Willkommen im Begegnungscafé!

Liebe Ute, du hast ein großes Herz und ein offenes Haus für Menschen mit Migrationshintergrund, für einige bist du sogar Mutter und Oma. Wie ist das gekommen?

Y. aus Syrien habe ich mit ihrer Familie vor sechs Jahren im Übergangswohnheim kennengelernt. Wir haben uns angefreundet. Y. wurde schwanger. Als sie hörte, dass ich Kinderkrankenschwester bin, bat sie mich, sie in der Schwangerschaft und bei Arztbesuchen zu begleiten. In Syrien ist es üblich, dass die Mutter der Gebärenden bei der Geburt dabei ist. Weil das ja nicht möglich war, bat sie mich, mitzugehen. Es war ihr auch wichtig, dass ich der Hebamme mitteilte, was bei ihren Geburten zu beachten sei. Als die kleine Lamar auf die Welt kam, baten sie mich, die Nabelschnur durchzuschneiden. Das war vor fast fünf Jahren – und seither ist Lamar mein Enkelkind.

Im Dezember rief mich F. aus Afghanistan an. F. ist geschieden und lebte mit zwei ihrer Söhne in Schwäbisch Hall. Sie wurde von ihrem Mann misshandelt. Sein Stolz ließ nicht zu, dass sie sich scheiden ließ. Der große Sohn ist volljährig und will keinen Kontakt zu seinem Vater, der kleine, damals neun Jahre alt, wollte auch keinen Kontakt. Dagegen hat der Vater geklagt. Im Dezember war Gerichtsverhandlung. Dort hat er die Frau auf Persisch bedroht, auch, dass er sie umbringen will, und dass er weiß, wo sie wohnt. Das deutsche Gericht hat das nicht mitbekommen. Vor der Gerichtsverhandlung bat F. mich, den Sohn von der Schule abzuholen, da sie Angst hatte, der Vater wolle ihn entführen. Nach der Gerichtsverhandlung war klar, dass sie nicht mehr in die Wohnung zurückkönnen. F. wollte ins Frauenhaus, aber dort war kein Platz frei. Vorübergehend wollte sie zu einer Freundin, aber das war schwierig. Ich habe ihnen mein Gästezimmer angeboten. Dort haben sie ein paar Wochen gewohnt, bis in einem Nachbarkreis ein Platz im Frauenhaus frei war. Aber der große Sohn mit 18 durfte nicht mit. Es war auch wichtig, dass er in Schwäbisch Hall blieb, weil er dort eine Ausbildung macht. So ist er noch bei mir geblieben, bis er eine andere Wohnung gefunden hatte. Weil es in Afghanistan nicht so einfach geht, bei Fremden zu wohnen (welche auch noch Christen sind) mussten wir also eine Familie sein – F. ist also meine Tochter und die beiden Söhne sind meine Enkelkinder.

Seit ich mit Persern und Arabern befreundet bin, verstehe ich besser, wie wertvoll es ist, dass Jesus uns seine Brüder und Schwestern nennt.

Du bist Mitarbeiterin beim Interkulturellen Begegnungscafé in Schwäbisch Hall, im Gemeindehaus „Glocke“. Wie kam es zu diesem Café, seit wann existiert es und wie oft ist es geöffnet?

Es heißt eigentlich nur Begegnungscafé. In der Glocke haben Frauen mit kleinen Kindern ein „Wintercafé“ gegründet. Es war ihnen wichtig, mit ihren Kindern und anderen Frauen Kaffee zu trinken. In einem richtigen Café ist es sehr anstrengend, ständig auf die Kinder aufzupassen. In der Glocke ist Platz. Eine Frau hatte ein Herz für Geflüchtete und sie hat mich mit meinen Freunden eingeladen. Die Araber mit ihren Kindern haben sich total wohlgefühlt und sind gern gekommen. Deutsche Frauen wurden etwas erschreckt. Der Frau, die fürs Wintercafé verantwortlich war, wurde die Verantwortung zu viel. Deshalb habe ich es übernommen, und die Frau ist mit ihren Kindern gerne gekommen, bis sie weggezogen ist. Das Café ist einmal im Monat geöffnet, normalerweise am ersten Montag von 15 bis 17 Uhr.

Lassen sich Leute aus den unterschiedlichen Kulturen und Religionen in die Gemeinderäumlichkeiten einladen? Oder ist das Christliche Gemeindehaus eher eine Hemmschwelle? Dabei denke ich an Menschen, die aus dem Islam kommen.

Die Gäste sind hauptsächlich Frauen. Sie haben eine große Sehnsucht sich zu treffen, Kaffee oder Tee zu trinken und vor allem zu reden. Sie sind dankbar, dass sich ein Platz gefunden hat, wo sie das können.

Aus welchen Nationen / Ländern dürft ihr Besucher begrüßen?

