Fischen gehen – mit Angel oder Netz?

Gestern

Weihnachtsmarkt 2020. Eine junge Frau kommt an unserem Stand vorbei. Sie interessiert sich nicht nur für unsere selbstgemachten Plätzchen und Marmeladen, sondern auch für die evangelistische Literatur. Wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt uns, dass sie niedergeschlagen über einen Markt in Wittlich gegangen war, als sie aus heiterem Himmel von einer Frau angesprochen wurde: „Ich würde gerne mit ihnen beten. Sie sehen so traurig aus.“ Sie ließ es zu und fand kurze Zeit später Vergebung ihrer Sünde. „Jetzt bin ich auf der Suche nach einer Gemeinde. Ich würde auch gerne meine Freundin mitbringen.“ Am nächsten Sonntag war sie da, aber ohne Freundin. Im Laufe der Zeit wurde deutlich, dass sie viele Baustellen in ihrem Leben hatte: geschieden, drei Kinder, Privatinsolvenz, Krach mit den Eltern und sehr verbittert. Doch einige Zeit später kam ihre Freundin mit. Katholisch geprägt, hatte sie noch nie eine freikirchliche Gemeinde kennengelernt.

In „2 Contents, 2 Realities“ (Zwei Inhalte, zwei Realitäten, 1974) (1) nennt Francis Schaeffer vier Dinge, die eine am Evangelium ausgerichtete Gemeinde kennzeichnen sollte:

Gesunde Lehre, ehrliche Antworten auf ehrliche Fragen, wahre Geistlichkeit und die Schönheit zwischenmenschlicher Beziehungen. Doch der letzte dieser vier Aspekte, die Schönheit zwischenmenschlicher Beziehungen, ist das Erste, was Außenstehende vermutlich bemerken, wenn sie eine Gemeinde betreten. Wahre Schönheit lässt Menschen innehalten und erstaunt hinschauen. Doch „wenn wir keine Schönheit darin zeigen, wie wir miteinander umgehen, dann zerstören wir in den Augen der Welt und in den Augen unserer eigenen Kinder die Wahrheit, die wir verkündigen.“ (2)

Die Freundin der jungen Frau fand „die Schönheit zwischenmenschlicher Beziehungen“ und kam immer wieder. Beide fingen an, mit einer älteren Gläubigen den „Erste Schritte-Kurs“ von Jean Gibson (3) zu machen. Die Treffen fanden unregelmäßig statt, weil beide sehr viel arbeiten mussten. Im Laufe der Wochen und Monate entdeckte auch die Freundin, dass Jesus für ihre Sünden gestorben ist und sie eine Sünderin ist; und sie bekehrte sich. In den nächsten Jahren traf sie sich immer wieder mit ihrer Mentorin; die beiden wurden Freundinnen, und sie wuchs gesund im Glauben. Die Bibel wurde ihr liebstes Buch.

Retterliebe erzeugt bekanntlich Rettersinn, und so brachte sie eines Tages ihre Schwester mit zu diesen Treffen und auch zur Gemeinde. Jetzt im Juli wird auch diese getauft, was eine große Freude ist; und Interesse am Glauben ist mittlerweile auch bei ihrem Mann geweckt.

Heute

Wir sind eine kleine Gemeinde im Hunsrück, die katholische Kirche ist sehr präsent. Uns ist sehr bewusst, dass wir nur überleben können, wenn regelmäßig Menschen zum Glauben kommen. Daher müssen wir weiter am Evangelium arbeiten. Großveranstaltungen, Büchertische, Flyeraktionen kommen hier nicht so gut an. Was also tun?

Paulus hat mit einem Team in Korinth gearbeitet: zusammen mit Aquila und Priscilla, Silas und Timotheus, und später hat Apollos noch mitgewirkt. Vielleicht war auch Lukas dabei. Sie blieben dort 1 ½ Jahre und haben mit den Menschen gelebt. Vorher war er in Athen gewesen, und wir lesen nicht, dass dort eine Gemeinde entstanden ist. Aber in Korinth hatte Gott ein „zahlreiches Volk“, dass sich zu ihm bekehrte.

Uns ist aufgefallen, dass sowohl unser Herr und Meister als auch Paulus in der Regel immer im Team gearbeitet haben. Und genau dazu haben wir uns auch entschlossen. Gott hat uns die Gnade geschenkt, dass zwei Teams nach Saarburg und Wadern (Saarland) gezogen sind, junge Familien und einige Singles, die einfach dort leben, arbeiten und normale Bürger sind und die „die Schönheit zwischenmenschlicher Beziehungen“ weitergeben möchten. Der Start war sicherlich herausfordernd; aber heute, nach fünf Jahren, hat der Herr Jesus die ersten Menschen zu sich gezogen.

Was getan wurde? Die Lichter vor Ort stehen oben auf dem Berg, das Salz wurde in die Suppe geschüttet. Unsere Geschwister lieben einfach ihre Nachbarn, verbringen Zeit mit ihnen, wandern gemeinsam, fahren zusammen in Urlaub und leuchten als Himmelslichter! Sie interessieren sich für ihre Nächsten, stolpern nicht mit der Tür ins Haus, sondern warten, dass der Herr die Herzen öffnet. Heute haben sie so viele Kontakte, gute Gespräche, Bibelgesprächskreise, dass es schwierig geworden ist, sie zu einem Besuch einzuladen.

Morgen

Wir brauchen mehr solche missionarischen Teams. Menschen, die Evangelisation nicht nur als Event leben, sondern als Lebensstil. Dort, wo viele Christen sind, kann man bestimmt „mit dem Netz fischen“. Doch in Deutschland gibt es so viele Gegenden, wo es sehr wenige Christen und noch weniger Gemeinden gibt: der Hochsauerlandkreis, der Hunsrück, die Eifel, das Saarland, der bayrische Wald, Mecklenburg und viele andere Gegenden.

Wie schön wäre es, wenn dorthin junge Familien und Singles ziehen, die die Güte und Menschliebe Jesu als „fleischgewordenes Wort“ mitbringen, nachdem sie sich vom Herrn haben zurüsten lassen. Denn auch Einsamkeit, ein langer Atem, das Gegründetsein in der Schrift und Retterliebe gehören dazu!

Fußnoten:

(1) Vgl. http://francisschaefferstudies.org/ fss/francis-schaeffer/works/?two-contents-two-realities und http://francisschaefferstudies.org/francis-schaeffer/ works/?form-and-freedom-in-the-church (2) Das Evangelium, Bethanien Verlag 2018, Seite 61-62
(3) Folge mir nach, Erste Schritte, CLV 1990

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