Offene Mauern?

Leben in der Freiheit der Selbstbeherrschung (1)

Die Sprüche lehren uns: „Eine aufgebrochene Stadt ohne Mauer, so ist ein Mann ohne Selbstbeherrschung“ (Spr 25,28). Selbstbeherrschung ist die Schutzmauer im Leben eines Gläubigen, die ihn oder sie vor einem zerstörten, schutzlosen Leben bewahrt und die Kraft des Evangeliums in seinem Leben zu Ehren bringt.

In seinem Buch „Geistliche Krisen und Depressionen“ schreibt Martyn Lloyd-Jones: „Ich fordere euch heraus, ob ihr über das Leben irgendeines Heiligen in der Geschichte der Gemeinde Gottes lesen könnt, ohne sofort zu sehen, dass das größte Merkmal im Leben dieses Heiligen Disziplin und Ordnung war. Das ist unweigerlich das Merkmal, das auf alle herausragenden Männer und Frauen Gottes zutrifft … Offensichtlich ist es etwas, das durch und durch biblisch und absolut wesentlich ist.“

Selbstbeherrschung ist die Beherrschung der eigenen Impulse, Gefühle und Begierden. Im Brief an Titus schreibt Paulus, dass junge Frauen selbstbeherrscht sein sollen. Aber nicht nur Frauen – auch Ältesten (Tit 1,8), älteren Männern (Tit 2,2) und allen Erretteten (Tit 2,12) wird Selbstbeherrschung geboten. Es gibt viele Hinweise in der Schrift, die auf die Bedeutung der Selbstbeherrschung hinweisen. Sie ist ein übergeordneter Charakterzug für das Leben als Christ.

Die Tragödie des unkontrollierten Lebens

In Titus heißt es konkret, dass die Frauen selbstbeherrscht leben sollen, „damit das Wort Gottes nicht verlästert wird“ (Tit 2,5). Selbstbeherrschung bedeutet, sich selbst unter Kontrolle zu haben. Ohne sie ist eine Frau eine leichte Beute für jedes Laster und jede Versuchung. Die tragische Folge eines unkontrollierten Lebens ist, dass ihr Zeugnis vor ihrer Familie, ihren Freunden und ihrem Umfeld, das sie beobachtet, angegriffen und kritisiert wird.

Die Welt interessiert sich weniger für das, was die Bibel zu sagen hat, als für das Verhalten derer, die ihr folgen wollen. In dieser Zeit, in der jeder Laune und jedem Impuls nachgegeben wird, ist es umso nötiger, dass wir als christliche Frauen umso entschlossener unsere eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Begierden verleugnen.

Die Quelle der Selbstbeherrschung

Vor allem aber sollten wir uns daran erinnern, dass Selbstbeherrschung eine Frucht des Heiligen Geistes ist, der uns bei unserer Errettung geschenkt wurde (Gal 5,23). Gott rettet uns nicht, um dann Forderungen an uns zu stellen, die wir nicht erfüllen können. In seiner Gnade lässt er den Heiligen Geist in uns wohnen. Indem wir uns Gott hingeben und im Gehorsam dem Wort gegenüber leben, bringen wir Frucht hervor. Das wird uns allmählich in das Bild seines Sohnes verwandeln.

Hört ihr das? Das Ziel des Heiligen Geistes ist es, uns unserem Erlöser ähnlich zu machen. Wenn wir unseren Begierden erlauben zu herrschen, statt uns der Herrschaft des Geistes zu unterstellen, kann es grenzenlose Zerstörung verursachen. Aber wer „auf den Geist gerichtet“ ist, wird Leben und Frieden haben (Röm 8,6). Dieser Frieden kommt von einem Geist, der sich nach der Art und Weise unseres Herrn sehnt. Das macht es viel einfacher, „nein“ zu uns selbst zu sagen. Wir beginnen also mit einem Leben, das sich dem Wirken des Heiligen Geistes beugen muss, der im Innersten unseres Wesens Selbstbeherrschung bewirkt.

