Pioniere auf dem Vormarsch können sich leicht verlaufen!

Als ich anfing, mich dem Thema „Folgen der Digitalisierung“ zu nähern, stieß ich auf den Namen Edward Louis Bernays (1891–1995). Er war Professor für Sozialpsychologie. In den 1930er-Jahren befasste er sich mit der Frage, wie man große Mengen von Menschen so beeinflussen kann, dass sie das tun, was man ihnen zu tun aufgibt. Eine seiner Thesen war, dass man die Menschen auch durch noch so logische Beweisführungen nicht umfassend lenken kann. Deshalb solle man aufhören, sie rational überzeugen zu wollen. Entscheidend sei, dass sie psychisch überwältigt werden, sodass sie gar nicht anders können, als zu tun, was sie sollen.

Bernays hat seine Erkenntnisse in einem Buch veröffentlicht, das ursprünglich das Wort „Propaganda“ im Titel führte. Später hat er den Titel geändert. Jedenfalls engagierte ihn damals die amerikanische Tabakindustrie, um den Frauen das Rauchen beizubringen. Am Ende einer großen, nach Bernays Prinzipien entworfenen und durchgeführten Werbekampagne waren 40 % der US-Frauen Raucherinnen geworden. Bernays organisierte ferner erfolgreich die Wahlkampagne für den späteren Präsidenten Coolidge. Der war bis dahin eigentlich ein „Nobody“ auf dem politischen Parkett.

Das waren die ersten Erfolge der Technik, die man heute unter der Bezeichnung „Public Relations“ (PR) kennt und der man heute allseits begegnet. Man wagt kaum über die Folgen nachzudenken, die die massenpsychologischen Unternehmungen in unserer Zeit haben können.

Personen mit Einblick in die sich anbahnenden Vorgänge haben verhältnismäßig früh auf die damit verbundenen Gefahren hingewiesen. Einer von ihnen war George Orwell (1903–1950). In seinem lesenswerten Buch „1984“ beschreibt er eine Weltdiktatur, die über die (damals noch bescheidenen) Medien alle (!) Staatsangehörigen kontrolliert. George Orwell zeichnet mit analytischer Schärfe das Schreckensbild eines totalitären Überwachungsstaates nach dem Muster der damaligen Sowjetunion.

Rundfunk, Fernsehen und satellitengestützte Weltkommunikation schufen nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage für alles das, was wir heute etwas unpräzise als Digitalisierung bezeichnen und was im „Smartphone“ seinen sinnfälligsten Ausdruck findet.

Doch nicht von den Geräten gehen die eigentlichen Gefahren für die Menschheit aus. Die Gefahren gehen von den Menschen aus, die diese Geräte verwenden. Dabei wollen wir nicht übersehen, dass in den Mitteln, die sich der Mensch im Laufe der Geschichte verschafft hat, eigentlich immer die Tendenz liegt, sie in alle Richtungen hin anzuwenden, den Hammer also nicht nur zum Steineklopfen zu verwenden, sondern auch als wirksame Waffe gegen den Feind; die Kernspaltung nicht nur zur Energiegewinnung, sondern auch für die Atombombe …

Diese dämonische Tendenz fast aller Mittel, die sich der Mensch im Laufe seiner Geschichte angeeignet hat, wird in der gegenwärtigen Digitalisierung wieder einmal besonders deutlich. Wir sind ja alle gewohnt, dass wir bei neuen Entwicklungen in unserer technisch-wissenschaftlichen Welt fragen: Wozu ist das gut, oder: Was müssen wir befürchten?

Man kann den Eindruck haben, dass die Menschen von heute durch die „magischen“ Möglichkeiten des Smartphones geradezu bestochen worden sind. Es sieht aus, als seien sie bereit, alles hinzunehmen, was das Gerät ihnen bietet, und auf alles einzugehen, wozu es seine Besitzer anregt. Mit Ehrfurcht wird davon geredet, dass ein „Shitstorm“ 60000 „Follower“ habe und deshalb Beachtung verdiene. Dabei wird oft nicht erkannt, dass das Gerät aus sich selbst heraus nichts tut, sondern dass es von Menschen und Menschengruppen benutzt wird, um rund um den Erdball Menschen zu erreichen, damit sie etwas kaufen, etwas tun, etwas denken, etwas fühlen, ihre Einstellung überarbeiten und was sonst noch alles. Und kein Trick ist zu schlecht, um nicht Anwendung zu finden für oder gegen etwas.

Und das ist in dieser Weise neu. Es ist möglich, dass ein Mensch aus dem hintersten Winkel der Erde eine Bewegung in Gang setzt, um eine Regierung zu stürzen, eine Panik auszulösen, allgemeine Denk- und Sprachregelungen verbindlich zu machen, natürlich zum Kauf irgendeiner Sache zu animieren oder deren Verkauf zu boykottieren.
Alles wird möglich, denn nun können die Massen effektiv erreicht werden und sie können auch kontrolliert werden, weil alle Teilnehmer „im Netz“ ihre Spuren hinterlassen, die dem, der das Netz kontrolliert, zur Verfügung stehen und sich für dessen Interessen verwenden lassen.

Schon bei der Bezahlung mit der Bankcard hinterlassen wir elektronische Spuren, wie viel mehr noch bei unserem Aufenthalt im Netz. Und sollte dem, der mit seinen im Vergleich zu heute beschränkten Mitteln 40 % der amerikanischen Frauen das Rauchen beigebracht hat, nicht imstande sein, unsere Gewohnheiten, Denkweisen, unsere Überzeugungen so zu beeinflussen, dass wir lernen, „ihm“, dem Fürsten der Finsternis, zu dienen und seine Knechte zu werden?

Für Christen ist jedenfalls zu beachten:

„Seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung [eures] Sinnes, dass ihr prüfen möget, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist“ (Römer 12,2). Und: „Lasst euch nicht fortreißen durch verschiedenartige und fremde Lehren! Denn es ist gut, dass das Herz durch Gnade gefestigt wird …“ (Hebräer 13,9). „Ihr aber, Geliebte, da ihr dies im Voraus wisst, so hütet euch, dass ihr nicht durch die Verführung der Frevler mit fortgerissen werdet und euren eigenen festen Stand verliert!“ (2. Petrus 17).

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