Wie kann die Benennung von Ältesten konkret ablaufen?

 

Es ist so, dass wir zu vielen Fragen um den Ältestendienst klare Anweisungen in der Schrift finden, aber keine Vorgaben, nicht mal ein detailliert geschildertes Beispiel, wie eine Einsetzung konkret gehandhabt wurde. Das kann man durchaus als Absicht verstehen. Wenn es aber ein klar beschriebenes Ziel gibt – nämlich die Anwesenheit von Ältesten, der Weg im Detail aber nicht beschrieben ist, dann gibt es Gestaltungsfreiheit bzw. Gestaltungsverantwortung.

Nun könnte ich mit einem kleinen Text deine Frage unmittelbar beantworten. Das hat aber nicht viel Sinn, wenn ich nicht auch einige Positionen beschreibe, die irgendwie rings um die Frage der Ältestenbenennung gesetzt sein müssen. Deshalb wird der Text etwas länger.

1. Vorbemerkungen zum Rahmenverständnis

Ältestenbenennung kontra Berufung durch den Heiligen Geist?

Zunächst noch ein paar Worte zur Einsetzung durch den Heiligen Geist: Gelegentlich wird das so verstanden, als hätten Menschen keine Funktion, wenn der Heilige Geist handelt. Das ist m.E. für das Wirken des Heiligen Geistes eher untypisch. In aller Regel handelt er, bindet sich aber an Menschen, durch die er wirkt. Deshalb ist eine Berufung durch Menschen kein Widerspruch zu einer Einsetzung durch den Heiligen Geist, genau so wie es kein Widerspruch ist, dass ein Mensch mit Hingabe das Evangelium erklärt und genau bei dieser Gelegenheit der Heilige Geist von Sünde überführt. Wir wissen von Paulus, dass er selbst die Einsetzung von Ältesten aktiv betrieben (Apg.14,23) oder angeordnet hat, dass andere es tun (Titus 1). Die so eingesetzten Männer kann er aber als „vom Heiligen Geist eingesetzt“ ansprechen, wie er es zum Beispiel gegenüber den Ältesten von Ephesus tut (Apg.20,28). Dass der Heilige Geist beruft, bedeutet also nicht, dass Menschen passiv sein müssen.

Ist das eine Wahl?

„Wahl“ ist ein belasteter Begriff. Was wir in der Politik als „Wahlkultur“ oder besser Unkultur beobachten, wollen wir auf keinen Fall in der Gemeinde haben. Deshalb ist eine gewisse Abneigung verständlich und es macht durchaus Sinn, den Begriff „Ältestenwahl“ zu meiden und stattdessen von „Ältestenerkennung“ oder „Ältestenberufung“ sprechen.

Was uns dennoch mit einer Wahl verbindet: Wir müssen aus einer größeren Zahl von Männern eine kleinere Zahl herausfiltern. Das geschieht bei jeder weltlichen Wahl und auch bei einer Ältestenbenennung. Daran ändert sich nichts, ganz gleich, ob wir den Begriff „Wahl“ ängstlich meiden oder auch nicht. Das sollten wir auch so ähnlich kommunizieren und nicht fromm verschleiern.

Was uns wiederum von einer profanen Wahl unterscheidet: Politiker versprechen das Paradies, wenn sie denn erst einmal gewählt sind. Älteste dagegen versprechen gar nichts. Sie werden nicht wegen irgendwelcher Zukunftspläne gewählt. Was sie für dieses Amt qualifiziert, ist zuerst die Vergangenheit, also das, was sie bisher getan haben (1Thess.5,12). Aus diesem Grund sind irgendwelche Vorwahlstatements möglicher Ältester überflüssig und sogar unangebracht.

