Was wir vom Scheitern einer Gemeindegründungsarbeit lernen können

Die Geschichte

Vor ein paar Jahren ergab sich für unsere Gemeinde eine unerwartete Möglichkeit. Wir hatten bereits mit dem Gedanken einer weiteren Gemeindegründung gespielt, und jetzt bot sich hierfür eine gute Gelegenheit. Die Frage, ob wir sie wahrnehmen sollten, stellten wir uns kaum. Schnell begannen die Planungen. Einige Brüder nahmen die Sache als Leiter in die Hand und suchten sich Geschwister aus verschiedenen Hauskreisen als Team zusammen. Es ging in eine schwierige Gegend; wir erwarteten wenig Offenheit für das Evangelium und starke Anfechtungen.

Unsere Ziele sahen in etwa so aus: Als Gemeindesicht war ganz klar im Blick, dass wir enge Gemeinschaft und eine Art Familiencharakter anstreben wollten, es sollte Vertrauen untereinander entstehen. Jedes Mitglied sollte wenn möglich auch ein Mitarbeiter sein. Jeder Einzelne sollte seine Gottesbeziehung pflegen und sich auf dieser Grundlage einbringen. Ganz besonders war unser Ziel als Gemeinde, die Evangelisation in unserem neuen Umfeld auf verschiedenen Wegen voranzutreiben. Auch die Bedeutung des Gebets wurde stark betont. Da wir genug Geschwister waren, wollten wir als eigenständige Gemeinde starten mit allem was dazu gehört, ob nun geistlich oder finanziell. Dabei wurden ähnliche Strukturen wie in der alten Gemeinde beibehalten. Die Leiter sollten nach einigen Jahren durch Älteste abgelöst werden.

Nach einem begeisterten Start folgten unerwartete Probleme – und nach langem Hin und Her hat sich die Gemeinde mittlerweile aufgelöst. Im Rückblick konnten wir etliche lehrreiche Lektionen erkennen und hoffen, dass der Herr diese Erfahrungen benutzt, um anderen Geschwistern ähnliche schmerzhafte Erlebnisse zu ersparen. Darum will ich jetzt kurz den Ablauf dieser Zeit skizzieren und dann auf die Hauptfehler, wie wir sie erkannt haben, eingehen.

Zu Beginn stellte sich die Frage, wer zu diesem Projekt mitkommen würde. Durch eine andere erfolgreiche Gemeindegründung waren wir sehr optimistisch. Es wurde ein großer Teil der Gemeinde angefragt, der größte Teil nach Wohnort und einige weitere. Bei manchen, die mitwollten, war man sich nicht sicher, ob sie diesen Herausforderungen gewachsen wären, aber wenn sie trotz persönlicher Gespräche mit den angehenden Leitern weiterhin wollten, wurde es ihnen nicht verwehrt. Weiterhin kamen nach Gesprächen einige mit, die frisch hergezogen waren. Auch nach der Gründung veränderte sich das Team hin und wieder etwas.

Voller Optimismus zogen wir los – doch schon früh lief Einiges nicht ganz so wie erhofft. Der Gemeindebesuch vieler Geschwister war bald recht unregelmäßig. Die Geschwister, die sich an den evangelistischen Aktionen beteiligten, bildeten auch eine überschaubare Gruppe. Damals dachte man, es müsse sich einspielen, es würde halt etwas langsamer vorangehen. Immer wieder versuchte man, sich neu zu motivieren, doch die Sache kam nicht recht in Fahrt. Nach einigen Monaten war man kaum zusammengewachsen. Durch das bunt gemischte Team waren erst einige wenige gute Freundschaften zu Beginn vorhanden. Viele Geschwister hatten nicht genug Zeit, um regelmäßig zu den Gemeindestunden zu kommen oder sich zusätzlich noch zu treffen. Auch die Zeiten, die man zusammen hatte, brachten wenige Freundschaften hervor.

