Risiken und Nebenwirkungen – ist das Prinzip „Vergebung“ wirklich alltagstauglich?

„Vergeben ist keine einmalige Sache, Vergebung ist ein Lebensstil.“
(Martin Luther King)

Schuld bekennen ohne „wenn“ und „aber“

Wer Schuld zugibt, zeigt Schwäche; er hat einen Fehler gemacht! Wer Schuld zugibt, macht sich verletzlich; er ist auf die Vergebungsbereitschaft des Anderen angewiesen! Er steht in Gefahr, ausgelacht, verhöhnt, verachtet oder bestraft zu werden. In unserer Gesellschaft, besonders in der Politik, werden sofort „Konsequenzen“ gefordert, z. B. dass jemand von seinem Amt oder Posten zurücktritt. Und oft sind es keine hehren Ziele, die damit verfolgt werden, sondern man will nur den „Gegner“ schwächen oder zumindest seinen Ruf in der Öffentlichkeit schädigen. Interessant ist, dass solche Verfehlungen und Skandale besonders häufig direkt vor Wahlen „entdeckt“ werden! Die logische Konsequenz daraus ist, Schuld zu leugnen bis zum Schluss und nur zuzugeben, was einem unumstößlich nachgewiesen werden konnte.

Irgendwie kommt das auch unserem natürlichen Empfinden sehr entgegen. Wir wollen nicht schuldig sein und sind es doch!

Auch in der Bibel finden wir diesen problematischen Umgang mit Schuld. Adam macht seine ihm von Gott geschenkte Frau Eva und letztlich Gott zumindest mitverantwortlich für seinen Unglauben und seinen Ungehorsam (1. Mose 3,11-12). Kain versucht, den Mord an seinem Bruder Abel zu vertuschen, indem er Abel vergräbt (1. Mose 4,8-10). David versucht, seinen Ehebruch mit Bathseba zu verschleiern, indem er deren Mann, Uria, zu ihr nach Hause schickt. Als ihm das nicht gelingt, lässt er ihn umbringen, um dann Bathseba als Witwe „eines im Kampf gefallenen Soldaten“ zu sich nehmen zu können (2. Samuel 11; Psalm 32,3-4). Herodias bringt ihren Mahner, Johannes den Täufer, zum Schweigen, indem sie ihn köpfen lässt (Markus 6,16-28).

Aber Gott lässt das nicht durchgehen. Er sprach die Schuld bei Adam und bei Eva an; er sprach sie bei Kain und auch bei David an. Gott muss Schuld ansprechen, damit sie bekannt und vergeben werden kann, auch weil es seinem heiligen Wesen entspricht. Dazu hat er uns Menschen in seiner Liebe das Gewissen auf unseren Weg aus dem Paradies mitgegeben. Nicht umsonst war der Baum der Erkenntnis im Paradies gleichzeitig auch der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Sollte sich der Mensch von Gott lossagen, so wollte er ihm zumindest einen Gradmesser für Gut und Böse mitgeben. Wir sollten unser Gewissen als ein Geschenk Gottes wahrnehmen und seine „Ausschläge“ empfindsam annehmen und entsprechend handeln.

Oft wollen wir unser Fehlverhalten erklären. „Ich war gestresst“, „der und der hatte mich durch sein Verhalten aufgeregt“, „dein Verhalten mir gegenüber war auch nicht ganz in Ordnung“, … usw. Das ist dann keine saubere Bitte um Vergebung! Wo wir schuldig geworden sind, wollen wir um Vergebung bitten ohne „wenn“ und „aber“. Wir müssen unsere Schuld eingestehen und sie ohne Entschuldigung, ohne Verschleierung, ohne Verharmlosung und ohne Schönreden bekennen. Dann kann auch vollständige und befreiende Vergebung geschehen!

Für den Anderen um den Segen Gottes beten

Ohne Vergebung gibt es für uns „gefallene Menschen“ keine Gemeinschaft – weder mit Gott noch untereinander. Deshalb lässt uns Gott auch nicht aus unserer Pflicht, uns gegenseitig zu vergeben.