Frieden in der Gemeinde

Die Berufung von Ältesten braucht „ruhiges Fahrwasser“. Angespannte Gemeindesituationen oder gar ernsthafte Krisen sind keine guten Voraussetzungen für eine Ältestenbenennung. Auch jede Art von (Kampf) Abstimmung mit knappen Mehrheiten ist eine äußerst problematische Hypothek für die Männer, die berufen werden sollen. Dann ist es besser, wenn irgend möglich mit einem vertrauten Leitungsstil auf ruhigere Zeiten zu warten.

Älteste – und eine zweite Verantwortungsebene?

Es gibt eine Reihe von Gemeinden, in denen sich folgende Entwicklung abgespielt hat: Es gab bis zur Berufung von Ältesten eine „Brüderstunde“, einen Leitungskreis oder wie immer der Name war. Üblicherweise bestand nicht die Absicht, den bisherigen Leitungskreis aufzulösen, aber alle wesentlichen Leitungsfunktionen wanderten aus dem Leitungskreis heraus zu den Ältesten. Und nach und nach haben sich die ehemaligen Kreise wegen Funktions- oder Bedeutungslosigkeit aufgelöst – mit der Folge, dass auf den wenigen Ältesten eine enorme Arbeitslast lag. Deshalb sollten Älteste darauf achten, dass sie in der Wahrnehmung nicht zu weit aus einer zweiten Arbeitsebene herausragen. In einer Gemeindegröße von 100 Geschwistern und mehr ist diese zweite Ebene unverzichtbar. Wie man sie auch nennen und wie die Beziehung im Detail geregelt sein mag: Älteste müssen diesen Kreis pflegen, ihm echte Verantwortung anvertrauen und ein Bewusstsein seiner Bedeutung vermitteln, wenn sie nicht eines Tages mit einem zu großen Rucksack durch das Gemeindealltag hecheln wollen.

2. Wie berufen wir Älteste? (Die Frage nach dem Modus)

Nun zu der eigentlichen Frage, nach welchem Modus Älteste benannt werden. Wir gehen die Frage so an, dass wir zunächst ausschließen, welche Varianten nicht in Frage kommen:

Keine Vorauswahl

Wenig glücklich sind Prozesse, bei denen ein sehr kleiner Kreis mit einer ziemlich fertigen Idee kommt: „Wir haben uns schon mal Gedanken gemacht…“ Es ist nicht ausgeschlossen, dass in diesem Kreis gute Gedanken gedacht worden sind. Es wirkt aber völlig intransparent und riecht ein wenig nach Helmut Kohls Ofenbankpolitik, die einer Atmosphäre der Klarheit und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen nicht dient.

Keine Auswahl per Akklamation

Meiden muss man auch Entscheidung auf Zuruf vor einer größeren Zahl von Beobachtern, wie etwa: „Wilfried, kannst du dir vorstellen, Ältester zu werden?“. Vielleicht ist Wilfried bereit, aber was ist, wenn Wilfried wirklich nicht der geeignete Mann ist? Man kann den Namen kaum zurückholen. Das geht nur, wenn man vor allen anderen die Gründe nennt, die gegen Wilfried sprechen. Damit ist Wilfried aber nicht einfach wieder aus dem Verfahren, sondern er ist für lange Zeit „verbrannt“.

Keine Selbstberufung

Es geht auch nicht, dass man auf jede Form der aktiven Ältestenfindung verzichtet und wartet, dass sich die melden, die sich „vom Heiligen Geist berufen“ wissen. Das klingt frommer und biblischer, als es ist. Es kann sein, dass sich geeignete Leute melden; damit öffnet man aber das Spielfeld für Leute, die nicht vom Heiligen Geist, sondern von zu viel Selbstbewusstsein oder Geltungsbedürfnis getrieben sind. Nach der Schrift werden Älteste eingesetzt; sie berufen sich nicht selbst. Gut geeignete, demütige Leute würden sich auf diese Weise nie anbieten.

Stattdessen: Breite Unterstützung suchen

Es ist angebracht, die Gemeinde nicht prinzipiell von der Meinungsbildung oder wenigstens der Bestätigung ausschließen. 1Tim. 3,10 lässt durchaus vermuten, dass die Gemeinde an einer Befürwortung geeigneter Leute beteiligt ist.

