Berufen, eine kleine Gemeinde zu sein?!

Neun Gründe, warum gesunde Gemeinden manchmal klein bleiben

„Was machen wir nur falsch?!“

Wie viele Leiter kleiner Gemeinden quälen sich ständig mit dieser Frage?

Und es hilft auch nicht, dass immer wieder jemand eine neue Liste erstellt von Fehlern und Sünden, die wir offensichtlich begehen und die unsere Gemeinde von dem angeblich unvermeidlichen zahlenmäßigen Wachstum abhalten, das wir erleben würden, wenn wir endlich die Kurve kriegen würden.

Es ist ja nicht so, dass wir unsere Gemeinden nicht verbessern wollten. Und ganz sicher haben wir nichts gegen Wachstum. Aber die Annahme, dass wir wohl furchtbare Fehler machen, weil unsere Gemeinde klein ist, kann nach einer Weile unsere geistliche und emotionale Gesundheit beeinträchtigen.

Wenn ihr treue Leiter kleiner Gemeinden seid, habe ich eine gute Nachricht für euch. Wenn ihr solche Listen gelesen habt und euch oder eure Gemeinde darin nicht wiedererkennt, entspannt euch.

Wahrscheinlich macht ihr nichts falsch!

Okay, natürlich nicht nichts. Es gibt keine perfekten Gemeinden oder Leiter. Aber es gibt keinen Grund zur Annahme, dass eine gesunde kleine Gemeinde mehr Fehler macht als eine gesunde große Gemeinde.

Es gibt viele Gründe, warum Gemeinden klein bleiben, die nichts mit Fehlern der Gemeinde oder ihrer Leitung zu tun haben. Gott hat mit einer kleinen Gemeinde ebenso eine Absicht wie er es mit einer großen hat.

Wenn ihr faul, geistlich tot oder absichtlich ungehorsam seid, werdet ihr hier keine Rechtfertigung für ein solches Verhalten oder solch eine Einstellung finden. Klein zu sein ist niemals eine Entschuldigung dafür, sich mit weniger als Gottes Bestem zufrieden zu geben.

Das hier ist also keine Liste von Fehlern, die wir beheben müssen, oder Ausreden, um uns zu rechtfertigen. Schließlich sind kleine Gemeinden an sich weder ein Problem, noch eine Tugend, noch eine Ausrede. Sie sind einfach so.

Wenn euch Schuld in die Schuhe geschoben wird, zieht euch den Schuh nicht an

Warum also ist eure Gemeinde immer noch klein?

Zunächst einmal: Ihr seid nicht allein. Über 90% der Gemeinden in dieser Welt haben weniger als 200 Mitglieder, 80% weniger als hundert. Die Tatsache, dass eure Gemeinde klein ist, ist also kein Beweis dafür, dass ihr sündig, dumm, faul, gebetslos, unfreundlich, ungehorsam, selbstsüchtig oder in irgendeiner anderen Art unzureichend seid. Ihr seid einfach normal.

Ich weigere mich, der Vorstellung zu glauben, das bis zu 90% meiner Kollegen im Dienst Versager sind, weil ihre Gemeinden klein sind. Ich habe genug Leiter kleiner Gemeinden getroffen, um zu wissen, dass sie (egal was manche sagen mögen) zu den am härtesten arbeitenden, eifrigsten, aufopferungsvollsten, klügsten und am meisten betenden Menschen der Welt gehören.

Wenn ihr all die „Das macht ihr falsch“-Listen durchgegangen seid und euch und eure Gemeinde darin nicht wiederfindet, biete ich euch hier eine Alternative. Es ist eine unvollständige Liste von Gründen – ohne Schuldzuweisung, ohne Fehlersuche – warum eure Gemeinde zahlenmäßig vielleicht nicht wächst.

Vielleicht bleibt eure Gemeinde deshalb klein:

1. Ihr seid Hirten, keine Viehzüchter

Wir haben alle unterschiedliche Gaben. Nicht alle Leiter haben den Mix an administrativen Gaben, der erforderlich ist, um eine Gemeinde mit 400 oder 4.000 Leuten zu leiten. Eigentlich sind das nur wenige. Ich habe diese Gabenmischung auch nicht. Wenn ich mehr als ein Dutzend Stunden in der Woche mit finanziellen und administrativen Dingen verbringen muss, beginnt mein Geist zu schrumpfen. Und ein Leiter mit einem verkümmerten Geist ist kein guter Leiter, egal wie groß seine Gemeinde ist.

Wenn ihr Hirten seid, seid großartige Hirten und helft eurer kleinen Gemeinde, eine großartige Gemeinde zu sein.

2. Die Welt braucht mehr großartige, gesunde kleine Gemeinden

Wenn es keine gesunden kleinen Gemeinden gäbe, was wäre die Alternative? Schlägt jemand vor, sie alle zu schließen und nur noch Gemeinden zuzulassen, die eine bestimmte Zahl von Gottesdienstbesuchern haben? Wenn ja – wie groß sollte diese Zahl sein?

Glaubt wirklich jemand, dass Jesus eine Welt voller Kathedralen und Megakirchen im Sinn hatte, als er sagte: „Ich werde meine Gemeinde bauen“? Nein. Ich glaube, Jesus dachte an etwas ähnliches, wie wir es heute haben (natürlich ohne all die Machtkämpfe und das kleinliche Denken in Denominationen). Eine Welt, in der es Gemeinden aller Größen für alle Arten von Menschen gibt.

