Spannungen einer lebendigen Jugendarbeit in einer traditionellen Gemeinde (Von Pizzaduft und Zeitgeist-Keulen)

Pizzaduft liegt in der Luft, auf dem Tisch brennt eine Kerze: Herzlich willkommen im „Bistro Jugendstunde“!

Nein, hier geht es nicht um einen Gemütlichkeitsabend der Jugendlichen, sondern um eine gute Tradition in unserer Gemeinde: Drei Brüder des Ältestenkreises treffen sich mit den Leitern der Jugend, um die anstehenden Fragen durchzusprechen. Und eine entspannte Atmosphäre hilft viel, bei heißen Themen einen kühlen Kopf zu bewahren. Dass uns als Jugendmitarbeitern dieses Treffen viel bedeutet, soll man schon am äußeren Rahmen merken. Liebe geht bekanntlich auch durch den Magen.

Unsere Situation: Eine lebendige, dynamische Jugendarbeit trifft auf die etablierten Prägungen einer 80-jährigen Gemeinde. Da sind doch Spannungen vorprogrammiert, oder? Die Spannung zwischen Neues wagen, Aufbruch und Altes, Bewährtes festhalten. Tatsächlich! An heißen Eisen fehlt es nicht. Thema heute: Wie Jugendliche unsere Gemeinde erleben. Über eine Umfrage haben wir im Vorfeld versucht herauszufinden, was die Jugendlichen an unserer Gemeinde schätzen und wo Spannungsfelder liegen. Und nun möchten wir mit den Ältesten gemeinsam überlegen, wie wir am besten auf diese Fragen reagieren können.

Spannungsfelder gibt es genug …

  • Da geht es um die Frage, warum unsere Stunden so schrecklich unpersönlich, kalt und routiniert ablaufen müssen. Ein Jugendlicher sagte mir: »Man merkt erst, was für warmherzige und fröhliche Menschen in der Gemeinde sind, wenn man zwei Stunden abgesessen hat. Dann fangen sie wieder an Mensch zu sein.«
  • Da geht es um das alte Thema Musik: Wie laut darf die Band an den Offenen Abenden spielen und warum nicht auch mal im Gottesdienst? Und wenn Musik die ›Sprache des Herzens‹ ist, warum singen wir dann Lieder, mit denen nur die über 50jährigen ihre Empfindungen Gott gegenüber ausdrücken können?
  • Da geht es um eine neue Hauskreisarbeit, die unsere bestehende Struktur der Bibelstunde hinterfragt.

Dort, wo Gott unterschiedliche Menschen zusammenstellt – ob alt oder jung, praktisch oder akademisch – entstehen Reibungspunkte: Lernfelder für beide Seiten. Ich bin sehr dankbar, dass die Bibel diesen Punkt auch nicht verheimlicht. Offen und ehrlich berichtet beispielsweise Lukas über die Spannungen in der erst wenige Wochen alten Urgemeinde (Apostelgeschichte 6). Mir stellt sich nur die Frage: Haben wir es in unseren Gemeinden gelernt, so weise mit diesen Reibungspunkten umzugehen wie Petrus & Co? Erfreulich oft habe ich erlebt, wie neue Ideen und Vorschläge dankbar aufgenommen wurden. Leider sind mir in manchen Situationen auch Reaktionen begegnet, die mich traurig und manchmal mutlos gemacht haben.

… Hindernisse auch

Was hindert uns, die Spannung zwischen alten und neuen Ideen positiv zu nutzen?

Die Versuchung ist groß, manchem heißen Eisen aus dem Weg zu gehen. Man vermeidet ein Gegeneinander, schafft es aber auch nicht, zu einem Miteinander zu kommen. Was übrig bleibt ist ein Nebeneinander. Böse Zungen nennen das dann: Schlaftabletten verteilen nach beiden Seiten. »Stört uns nicht, dann stören wir euch nicht.« Die Folge sind gegenseitige Entfremdung und Parallelstrukturen. Oft erlebe ich solche Situationen in Bezug auf die Jugendarbeit.

Im Jugendbereich wird viel Freiheit für neue Ideen gewährt, aber es gibt nur wenig Bereitschaft, neue Ideen in die Gemeindestunden einzubringen. Langsam aber sicher entwickeln sich die Generationen auseinander und irgendwann entsteht eine ›Gemeinde in der Gemeinde‹. Totgeschwiegene Konflikte, unter dem Mantel der Liebe begraben, bilden ein ungesundes Spannungspotenzial.