 

Damit ist das Feld der verbleibenden Varianten übersichtlich. Im Grunde genommen muss man zwei Entscheidungen treffen:

  1. Welcher Personenkreis soll die Ältesten erkennen?
  2. Wie gehen wir „handwerklich“ vor?

Zu 1.: Welcher Personenkreis soll die Ältesten erkennen?

In einer Gemeindegründungssituation wird das üblicherweise durch die Gründer geschehen, oft mit Unterstützung sachkundiger Personen von außen. Das ist durchweg die Situation, die wir im Neuen Testament antreffen (das ist auch ein Grund, warum wir im NT nicht die Prozesse beobachten können, nach denen etablierte Gemeinden heute fragen).

Stabile Gemeinden sind bei der Erkennung von Ältesten nicht auf externe Unterstützung angewiesen. Sie haben im Normalfall alles, was sie dafür brauchen: Die biblischen Kriterien für Älteste und genug Zeit, die in Frage kommenden Männer zu beobachten und sich ein Urteil zu bilden. Manchmal erbitten Gemeinden externe Unterstützung, wenn das Leitungsmodell „umgebaut“ wird und es darum geht, die Geschwister auf diesem Weg möglichst geschlossen mitzunehmen oder sonstige Hindernisse abzubauen sind. Das ist durchaus in Ordnung. Aber auch in diesem Fall ist der Externe nur ein Begleiter des Prozesses, nicht der Entscheider.

Welcher Personenkreis trifft die Entscheidung? Da kann man verschieden große Kreise ziehen. Wir beginnen klein: Es könnte der Leitungs- oder Mitarbeiterkreis sein, der eine Wahl trifft; man kann auch so eine Regelung finden: Es sind alle entscheidungsberechtigt, die länger als 5 Jahre zur Gemeinde gehören (um eine möglichst „gereifte“ Entscheidung zu sichern). Der größte Kreis wären dann alle, die verbindlich zur Gemeinde gehören. Für den Fall, dass nicht die ganze Gemeinde an der aktiven Wahl beteiligt ist, sollte es eine Möglichkeit geben, das Ergebnis mit einem gewissen Gewicht zu kommentieren.

Zu 2. Wie kann die eigentliche Wahl ablaufen?

Anonym und schriftlich.

Eine Möglichkeit wäre: Alle Geschwister bekommen ein Blatt, auf dem sie bis zu vier (oder wieviel auch immer) Namen eintragen können. Ein fester Zeitraum wird benannt (ein Monat), dann sollten die Antworten im verschlossenen Umschlag an einem bekannten Ort sein.

Dabei ist es ratsam, allen Beteiligten gewisse Erwartungen mitzuteilen. Das kann z.B. auch auf dem Blatt notiert sein: In Ruhe überlegen, beten, keine kirchenpolitischen Spiele treiben (alle Verwandten von xxx sprechen sich ab, um „ihren Mann“ durchzubekommen). Die Altersgrenze von … Jahren beachten (in vielen Gremien beginnt bei 70 der „Ausstieg“). – Hier kann sehr intensiv die völlig andere Art von „Wahl“ herausgestellt werden! Anders wird sie vor allem auch, wenn Geschwister anders denken und anders wählen als alle Welt.

Mit den ausgefüllten Blättern muss sehr sorgsam umgegangen werden. Sie sollten nicht von einer einzelnen Person gesichtet werden, und nicht von Leuten, die eventuell für den Ältestendienst in Frage kommen. Sollte ein externer Begleiter beteiligt sein, dann wird er einer der Auswerter sein.