Als Petrus Jesus fragte, wie oft er seinem Bruder, der gegen ihn sündigt, vergeben muss, gab ihm der Herr Jesus zur Antwort: Immer, völlig, wie Gott (vgl. Matthäus 18,21-22). Im „Vaterunser“ formuliert unser Herr Jesus die Bitte um Vergebung wie folgt: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Und er fügt direkt im Anschluss folgende Begründung bei: „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben“ (Matthäus 6,12.14 u. 15). Den hoch verschuldeten Knecht in Matthäus 18,23-35 entlässt unser Herr nicht aus seiner Pflicht, seinem Mitknecht zu vergeben: „Da rief ihn sein Herr herbei und spricht zu ihm: Böser Knecht! Jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest. Solltest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmt haben, wie auch ich mich deiner erbarmt habe? Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Folterknechten, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war. So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt“ (V. 32-35).

Wenn wir unseren Mitmenschen nicht von Herzen vergeben, dann beschädigt das unsere Beziehung zu unserem Retter, Jesus Christus, und zu unserem liebenden Vater im Himmel!

Das Alternativprogramm bietet uns unser Herr Jesus Christus an: „Richtet nicht, und ihr werdet nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, und ihr werdet nicht verurteilt werden. Sprecht frei, und ihr werdet freigesprochen werden. Lasst los und ihr werdet losgelassen werden“ (Lukas 6,37). Wie befreiend ist es, wenn wir den Anderen „loslassen“ können, indem wir ihm von Herzen vergeben! Wir müssen vergeben, auch um unser selbst willen!

Diese Erfahrung machte schon Hiob. Seine drei Freunde hatten ihm in seiner unbeschreiblich notvollen Lage zu Unrecht alles Üble unterstellt und wurden so an ihm schuldig. Hiob bekannte zunächst vor Gott seine eigene Schuld ohne „wenn“ und „aber“:  „Darum verwerfe ich mein Geschwätz und bereue in Staub und Asche“ (Hiob 42,6). Aber Gott erwartete noch mehr von ihm. Hiob musste auch noch seinen Freunden von Herzen vergeben, bevor Gott ihn überreich segnen konnte. Das tat Gott auf eine interessante Weise: Die Freunde mussten sieben Stiere und sieben Widder nehmen und diese bei Hiob als Brandopfer opfern. Das war ein klares Bekenntnis ihrer Schuld mit der Bitte um Vergebung. Dann aber musste Hiob für sie Fürbitte tun. „Nur ihn will ich annehmen, …“. Und dann lesen wir in Vers 10: „Und der HERR wendete das Geschick Hiobs, als der für seine Freunde Fürbitte tat. Und der HERR vermehrte alles, was Hiob gehabt hatte, auf das Doppelte.“ Gott erwartet von uns, dass wir Geschwister – und auch andere Mitmenschen – freisprechen, loslassen, Gottes heilbringenden Segen für sie erbitten, damit auch er uns selbst freisprechen, loslassen und seinen heilbringenden Segen über uns ausgießen kann. Wir müssen dem Anderen von Herzen vergeben!

Unter dem heilsamen Licht unseres Gottes leben – ohne Nebenwirkungen

Johannes stellt uns in seinem ersten Brief Gott als Licht vor. Gott ist Licht und gar keine Finsternis ist in ihm (1. Johannes 1,5).

„Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, lügen wir und tun nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde. … Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit. … Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand sündigt – wir haben einen Beistand bei dem Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.“

(aus 1. Johannes 1 und 2)

Wenn wir im Licht Gottes unser Leben gestalten, aus der Vergebung leben und Vergebung gewähren, dann leben wir unter der heilbringenden Gnade Gottes (Titus 2,11)! Alles andere hat nicht nur Risiken, sondern totsicher auch Nebenwirkungen! Deshalb setze dich dem heilsamen Licht unseres guten Retter-Gottes aus, nur das hat keine Nebenwirkungen!

 

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