Aus dem aufrichtigen Wunsch heraus, dem Herrn treu zu sein, entwickelt sich mancherorts eine geradezu lähmende Angst vor Fehlern. »Wenn wir so wenig wie möglich ändern, können wir auch kaum etwas falsch machen.« Manche haben Angst, die alten Grundsätze zu verraten. Aus dieser Angst heraus fragt man nicht mehr: »Was sagt die Bibel?«, sondern »Was sagen die anderen Gemeinden? Was sagt Bruder XY dazu?« Wir sollten bedenken: Wenn wir alles genauso machen, wie die Väter es taten, tun wir eben genau das nicht, was die Väter taten. Nur wenn wir uns verändern, bleiben wir so, wie wir sind. An manchen Stellen wird mit dem Stempel ›Zeitgeist‹ sehr leichtfertig umgegangen. Wie leicht kann man mit der Zeitgeist-Keule sein Gegenüber schachmatt setzen.

Leider haben wir kaum gelernt, zwischen den unverrückbaren ewigen Prinzipien Gottes und zeitgemäß veränderbaren Methoden zu unterscheiden.

Wehe uns, wenn wir Gottes grundlegende Prinzipien nach unseren menschlichen Ideen umbiegen möchten. Aber auch wehe uns, wenn wir durch unsere altbackenen, denkfaulen Methoden Menschen daran hindern, zu Gott zu kommen.

Diese Spannungen erfordern viel Weisheit. Manch einem geht es zwischen den Fronten der neuen und alten Ideen wie Noah: Wenn draußen nicht die Flut wäre, könnte man den Gestank in der Arche nicht aushalten.

Hilfestellungen zu einem echten, zielgerichteten Miteinander

1. Reden, reden, reden

Bemüht euch, den persönlichen Kontakt so intensiv wie möglich zu gestalten. Redet miteinander, aber nicht indem ihr euch Forderungen an den Kopf werft. Tauscht euch vielmehr darüber aus, wie ihr bestimmte Situationen empfindet. Für die Älteren ist es sehr wichtig zu hören, wie manches in unseren Gemeinden auf die Generation unter 40 oder sogar unter 20 wirkt. Wie schön ist es, wenn man gemeinsam über Ziele nachdenkt und merkt: Beide Seiten haben im Grunde das gleiche Ziel und das gleiche Anliegen. Nur die Wege und Methoden, um diese Ziele zu erreichen, unterscheiden sich. Lasst beispielsweise eure Kritiker so viel wie möglich Anteil an euren Jugendveranstaltungen nehmen. Ladet sie ein, um sich selber ein Bild zu machen. Lasst sie einfach mal bei einem Worship-Abend dabei sein. Werbt um das Vertrauen, indem ihr sie nah an euch herankommen lasst.

2. Das Mokassin-Prinzip

Ein indianisches Sprichwort lautet: »Ich möchte meinen Bruder nicht richten oder negativ beurteilen, bevor ich nicht drei Tage in seinen Mokassins gelaufen bin.« Was hat meinen Bruder geprägt? Wovor hat er Angst? Was ist ihm ein wichtiges, geistliches Anliegen? Du musst den Bruder, der andere Schwerpunkte setzt, verstehen und Interesse für sein Leben zeigen. Und vielleicht wirst du erstaunt merken, dass auch er beginnt, dich mit anderen Augen zu sehen.

3. Buße und Vergebung

Ist es nicht so, dass Gruppen und Gemeinden genauso zu Gott hin wachsen wie auch einzelne Personen? Über Zerbruch, Buße und Umkehr, Schuldbekenntnis und Annahme von Vergebung. Wo das nicht passiert, gibt es kein Wachstum – auf keiner Ebene. Könnte es sein, dass wir manchmal so wenig Wachstum erleben, weil wir zur Buße einfach zu stolz sind? Wann hat ein Bruder einen anderen um Vergebung gebeten wegen seiner Hartherzigkeit, Rechthaberei oder Arroganz? Wann hat sich ein jüngerer Bruder schon mal für sein liebloses Reden über andere entschuldigt? »Bekennt einander eure Sünden!« Wo das nicht passiert, gibt es kein geistliches Wachstum.

4. Umarmt die älteren Leiter

Zeigt eure Liebe und Wertschätzung den älteren Leitern gegenüber auch ruhig mal mit einer herzlichen Umarmung. Viele von ihnen tragen treu und schwer an der Bürde, das ›Erbe‹ der Gemeinde zu bewahren. Und nun gilt es, dieses Gut in andere Hände abzugeben: in eine ungewisse Zukunft. Das fällt manchmal nicht leicht. Deswegen liebt, respektiert und ermutigt die älteren Leiter. Drückt eure Wertschätzung aus. Das tut beiden Seiten gut (1. Thessalonicher 5,12+13).

Die Verheißung

Ich puste die Kerzen aus und packe die Pizzareste ein. Es ist mal wieder spät geworden. Lohnen sich Zeit und Kraft?

Da fällt mir der letzte Satz aus dem Alten Testament ein und wird zu meinem Gebet:

»Und er wird das Herz der Väter zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu den Vätern umkehren lassen.« (Maleachi 3,24)

Ja, Herr, danach sehne ich mich!

(Zuerst veröffentlicht Oktober 2016)

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