Risiken und Nebenwirkungen der digitalen Medien

I. Die Söhne dieser Welt sind klüger als die Söhne des Lichts gegen ihr eigenes Geschlecht (Lk 16,8)

Bill Gates, der Gründer der größten Software-Firma der Welt, sagte über die Medienerziehung in seiner Familie: „Wir haben unseren Kindern keine Smartphones gegeben, bis sie 14 waren. Sie beschwerten sich darüber, dass andere Kinder früher eines bekamen.“(1) Im Hause Gates waren 45 Minuten Spielen am Tablet oder Computer stets das obere Limit.

Steve Jobs präsentierte 2007 als Geschäftsführer der Firma Apple in einer 80-minütigen Vorstellung stolz das iPhone als „revolutionäres Mobiltelephon und bahnbrechendes Internet-Kommunikationsgerät“ (2). In der Tat hat kein anderes Gerät unsere Lebenswelt in kurzer Zeit so stark verändert. Interessanterweise schützte Jobs seine Kinder vor seinen „bahnbrechenden“ Erfindungen. Kurz nachdem Apple ein neuartiges Tablett, das iPad, herausgegeben hatte, fragte ein Reporter: „So, Ihre Kinder müssen das iPad wohl lieben?“ Er antwortete: „Sie haben es noch nicht benutzt. Wir setzen Grenzen, wie viel Technik unsere Kinder zu Hause benutzen dürfen.“(3)

Jeff Bezos, durch den Online-Handel von Amazon zu einem der finanziell reichsten Menschen der Welt geworden, outete sich als Low-Tech-Father: „Mein vierzehnjähriger Sohn war der Letzte in seiner Klasse ohne Smartphone. Als der Vorletzte eins bekam, schickte er eine Nachricht an seine Mitschüler: Da war’s nur noch einer!“(4)

II. Das Auge wird des Sehens nicht satt, und das Ohr nicht voll vom Hören (Pred 1,8)

Warum sind diese Experten zurückhaltend, ihre Kinder am „Segen des technischen Fortschritts“ teilhaben zu lassen? Niemand bezweifelt, dass die modernen digitalen Medien eine Fülle von Möglichkeiten bieten, sozusagen eierlegende Wollmilchsäue auf technischem Gebiet sind. Je länger je mehr kommen allerdings auch die Risiken und Nebenwirkungen zutage, von denen hier einige angedeutet werden:

1. Körperliche Schäden

Der Aktionsradius von Kindern und Jugendlichen hat sich innerhalb von 30 Jahren um 90 Prozent verringert. Bewegungsmangel und Übergewicht gehören weltweit zu den am besten nachgewiesenen Nebenwirkungen von Bildschirmmedien.

Eine Reihe von Studien weist darauf hin, dass die Häufigkeit von Kurzsichtigkeit mit steigendem Gebrauch vor allem des Smartphones zunimmt. In Südkorea, dem Land, das weltweit die meisten Handys produziert, sind 95 % der jungen Leute kurzsichtig, in China 80 % (5).

2. Seelische Störungen

Die Zahl der Selbstmorde von Mädchen und jungen Frauen hat sich in den USA in den Jahren von 2007 bis 2015 verdoppelt. Die Selbstmordneigung geht einher mit gesteigertem Medienkonsum (6).

Ähnlich ist es mit Depressionen. Nach einer Studie verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit bei 18-jährigen Mädchen, wenn sie mit 13 mehr als drei Stunden täglich mit Facebook zubrachten. Bei mehr als zwei Stunden Mediennutzung ist die Wahrscheinlichkeit, an Einsamkeit zu leiden, doppelt so hoch wie bei einer halbstündigen täglichen Nutzung (7).

