Warum Gastfreundschaft eigentlich einfach, aber heute doch so schwierig ist

Die Bruderliebe bleibe! Die Gastfreundschaft vergesst nicht! Denn dadurch haben einige, ohne es zu wissen, Engel beherbergt.“
Hebräer 13,1

Manchmal wissen wir nicht, warum irgendetwas nicht mehr so gut läuft wie gewohnt. Plötzlich warum haben sich Einstellungen, Bedingungen und Umstände geändert, alles läuft auf einmal anders und wir werden von dieser Entwicklung wie von einer starken Strömung in einem Gewässer mitgezogen und irgendwo hingespült, wohin wir eigentlich gar nicht wollten. Wie findet man dann zurück? Ist das überhaupt möglich?

So ist es offenbar auch mit der Gastfreundschaft, die das Neue Testament als Kennzeichen der Christen und der Gemeinde ausmacht und uns anbefiehlt. Sie war ein selbstverständliches Element damaliger Kultur und hing somit an zweierlei „Haken“, der christlichen Nächstenliebe – und eben der Kultur, in der diese Sitte fest eingebettet war. In vielen Völkern hat sie sich bis heute erhalten. In unserer westlichen Kultur ist es eher umgekehrt, kulturell ist Gastfreundschaft eher auf dem Rückzug und mit der Nächstenliebe steht es manchmal auch nicht zum Besten. Wie kommt das?

  1. Die zunehmende Individualisierung in unserer Gesellschaft. Viele gehen lieber ihren eigenen Interessen nach mit dem Trend des Verzichts auf Gemeinschaft.
  2. Die Kommunikation mit anderen ist durch technische Mittel revolutioniert, sie ist auf Effektivität, Schnelligkeit und Verfügbarkeit geeicht. Da scheint ein aufwendiges Vorbereiten und Gestalten eines Austauschs in Verbindung mit physischer Anwesenheit weniger Sinn zu machen. Man sucht Kontakt, wenn es gerade passt, und entwickelt Rituale des Austauschs, bei denen ein tieferes Verstehen und Sich-Mitteilen gar nicht mehr vorgesehen ist.
  3. Das heute allen eingeräumte persönliche Recht auf Freizeit und Vergnügen verdrängt den Blick für die Bedürfnisse anderer, sofern sie nicht zumindest den eigenen Interessen entsprechen bzw. diesen zuzuordnen sind.
  4. Das eigene Zuhause ist oft nicht mehr der Ort, wo man vorzugsweise den Anspruch von Erlebnis und Unterhaltung bedienen will – einmal abgesehen von der medialen Beschäftigung mit sich selbst oder einer virtuellen Ersatzwelt. Die Angebote der Gesellschaft für Freizeit und Unterhaltung sind gewaltig, leicht erreichbar und finanziell meist erschwinglich. Das gemeinsame Gespräch über geistliche Themen und persönliche Anliegen fördern sie nicht gerade. Der Ablenkungsfaktor ist oft recht hoch.
  5. Die Konsumhaltung, bei der man nur nehmen will, ohne etwas zu geben, setzt sich immer mehr durch. Wäre es förderlich, darauf mit immer mehr und noch besseren Angeboten zu reagieren, ohne sich bewusst zu sein, dass diese Spirale nicht endlos weitergehen kann?
  6. Überlastung (Burnout). Mit der Konsumhaltung einher geht die fortschreitende Erschöpfung derer, die noch bereit sind, sich einzusetzen. Immer mehr lastet auf immer weniger Schultern. Und auch der „hochgezogene“ Lebensstil fordert seinen Tribut. Der Zweitjob bindet Kräfte und raubt den Nerv, noch weitere Belastungen auf sich zu nehmen.
  7. Ein Sich-Ausklinken aus dem gemeinsamen Lastentragen im Hinblick auf Einsatz und Mitarbeit ist vielfach die Folge.

Auch als Christen geraten wir hier unter Druck. Es wird nicht leichter, an den biblischen Prinzipien festzuhalten und sie umzusetzen.

„Die Bruderliebe bleibe! Die Gastfreundschaft vergesst nicht! Denn dadurch haben einige, ohne es zu wissen, Engel beherbergt. Gedenkt der Gefangenen als Mitgefangene; derer, die geplagt werden, als solche, die auch selbst im Leib sind! … Der Wandel sei ohne Geldliebe; begnügt euch mit dem, was vorhanden ist!“ (Hebr 13,1-3).

Haben wir die Maßstäbe für unseren Lebensstil richtig gesetzt? Falls nicht (oder nicht mehr): Das persönliche Eintreten für die Glaubensgeschwister und Menschen ohne Glaubensbeziehung im Gebet vor dem Herrn kann wieder mehr den Blick öffnen für ihre Nöte und Bedürfnisse. Und die Gemeinschaft mit dem Herrn würde wohl die Liebe zu anderen wachsen lassen und uns schon bald zu den entsprechenden Taten bewegen. Der Segen für uns selbst bleibt dann nicht aus.

Halten wir an dem von der Schrift empfohlenen Lebensstil fest? Oder wagen wir dieses „Experiment“ vielleicht erstmalig? Es ist jedenfalls besser, in seinem Tun und Lassen auf Gottes Verheißungen zu bauen, als sich von den Trends der Gesellschaft und Zeit mitreißen zu lassen.

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