Wenn ich in so einem Prozess beteiligt bin, ist es mir lieb, wenn man sich im Vorfeld nicht zu stark auf eine bestimmte Zahl von Ältesten festlegt. Ich höre in dieser Frage lieber auf das Ergebnis der Befragung. Wenn sich die absolute Mehrzahl aller abgegebenen Empfehlungen auf drei Namen konzentriert, ist es naheliegend, drei Älteste zu berufen. Wenn fünf Männer mit einer ähnlich hohen Stimmenzahl erkennbar sind, dann eben fünf. – Man muss natürlich vorher klären, ob man diesem Weg folgt.

Wir halten es in der Regel so, dass die berufenen Ältesten ihre konkrete Stimmenzahl nicht erfahren. Das bleibt das Geheimnis der Auswerter. Man kann gut gewisse Proportionen nennen, um die Klarheit der Entscheidung zu belegen: „Von den insgesamt vorgeschlagen 178 Namen entfallen 115 auf drei Brüder, auf weitere 9 Brüder verteilen sich die restlichen Stimmen“. Aber mehr muss nicht gesagt werden. Es tut nicht jedem gut, wenn er weiß, dass er der 1., 2., 3. oder Letzte ist. Die Auswerter heben die Unterlagen für eine Zeit auf, für den Fall, dass es doch irgendwann Rückfragen gibt.

Da man nicht einfach voraussetzen kann, dass die erkannten Personen die Aufgabe annehmen, sind sie die ersten, die das Ergebnis hören. Es ist ratsam, ihnen auch Zeit zum Nachdenken und zum Gespräch mit ihren Ehefrauen zu geben, denn ohne die Unterstützung seiner Frau ist niemand lange Ältester.

In der Praxis sind natürlich noch viele weitere Einzelfragen des Ablaufes zu abzusprechen. Sie müssen hier nicht behandelt werden, da anzunehmen ist, dass Leiter mit einer gewissen Führungserfahrung die Details gut im Blick haben.

3. Berufung auf Zeit – oder auf Lebenszeit?

„Wie kriegt man einen Ältesten wieder los, der sich nicht bewährt?“ Das ist die Frage, die ein starkes Motiv für eine begrenzte Berufungszeit ist. Ist eine „Wahlperiode“ richtig? Ist eine versetzte zeitliche Begrenzung richtig? Die Antworten auf diese Frage sind genauso uneinheitlich wie die Praxis. Wenn man fragt, was biblisch ist, dann findet man keinen Hinweis auf eine Befristung – höchstens eine obere Altersgrenze, die man als Empfehlung aus dem Alten Testament gewinnen kann. Wem diese Herleitung zu lang ist, dem hilft in dieser Frage auch die Vernunft weiter.

Ist eine zeitlich unbefristete Wahl nicht zu risikoreich? – Eigentlich nicht, denn es gibt immer zwei denkbare Ausstiegsvarianten:

  1. Der persönliche Rückzug – aus welchen Gründen auch immer.
  2. Die Schrift sagt zwar, dass gegen einen Ältesten keine Klagen angenommen werden sollen – außer, wenn die gleiche Klage durch mehrere Zeugen geäußert wird. Das bedeutet, dass ein Ältester geschützt ist und nicht wegen irgendeiner Einzelmeinung demontiert werden darf. Es bedeutet aber auch, dass wiederholte Klagen verschiedener Geschwister gegen einen Ältesten dafür sorgen können, dass er seine Aufgabe niederlegt bzw. niederlegen muss.

Bei diesem Verständnis haben künftige Ältestenbenennungen mehr den Charakter der Ergänzung.

Anmerkungen zum Schluss

Diese Ausführungen erheben nicht den Anspruch, dass es „nur so“ gehen kann. Sie sind ein Versuch, die guten biblischen Eckpunkte in gemeindetaugliche Abläufe zu bringen.

Dabei spielt auch die Absicht eine Rolle, aus schwierigen oder misslungenen Ältestenbenennungen der letzten 25 Jahre zu lernen, so dass nicht jede Gemeinde selbst die Schmerzen von Versuch und Irrtum erfahren muss.

Andreas Ebert

 

 

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