Anfang 2022 tritt die neue Internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD 11) der Weltgesundheitsorganisation in Kraft. Darin wird Video- und Onlinespielsucht (Gaming Disorder) als Krankheit definiert. Die Symptome sind für die WHO, wenn ein Mensch über mehr als zwölf Monate (in schwerwiegenden Fällen auch kürzer) alle anderen Aspekte des Lebens dem Spielen unterordnet, wenn er z. B. seine Freunde verliert, seine Körperhygiene vernachlässigt oder trotz schulischem Funktionsverlust weiterspielt (8). Bereits 2012 wurde im Suchtbericht der Bundesregierung die Zahl der internetabhängigen 14–24-jährigen mit 250000 und der problematischen Internetnutzer mit 1,4 Millionen beziffert (9).

3. Verdummung

Machen Smartphones smart (klug)? Das hängt von der Art und Dauer der Nutzung ab. Im Rahmen der PISA-Studien wurde deutlich: Je mehr ein Land in die schulische digitale Infrastruktur investiert, desto eher verschlechtern sich die Leistungen in diesem Land (10). Generell lässt sich folgende Tendenz feststellen:
Bei einem sehr gemäßigten Gebrauch digitaler Medien verbessern sich die Schulleistungen, bei zunehmend häufiger Nutzung werden sie schlechter (11).

4. Zeitverschwendung und Innenweltvergiftung

Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass wir alle viereinhalb Minuten auf unser Smartphone schauen (12) und dass etwa die Hälfte aller Nutzer mehr als fünf Stunden täglich mit digitalem Medienkonsum verbringt (13). Ein Viertel aller Anfragen im Internet bezieht sich auf Pornografie (14).

III. Wende meine Augen ab, dass sie Nichtsnutziges nicht sehen! Belebe mich auf deinem Weg! (Ps 119,37)

Ein Smartphone ist zwar technisch smart (klug), aber in ethischen Fragen von Gut und Böse völlig blind. Deswegen setzt ein unschädlicher Gebrauch der digitalen Medien einen smarten Nutzer voraus – smart nicht im technischen, sondern im moralischen Sinn. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass uns und unseren Kindern diese moralische Weisheit in die Wiege gelegt ist. Sie erfordert geistliche Überzeugungen, Selbstdisziplin, Kenntnis der Gefahren und am besten auch Rechenschaft über unsere Mediennutzung gegenüber einer Person unseres Vertrauens. Bezüglich der Medienausstattung Heranwachsender ist in Anlehnung an Gates, Jobs und Bezos der Rat besonnener Medienpädagogen bedenkenswert: Tastenhandy nicht vor Klasse 5, Smartphone frühestens mit ca. 14 Jahren, mobiler Internetzugang (Flatrate) erst ab 16 Jahren (15).

 

Fußnoten:

(1) https://www.mirror.co.uk/tech/billionaire-tech-mogulbill-gates-10265298 (03.03.2021)
(2) https://www.youtube.com/watch?v=VQKMoT-6XSg (03.03.2021)
(3) Zitiert in Reinke, T.: Wie dein Smartphone dich verändert, Augustdorf, 2018, S. 14
(4) Amazon‘s Jeff Bezos on profits, failure, succession, big bets (businessinsider.com) (16.03.2021)
(5) Spitzer, M.: Die Smartphone-Epidemie, Stuttgart, 2020³, S. 53
(6) Spitzer, 2020 S. 28
(7) Turkle, S.: Verloren unter 100 Freunden – Wie wir in der digitalen Welt seelisch verkümmern, Riemann-Verlag, 2012
(8) Weltgesundheitsversammlung beschließt die ICD-11 (aerzteblatt.de) (17.03.21)
(9) Spitzer, M.: Digitale Demenz, München, 2014, S. 7
(10) Spitzer, M., 2014, S. 17
(11) Spitzer, M.: 2014, S. 85 f
(12) Reinke, S. 41
(13) Spitzer 2020, S. 22
(14) Internet Pornografie – Zahlen, Statistiken, Fakten (netzsieger.de) (17.03.21)
(15) https://www.medien-sicher.de/2016/12/elternbriefsmartphones-grundschulen/ (17.03.2021)

 

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