Diese Stagnation wurde dann auch thematisiert und man fragte sich, was wohl die Gründe wären – es war anfangs schwer zu durchschauen. Einige Geschwister erzählten nun von gewissen geistlichen Nöten. Manche äußerten Unzufriedenheit mit verschiedenen Dingen in der Gemeinde. Einige wollten das Pensum der Gemeindeaktivitäten deutlich herunterschrauben, was nicht getan wurde. Aber man überdachte die Struktur der Gemeindestunden, gab sich Mühe das Gespräch in den Bibelstunden zu intensivieren, die Predigtthemen passten sich an. Die meisten Brüder waren ohnehin für so eine Situation noch recht unerfahren im Predigen. Oft kamen Geschwister gar nicht zu den Stunden, sondern suchten neue Erkenntnisse in Büchern von allen möglichen Autoren. Oft war nur die halbe Gemeinde zur Bibelstunde da. Der Dienstplan, sowohl praktische als auch Wortdienste, war schwer vollzubekommen, obwohl die Aufgabenzahl in Relation zu den Gemeindemitgliedern überschaubar war.

Die Stimmung wurde bei vielen immer schlechter. Die Hälfte der Brüder war mit ihrem Beruf stark ausgelastet, es gab einige junge Familien, die viel Zeit für sich brauchten. Aus der Not heraus versuchten einige ledige Schwestern, die Sache in die Hand zu nehmen und oft und ausführlich die Situation zu erörtern, bis alles völlig verwirrt war. Dann kam auch noch heraus, dass es seit Beginn starke Konflikte innerhalb der Leitung gegeben hatte. Das Ganze endete mit großer Erschöpfung. Wir entschlossen uns nach einer Bedenkzeit, die Gemeinde aufzulösen. Einige wenige Geschwister besuchen heute keine Gemeinde mehr. Manche haben sich etwas anderen Gemeindeformen zugewandt. Der Großteil hat sich wohl mittlerweile glücklicherweise wieder mehr oder weniger erholt.

Im Rückblick: Gründe für das Scheitern

1. Mangelnde Vorbereitung und ungünstige Teamzusammenstellung

Es hätte deutlich gründlicher geschehen müssen. Wir hatten kaum den Herrn gefragt, ob es sein Wille ist, dass wir losziehen und wie er es sich vorstellt – es schien uns einfach als offene Tür. Die erwarteten Herausforderungen und Anfechtungen und die geplante Marschroute wurden zwar angesagt und auch persönlich mit einigen Geschwistern durchgesprochen, aber etliche schätzten die Situation wohl trotzdem falsch ein und niemandem wurde das Mitkommen verweigert. So gab es dann eine Reihe Geschwister in der Gemeinde, die zeitlich und kräftemäßig die nötigen Kapazitäten für eine Gründungsphase nicht mitbrachten. Manche hatten sich wohl auch überschätzt. Manche waren auch nicht bereit, so viel Zeit zu investieren, sondern verbrachten sie mit anderen Dingen. Hierdurch wuchs das Team kaum zusammen.

Was sich auch überraschend zeigte, war, dass manche Geschwister andere Ansichten bzgl. Fragen des Gemeindelebens vertraten, ohne dies vorher deutlich geäußert zu haben. Sie suchten Antworten für ihr geistliches Leben z.B. in der Psychologie oder bei populären Autoren – meist aus Amerika –, deren Ansichten bei uns als unbiblisch und humanistisch, zum Teil sogar mystisch abgelehnt wurden. Etliche Geschwister, oft gerade diese, hatten gewisse geistliche Nöte mitgebracht. Einige gingen mit der Zeit zu einem ausgebildeten Seelsorger. Manche Geschwister arbeiteten nicht viel mit oder forderten andere, erfüllendere oder ihnen besser passende Aufgaben von der Gemeinde gegeben zu bekommen – und das schon in der Gründungszeit, wo sich alles erst einspielen musste! Gerade Geschwister, die in der Muttergemeinde kaum integriert oder keine regelmäßigen Mitarbeiter waren, hätte man nicht so ohne weiteres mitnehmen dürfen, da dort häufig die genannten Situationen vorlagen. Geschwister, die von außerhalb dazu stießen oder noch nicht lange in der Muttergemeinde waren, hätte man erst besser kennen lernen müssen. Instabile Geschwister hätte man auch nicht solchen Anfechtungen aussetzen dürfen. Doch gerade aus diesen Gruppen setzte sich ein großer Teil der Gemeinde zusammen. Zwar stimmten wir alle mit der evangelistischen Zielrichtung überein, aber scheinbar war es für etliche die größere Motivation, eine Gemeinde zu haben, die mehr nach ihren Vorstellungen abläuft. Vielleicht wäre es gut gewesen, jeden zu fragen, welche Punkte er gerne anders sehen würde als in der alten Gemeinde, um zu sehen, mit wem man zusammen arbeiten kann. Ohne gemeinsames Ziehen in die gleiche Richtung wird man nicht zusammengeschweißt. Der eine war auf Missionsteam (und Entbehrungen) eingestellt, der andere auf eine beschauliche Gruppe, in der man sich viel umeinander kümmert.

