früher in ähnlicher Weise passiert ist, und dennoch muss ihm Johannes erklären, wer dort am Ufer auf sie wartet: „Es ist der HERR.“

Das ist doch eine Situation, die wir gut kennen, oder? Belastet mit ungeklärten Situationen und Fragen, versuchen wir aus eigener Kraft, unseren Alltag zu bewältigen. Wie oft fangen wir keine Fische! Wie oft sind die Ergebnisse ungenügend! Wir stehen dann müde und erschöpft da und halten nichts in den Händen. Aber dann passiert ein Wunder, ich werde bewahrt und geführt, doch ich erkenne in meinem Leben nicht mehr den HERRN. War es vielleicht Glück oder meine Cleverness, die das Netz doch noch gefüllt haben?

Wenn wir mit Gottes Hilfe einen großen Fang gemacht haben, wartet Jesus dennoch mit einer fertigen Mahlzeit am Ufer auf uns. Er ist nicht darauf angewiesen, dass wir unsere Netze nochmal auswerfen. Aber wir selbst haben es dringend nötig, sein Wirken zu erleben und schließlich auch zu erkennen: „Es ist der HERR.“ Vor dem Gespräch muss alles Notwendige erledigt werden. Dazu gehört auch die Aufforderung Jesu: „Kommt her, frühstückt.“ Wir brauchen Pausen und Stärkung, der Herr Jesus lädt uns dazu ein.

Dies ist bereits das dritte Treffen der Jünger mit dem Auferstandenen. Aber die Befangenheit ist mit Händen zu greifen, keiner der Jünger wagt, etwas zu fragen. Nach einer durchgearbeiteten Nacht ist ein kräftiges Frühstück fällig. Und ein gemeinsames Essen kann für ein gutes Gespräch sehr förderlich sein; die Rahmenbedingungen sind eben nicht egal. Es ist bemerkenswert, wie der Herr Jesus zunächst einmal für diese Rahmenbedingungen sorgt: ein Feuer, ein zubereitetes Essen; es ist auch Zeit, die gefangenen Fische an Land zu bringen; eine ruhige Atmosphäre am Ufer, welche dann zur Gemeinschaft einlädt.

Und doch, es ist noch nicht alles geklärt. Von den Jüngern weiß das keiner besser als Petrus. Auf diesem Felsen will der HERR durch ihn seine Gemeinde bauen, aber zuvor müssen Schmutz und Unrat beiseitegeschafft werden. Ein wichtiger Hinweis für uns Gläubige: Wir können nicht auf den Segen des Herrn Jesus hoffen, solange Sünde nicht vergeben, Schuld nicht ausgeräumt ist und Beziehungen ungeklärt sind.

Wie erlebt Petrus nun seinen HERRN? Dieser hält ihm keinen Vortrag über konsequentes Verhalten. Er geht mit Petrus nicht noch einmal jede Situation durch – er arbeitet nicht alles nochmal auf, er erklärt keinen Leitfaden für Nachfolge – Christus macht keine Therapie, sondern kommt sofort auf den Kern des Problems zu sprechen: Hast du mich lieb?

Alles, aber auch wirklich alles steht und fällt mit der Antwort auf diese Frage. Eine Ehekrise kann überwunden werden, wenn ich die Entscheidung treffe, meinen Ehepartner zu lieben. „Liebe ist nicht das Gefühl eines Augenblicks, sondern die bewusste Entscheidung zu einem Lebensstil.“

Der Herr Jesus stellt diese Frage dreimal hintereinander. Es wurde schon oft auf den Zusammen hang mit der dreimaligen Verleugnung Jesu durch Petrus hingewiesen. Aber die dreifache Wiederholung macht die umfassende Bedeutung der Liebe zu Christus für alle seine Nachfolger überaus bedeutsam. Ja – die Liebe zu Gott, zu dem Werk und der Person Jesu ist die absolute Kernfrage für jeden Christen. Unser Bibelwissen, unsere gemeindliche Tradition, ja, selbst unser Einsatz in der Reichsgottesarbeit sind nicht viel wert, wenn diese Frage nicht mit JA beantwortet wird. Meine Liebe zum Herrn Jesus führt dann zu seiner Aufforderung: Folge mir nach. Als Christ ist es meine wichtigste Aufgabe, in seiner Nähe zu sein und auf seinen Wegen zu gehen. Ob Zuhause oder im Dschungel: Ich bin in jedem Fall in der Mission meines HERRN unterwegs.

Ein wichtiges Nachspiel zu dem Gespräch gibt es dann noch in den Versen 20-23. Es ist die Seelsorge nach der Seelsorge. Ich würde sie als Generalstelle gegen Vergleichsdenken und Konkurrenz unter Gläubigen bezeichnen. „Was geht es dich an?“ Diese Frage sollten wir uns hin und wieder stellen und uns mit Kritik an Geschwistern zurückhalten. Das gilt auch für Ratschläge im Allgemeinen. Ich bin nicht immer gefragt, meinen sprichwörtlichen Senf dazuzugeben. „Folge du mir nach!“ Ich soll befolgen, was mein Herr mir klarmacht. Dann werden die weiteren Schritte, die ich in meiner Nachfolge tun soll, auch deutlich werden.

 

Fußnote:

(1) Der Vollständigkeit halber sei hier auf zwei Bibelstellen in Lukas 24,34 u. 1. Korinther 15,5 hingewiesen, wo eine eigene Begegnung zwischen dem Auferstandenen und Petrus angedeutet wird. Darüber wird aber nichts Inhaltliches weitergegeben. Die Wiederherstellung des Petrus innerhalb der Jüngerschaft wird nur hier im Johannesevangelium berichtet.

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