3. Eure Gemeinde möchte von euch geleitet werden

Die meisten gesunden großen Gemeinden geben sich große Mühe damit, gleichzeitig größer und kleiner zu werden. Das „Kleiner werden“ erreichen sie durch Arbeit in Kleingruppen. Aber viele gedeihen in ihrem geistlichen Leben besser, wenn sie auch von ihren Ältesten und nicht ausschließlich von einem Kleingruppenleiter betreut werden. Daran ist nichts Verkehrtes.

Leiter größerer Gemeinden müssen einen Großteil oder auch den gesamten persönlichen Hirtendienst an Unterhirten delegieren – und das ist auch richtig so. Aber es ist nicht für jeden das Richtige.

4. Viele nicht-kirchlich geprägte Menschen in eurer Umgebung würden nicht in eine große Gemeinde gehen

Keine Gemeinde kann allen dienen. Es gibt viele Menschen, die eine große Gemeinde mit all ihren Annehmlichkeiten bevorzugen. Aber es gibt einen großen und wachsenden Teil der Bevölkerung, der der Firmenatmosphäre misstraut, die Orte wie Einkaufszentren, Stadien, Kettenrestaurants und Megakirchen ausstrahlen.

Solche Menschen würden nicht in eine große Gemeinde gehen, egal, wie viele trendige Gottesdienste sie anbietet. Sie bevorzugen das Kleine, Persönliche, und manchmal sogar Sonderbare.

5. Eure Gemeinde könnte berufen sein, einer speziellen Gruppe der Bevölkerung zu dienen

Es gibt Biker-Gemeinden, Cowboy-Gemeinden, Selbsthilfegruppen-Gemeinden, messianische Gemeinden usw.

Die Menschen, die diese Gemeinden erreichen sollen, sind ein so kleiner Teil der Bevölkerung, dass die Gemeinden wahrscheinlich nie besonders groß werden. Aber die Menschen, die sie erreichen, würden vielleicht nie in eine andere Gemeinde gehen als in eine, die auf ihre besonderen Bedürfnisse und Stärken zugeschnitten ist.

6. Demographische Merkmale der Umgebung

Nicht jede Umgebung eignet sich für große Gemeinden.

Zum Beispiel gibt es auf der ganzen Welt kleinere Städte, in denen die Bevölkerungszahl kein Wachstum über eine bestimmte Größe hinaus zulässt. In manchen Gegenden schrumpft die Bevölkerung. Manche Gemeinden dienen einer eher älteren Bevölkerungsgruppe, während andere einer sehr wechselhaften und unbeständigen Studentenschaft dienen. Ja, in vielen Gegenden gibt es große oder sehr große Gemeinden, aber die kleineren überwiegen.

Wenn man sich ansieht, wo große oder Mega-Gemeinden vorherrschen, stellt man fest, dass sie in bestimmten Gegenden und sozialen Umfeldern florieren (z.B. in neuen oder wachsenden Vorstädten), während sie anderswo (in etablierten Zentren oder ländlichen Gebieten) selten sind.

7. Kulturelle Gegebenheiten

Ich habe Freunde, die als Pastoren in Japan tätig waren. Sie erzählten mir von einer groß angelegten Aktion einer wohlmeinenden amerikanischen Denomination, auf einem Hügel am Rand einer japanischen Stadt ein großes Kirchengebäude zu bauen.

Das große, schöne Kirchengebäude steht seit seiner Fertigstellung leer. Warum? Es passt nicht zur japanischen Kultur.

Wenn ein Japaner ein Nachfolger Jesu wird, wird das manchmal als Schande für seine Familie und Freunde angesehen. In ein großes Kirchengebäude zu gehen, verschlimmert die Sache, weil es als großtuerischer Angriff auf die Feinheiten ihrer Kultur empfunden wird.

Japanische Christen müssen ihren Glauben einfach und bescheiden zum Ausdruck bringen, damit er respektiert und als glaubwürdig angesehen wird.

In vielen Kulturen in der ganzen Welt ist Größe mit ähnlichen Problemen verbunden. Wir müssen diese Gegebenheiten anerkennen.

Kleine Gemeinden dagegen funktionieren überall.

8. Manche Gemeinden sind sendende Gemeinden

Gemeinden dürfen sich nicht als Eimer verstehen, in dem Gottes Segen gesammelt wird, sondern als Kanal, durch den Segen weiter fließt.

Viele Gemeinden erleben, dass das nicht nur für Finanzen und materielle Güter gilt, sondern auch im Blick auf Menschen. Ihre Berufung ist es, ein Kanal zu sein, der Menschen aufnimmt, ausbildet, und dann aussendet.

9. Möglicherweise hat Gott einen Plan für eure Gemeinde, der nur erfüllt werden kann, wenn sie gesund und klein ist

Ach ja, diese Sache mit dem Willen Gottes… den vergessen wir manchmal über dem Schmieden unserer eigenen Pläne, nicht wahr?

Gott beruft uns dazu, treu und fruchtbar zu sein. Aber fruchtbar bedeutet nicht immer größer.

Letztlich geht es nicht darum, ob das, was wir tun, unsere örtliche Gemeinde wachsen lässt, sondern ob es Christi Gemeinde wachsen lässt – selbst wenn das zahlenmäßige Wachstum anderswo stattfindet.

 

(Anmerkung der Redaktion: „klein“ ist offensichtlich relativ und in diesem Artikel vor dem Hintergrund oft bewunderter, richtig großer Gemeinden formuliert. Aber wir fanden die Gedanken auch ermutigend für so manche „richtig kleine“ Gemeinde in unseren Netzwerken.)

 

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