In der Gemeinde ist es eine wichtige Aufgabe, sich um die Schwachen zu kümmern – aber in einer Gemeindegründung hat man kaum Kraft dafür, vor allem nicht für so viele. Um diese Geschwister müssen sich vor allem „laufende“ Gemeinden kümmern. Besonders schädlich war, dass Geschwister dabei waren, die – wie sie offen sagten – sehr unzufrieden waren mit ihrem Leben. Diese Unzufriedenheit einiger weniger führte zu übermäßigem Kritisieren und wurde so auf andere übertragen. Das wiederum wirkte sich katastrophal auf die Stimmung in der Gemeinde aus und erschwerte dadurch die Möglichkeit zum Entwickeln der fehlenden Einheit. Durch solch eine Stimmung werden normale menschliche Probleme in der Gemeinde schnell sehr dramatisch dargestellt.

2. Spannungen zwischen den Leitern

Diese bremsten die Leitung sehr stark aus. Man war sich einig über die Ziele – aber nicht über die Art und Weise, wie man diese Ziele erreichen wollte. Einer der Leiter wollte stark verlangsamen, ein anderer wie anfangs geplant vorwärts gehen, einer vergriff sich häufig im Ton, einer konnte viel weniger Zeit als nötig aufbringen und sich kaum mit den Geschwistern treffen. Die Leitung selbst bildete kein homogenes Team. Von diesen Spannungen wussten die meisten über den größten Teil der Zeit fast nichts. Es ist enorm wichtig, dass die Leitung – inklusive ihrer Frauen – vorher schon eine Freundschaft und auch geistliche Beziehung pflegt und genügend Zeit hat! Dadurch, dass die Leitung so sehr mit sich selbst beschäftigt war, blieb vor allem die inhaltliche Führung auf der Strecke, während die organisatorische noch einigermaßen bewältigt wurde. Es wäre sehr wichtig gewesen, dass die Leitung bei hartnäckigen Konflikten zwischen ihnen einen erfahrenen Bruder von außerhalb aufgesucht hätte.

Nicht alle Personen der Leitung hatten sich bereits in Leitungsaufgaben gut bewährt, so dass absehbar gewesen wäre, dass sie dieser Herausforderung gerecht werden könnten. Ein Gemeindeleiter trägt eine hohe Verantwortung für das geistliche Leben einer Reihe von Kindern Gottes! Die Gemeindeleitung war mehr auf die Organisation eines Missionsteams eingestellt als auf die Versorgung zahlreicher geistlicher Nöte.

3. Weitere Gründe

Das Verständnis von Leitung und gemeinsamem Handeln war im Vorfeld kaum kommuniziert worden. Sie wurden zwar nicht an sich in Frage gestellt, aber es mangelte an einer gemeinsamen Linie hinter ihrer Leitung innerhalb der Geschwister. Als sich z.B. die Leitung – unter Zustimmung der Mehrheit – für eine gemeinsame Gemeindeaktion entschied, unternahmen einige Geschwister, die lieber etwas anderes machen wollten, gleichzeitig eine andere.

Zu Beginn wären Themenbibelstunden zu Gemeindefragen sehr hilfreich gewesen, um die Gemeinde auf einen Kurs einzustimmen und zu zeigen was Gottes Wort uns vorgibt und wo es nicht um den Geschmack der Leiter geht. Das Verständnis der Gemeindelehre unter den Geschwistern wurde überschätzt. Es fehlte das gemeinsame Suchen nach Gottes Willen, die Frage war bei vielen zu häufig, was funktioniert und was gefällt. Ganz praktisch muss Gottes Wort die Richtschnur sein, nicht zuerst unsere Einschätzungen, Vorlieben, die Psychologie oder unsere Erfahrungen. Die Leitung oder andere Brüder müssen in der Lage sein, die Gemeindeausrichtung biblisch zu begründen, damit man diese nicht bei den ersten Problemen über Bord wirft, sondern unterscheidet, wo Gottes Wort klare Vorgaben macht und wo man flexibel sein kann, um damit auch das Vertrauen der Geschwister zu gewinnen.