Unsere Gäste sind hauptsächlich aus dem arabischen oder persischen Raum. Es kommen aber auch Tamilen, manchmal auch andere Nationen und natürlich auch Deutsche.

Wieviel Gäste habt ihr im Durchschnitt und was gibt es noch außer Kaffee?

Die Anzahl ist total unterschiedlich, manchmal kommen nur fünf Personen, es können aber auch mal 20 Leute kommen. Es gibt Kaffee, Kuchen, Brezeln und was die Gäste so mitbringen.

In erster Linie soll das Café als Möglichkeit zum Kontakte knüpfen und Beziehungen bauen dienen. Außerdem können sich die Gäste durch Literatur in verschiedenen Sprachen über den christlichen Glauben informieren.

Gibt es noch weitere Veranstaltungsangebote?

Christliche Literatur gibt es nicht automatisch, nur wenn die Leute danach fragen. Gelegentlich machen wir Kochtreffs. Deutsche lernen, internationale Rezepte nachzukochen. Wenn es arabische Abende gibt, (z. B. Christ4Arabs) laden wir diese Frauen natürlich auch ein.

Gerne möchtest du auch über den Glauben ins Gespräch kommen. Wie sehen da die Möglichkeiten und deine Erfahrungen aus?

Manchmal gelingt es gar nicht, aber immer wieder ergeben sich Möglichkeiten. Muslime lieben es, über Gott zu reden. Wir beginnen dann meist mit dem was uns verbindet: Wir haben einen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat. Den Gott Abrahams, Jakobs … Aber dann kommen wir auch zu den Themen, bei denen wir nicht einer Meinung sind. An Ostern hatten wir eine Deko mit Schafen, so kamen wir auf die Bedeutung von Schafen in Bibel und im Koran zu sprechen. Wenn Frauen große Probleme haben, bitten sie uns auch, für sie zu beten.

Wie war bisher die Resonanz auf das Evangelium?

Sie sagen klar, dass sie keine Christen sind, aber sie merken, dass sie von Christen oft mehr Hilfe bekommen als von Landsleuten. Sie erzählen uns viel eher ihre Sorgen und Probleme. Bei Landsleuten schämen sie sich und haben kein Vertrauen. Wenn ich zum Essen eingeladen bin, werde ich oft gebeten, vor dem Essen zu beten. Eine Frau hat einmal gesagt, also Weihnachten und Ostern, das verstehe sie, aber wie sei das mit Karfreitag? Und dann konnte ich ihr davon erzählen.

Möchtest du uns noch an einem schönen Erlebnis von deiner interkulturellen Arbeit teilhaben lassen?

Es ist jedes Mal bereichernd, hineingenommen zu werden in die andere Kultur. Es tut so gut, über den Tellerrand zu schauen. Und wenn wegen Corona Reisen schwierig sind, dann kann man in der Nachbarschaft Syrien, Afghanistan, Iran, Irak, Sri Lanka … erleben.

Ein aktuelles Erlebnis: Eine Türkin war durch den Kulturdialog-Bus auf uns aufmerksam ge- worden. Sie war zweimal am Bus und hatte dort schon gute Gespräche und Literatur bekommen. Sie war infolge eine Corona-Infektion beatmet worden und leidet nun unter „Long Covid“. Sie ist beruflich wieder in der Eingliederung, wird aber von Kollegen gemobbt. Zudem hat sie Schlimmes mit ihrem Mann erlebt. Das sprudelte einfach so aus ihr heraus. Mir wurde es wichtig, sie mit einer Frau aus unserem Café bekannt zu machen. Es stellte sich heraus, dass beide Frauen in einem Nachbarort ganz in der Nähe wohnen. Sie wird jetzt liebevoll von dieser Frau betreut.

Könnte jede christliche Gemeinde, wenn sie wollte, ein interkulturelles Café in ihren Räumlichkeiten eröffnen? Was sollte man dabei berücksichtigen?

Ob das jede Gemeinde kann, weiß ich nicht. Man muss bedenken, dass es kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Wir haben eine Syrerin, die einlädt, manchmal auch deutsche Frauen, die sie auf dem Spielplatz trifft. Ohne sie wären oft auch keine Gäste da.

Was ist dir noch wichtig?

Wichtig ist, finde ich, dass wir nicht versuchen dürfen, andere „einzudeutschen“. Andere Kulturen ticken oft völlig anders als wir. Aber was ist richtig? Wir können von anderen Kulturen viel lernen. Wenn ich einen Ratschlag gebe, kann es sein, dass sie das Gegenteil machen. Das muss man aushalten, auch, dass einmal etwas schief geht. Es sind erwachsene Menschen.

Mit einem HERZLICHEN DANKESCHÖN für das Interview wünsche ich dir weiterhin reichen Segen für deine wertvolle und wichtige Arbeit!

Das Interview mit Ute führte
Hermann Fürstenberger
www.diakonie-persis.de

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