Wie bekommen wir in der Gemeinde Frieden über einer schwierigen Frage?

„Seit langem gibt es in einer bestimmten Frage unterschiedliche Meinungen in unserer Gemeinde. Das stiftet immer wieder Ärger und Unfrieden. Wie bekommen wir die Geschwister da zusammen?“

Selten lässt sich ein langwieriges Problem einfach lösen. Zunächst mal sollten wir unterscheiden zwischen grundlegenden, wichtigen und nebensächlichen Fragen.
– Bei letzteren darf jeder seine Überzeugung haben – und zwar, ohne die Geistlichkeit der anderen daran zu messen oder darüber Parteiungen in der Gemeinde anzurichten. Das sollte auch klar und konkret öffentlich gelehrt werden – manche Geschwister erklären sonst in persönlichen Gesprächen Nebensächliches zu Wichtigem und verursachen große Schwierigkeiten.
– An grundlegenden Fragen wird sich die Zugehörigkeit zur Gemeinde entscheiden. Darüber kann es ein, zwei Gespräche geben, aber die sind nicht verhandelbar.
– Das wirklich schwierige sind die wichtigen Fragen, zu denen nicht alle Geschwister eine klare Antwort in der Schrift erkennen können, in denen man als Ortsgemeinde aber dennoch eine Linie braucht.

Einige Schritte können helfen, dem Frieden näher zu kommen (ergänzende Gedanken nimmt die Redaktion gerne entgegen!):

  1. Ehrliches Gebet persönlich und miteinander. Wie oft hat Gott gerade unter Gebet Herzen erweckt, Verständnis geschenkt oder nächste Schritte gezeigt!
  2. Untersuchen, was die Schrift tatsächlich dazu sagt. Erst einmal alles an Bibelpassagen sammeln, die etwas mit dem Thema zutun haben könnten. Dann unvoreingenommen im jeweiligen Zusammenhang (des Textes, der Heilsgeschichte etc.) die Bedeutung herausarbeiten, ohne sofort die möglichen Auswirkungen in der Anwendung heute zu berücksichtigen. Nicht erlauben, dass die Auslegungsergebnisse bereits nach „das geht heute und das geht nicht“ gefiltert werden – Gottes Wort soll unsere Praxis bestimmen, nicht umgekehrt!
  3. Die Geschwister mit einbeziehen. Ruhig gemeinsam mit allen Interessierten dieses Studium durchführen. Die letztendliche Entscheidung darüber, wie eine Sache in der Gemeinde gelehrt und gelebt werden soll, müssen immer noch die Ältesten/Leiter treffe. Aber es ist hilfreich, wenn solche, die ein Anliegen für das Thema haben, vorher Gelegenheit hatten, ihre Fragen und Sichtweisen beim Bibelstudium mit denen anderer Geschwister zu vergleichen. Mancher wird da zu der Überzeugung finden, die hinterher auch öffentlich gelehrt wird. Und wer immer noch anderer Meinung ist, weiß dann wenigstens um die gute Motivation und das offene Nachdenken, die in diesen Prozess geflossen sind. Das hat Manchem geholfen, mit unterschiedlichen Meinungen leben zu lernen, ohne ständig zu kritisieren oder gar eine eigene Fraktion zu gründen.
  4. Im Licht der Ergebnisse dieses Bibelstudiums die verschiedenen Meinungen und heutigen Denkrichtungen offen anschauen. Was ist wirklich biblisch begründet, was entspricht wenigstens geistlichen Prinzipien, was sind nachdenkenswerte Erfahrungen und was scheint lediglich „bei uns so üblich“ zu sein? Was von dem, was wir von anderen Gemeinden oder aus der Literatur dazu mitbekommen, könnte uns helfen – und was nicht? Oft genug gibt es in einer Gemeinde Vertreter des „Clubs der Unzufriedenen“, der „Schwachen im Glauben“, der „Progressiven“, „der Bremser“ und mancher anderer Prägungen. Wir sollten allen zuhören und versuchen, ihre Gedanken und Motive zu verstehen. Aber die Entscheidungen dürfen nicht sie bestimmen, sondern „die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen“ (1Thes 5,12-13).
  5. Nachvollziehbar und von der Schrift her öffentlich lehren. Wir sollten deutlich sagen, was die Schrift deutlich lehrt – und da Respekt vor anderen Meinungen zeigen, wo die Schrift sich nicht festlegt. Damit helfen wir den vielen Geschwistern, die sich nicht persönlich mit einem Thema auseinandergesetzt haben und sonst ggf. die diversen Meinungen, die herumgeistern, nicht beurteilen könnten (Eph 4,14).
  6. Häufig sind theologische Fragen vorgeschoben – die wirklichen Probleme sitzen auf der Beziehungsebene. In dem Fall macht es Sinn, zunächst dort anzusetzen.

Wenn alles oben Genannte vor Gott und miteinander geschehen ist und es dennoch weiterhin unterschiedliche Erkenntnisse gibt, wird der Friede in der Gemeinde von zwei Umständen abhängen:

Erstens ob und inwiefern die Geschwister „ihrer Berufung würdig wandeln … mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander in Liebe ertragend“ und sie so „die Einheit des Geistes bewahren durch das Band des Friedens“ (Eph 4,1-3). Solche werden ihren Gaben entsprechend „zur Einheit des Glaubens“ beitragen (Eph 4,12-16).

Und zweitens wird es entscheidend sein, ob es in der Gemeinde eine allgemein anerkannte Leiterschaft gibt, denen die Geschwister auch in schwierigen Zeiten die Entscheidungskompetenz über „zweifelhafte Fragen“ (Röm 14,1) zugestehen. Wo die Leitungsfrage nur unausgesprochen „klar“ ist, da stellt sich bei schwierigen Fragen neben der Sach- auch ziemlich schnell die Personalfrage – und dann wird es sehr knifflig …

Marco Vedder

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