Was man auch schnell vergisst: Eine Leitung muss zwar Kritik vertragen können, aber Ermutigung, praktische Unterstützung (Kinder hüten…) und Gebet sind auch wichtig! Damit waren wir viel zu sparsam.

Außerdem gab es einen Mangel an Männern – die relativ unerfahrenen Brüder in ihrer deutlichen Unterzahl konnten die geistliche Versorgung für die Schwestern und das Vorangehen kaum gewährleisten.

Wir waren ein relativ junges, unerfahrenes Team. Das kann zwar an sich trotzdem funktionieren, aber vor allem für die jungen Schwestern wären ein bis zwei ältere Frauen eine große Stütze gewesen. Junge Ehepaare dagegen sollten sich gut überlegen, ob sie diese Belastung auf sich nehmen wollen.

Da einige der älteren Brüder viel zu tun hatten, verbrachten sie wenig Zeit mit den ledigen Geschwistern. Hierdurch hatten manche keine ausreichende Anlaufstation und fühlten sich etwas führerlos. Dieser Punkt war auch ein Hindernis dafür, dass sich Vertrauen entwickeln konnte.

Vielmehr hätte klargestellt werden müssen: In einer Gemeindegründung müssen die aktuellen und mittelfristigen Notwendigkeiten und die Liebe zueinander bestimmen, wo wir uns einbringen, nicht meine Wunschdienste und meine Erfüllung darin. Das bedeutet auch viele kleine Dienste. Wer im Kleinen treu ist, den wird Gott dann auch über Größeres setzen. Man befindet sich in einem Kampf und der Feind wird angreifen. In der ersten Zeit – eventuell mehrere Jahre – wird einiges an Investition und Verzicht nötig sein. Wenn man zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, wenig hineingibt, aber viel von der Gemeinde erwartet, wird man enttäuscht werden. Wenn jeder gibt, wird man mit der Zeit beschenkt werden. Eigene Probleme im persönlichen Glaubensleben, die die meisten Geschwister in der Gemeinde nicht haben, dürfen nicht vorschnell als „Gemeindeprobleme“ auf die Gruppe projiziert werden.

Sehr hilfreich gewesen wäre auch, wenn das gemeinsame Treffen der Brüder, die Wortdienste machen, viel häufiger stattgefunden hätte. Dann hätte der kleine Kreis der Brüder die Leitung besser stützen können.

Ein gelegentliches Treffen, wo jedes Gemeindeglied sich vor allen äußern konnte, führte gelegentlich zu unsachlichen, emotionalen Diskussionen. Stattdessen sollte die Leitung für jedes ernsthafte Problem ein Ansprechpartner sein. Die Schwestern müssen sich entscheiden, sich der Leitung der Brüder anzuvertrauen, auch wenn sie manches zeitweise nicht gleich sehen, und mit Fragen zur Leitung zu gehen, statt gegen sie zu reden. Die Brüder müssen alles geben, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Sie müssen initiativ vorangehen und die Schwestern geistlich versorgen. Das hat bei uns von beiden Seiten her nicht funktioniert. Wenn jemand beginnt mit Unzufriedenheit hintenherum massiv schlechte Stimmung zu verbreiten, statt sie offen an der richtigen Stelle anzusprechen, muss man einschreiten.

Fazit

Zusammenfassend können wir es wie folgt auf den Punkt bringen: Es ist unverzichtbar, in der Leitung und im ganzen Team Einheit zu haben. Man sollte abwägen, wie weit diese Einheit schon vor dem Start vorhanden sein muss, und auch danach muss sie gepflegt werden und wachsen.

Auch wenn es viel Investition und Zeit fordert – dadurch entsteht erst ein Haus, das den Stürmen trotzen kann, welche unvermeidlich kommen werden. So große Probleme unsere gefallene menschliche Natur auch damit hat, und umso mehr es uns der Zeitgeist des Individualismus, der Unverbindlichkeit und Selbstverwirklichung noch erschwert, wollen wir dennoch darauf achthaben und den Herrn um Hilfe anflehen. So kann sich unser Gott auf wunderbare Weise verherrlichen. Er wird einen Haufen von Sündern mit verschiedensten Persönlichkeiten zu einer Gemeinschaft zusammenfügen, in der aufrichtige Liebe gelebt wird

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