Dem Geist folgen

„Wenn wir durch den Geist leben, so lasst uns dem Geist folgen!“
(Galater 5,25)

Wir beugen uns dem Wirken des Heiligen Geistes in unserem Leben, indem wir ihm zuhören und dem gehorchen, was er uns lehrt. Sein Ziel ist es, uns zu unserem Gott zu ziehen und unseren Verstand und unser Herz nach seinem Willen und Wirken in unserem Leben umzugestalten (Röm 12,1.2). Als Christen streben wir nicht nach Selbstbeherrschung, um Vorstandsvorsitzender eines großen Unternehmens zu werden (obwohl das ein Ergebnis sein kann). Stattdessen wollen wir, dass unser Leben von einer Gesinnung der Selbstbeherrschung geprägt ist, die für alle, die mit uns in Berührung kommen, einen schönen Duft verströmt.

Wie reagieren wir, wenn Situationen, die wir nicht kontrollieren können, unsere eigenen Interessen und Wünsche herausfordern? Das passiert täglich. Wie können wir „dem Geist folgen“?

Gottesfurcht trainieren

„Übe (trainiere) dich aber zur Gottesfurcht…“
(1Tim 4,7b)

So wie alle Sportler beim Training einem systematischen Plan folgen, müssen wir uns zu persönlichem geistlichem Training verpflichten. Hier sind drei Möglichkeiten dazu:

  1. Trainiere mit  Ziel
    Ich bin ein Langsreckenläufer. Wenn ich mich entschließe, ein Rennen zu laufen, investiere ich viel Zeit in einen Plan, der mir am Tag des Rennens den größtmöglichen Erfolg bescheren wird. Jede Woche überprüfe ich den Plan und hake ab, was ich gemacht habe. Bei meinem letzten Rennen wurde ich in der Nacht davor sehr krank. Als ich mich morgens aus dem Bett quälte, um mich fertig zu machen, erinnerte mein Mann mich daran, dass mein Training mich durchbringen würde. Ich erreichte das Ziel krank, aber ich erreichte es.
    Mach einen Plan und zieh ihn durch, auch wenn das Ziel dir klein erscheint oder du dich schwer tust. In allen Bereichen, in denen wir Selbstbeherrschung brauchen, kann die Antwort in der Schrift gefunden werden. Wenn du merkst, dass du Ärger schnell nachgibst, nimm dir vor, alle Verse über Ärger im Neuen Testament zu studieren. Nimm dir die Zeit, ein paar Verse auswendig zu lernen. Sinne über die Verse nach und überlege dir, wie du dich in den Bereichen schützen kannst, in denen deine Mauern bröckeln könnten. Das Wort ist „lebendig und wirksam“, also beschäftige dich mit der Schrift, und du wirst sehen, wie der Heilige Geist wirkt.
  2. Trainiere dich im Gebet
    Wir werden daran erinnert, dass die Selbstbeherrschung, die wir anstreben, eine wunderschöne Frucht des Heiligen Geistes ist. Wenn wir um Wachstum in diesem Bereich beten, beten wir nach seinem Willen und seinem Wunsch für unser Leben. In einem der besten Bücher über Selbstbeherrschung, „Spiritual Disciplines for the Christian Life“ (nicht auf Deutsch erhältlich, A.d.Ü.) schreibt Donald Whitney: Von allen geistlichen Disziplinen steht das Gebet nach der Aufnahme von Gottes Wort an zweiter Stelle“. Sich zum Gebet um Wachstum in Selbstbeherrschung zu verpflichten, geht Hand in Hand mit der Selbstverpflichtung zur Disziplin im Lesen der Schrift. Wir können darauf vertrauen, dass Gott uns erhört.
  3. Trainiere mit anderen
    Eine der besten Entscheidungen, die ich in meinem geistlichen Leben getroffen habe, ist es, schwierige Dinge mit anderen zusammen zu tun. Im Sommer vor meinem Abitur haben meine jüngere Schwester und ich uns vorgenommen, in einem Jahr die ganze Bibel durchzulesen. An vielen Tagen haben wir gemeinsam gelesen. Wir haben das Ziel gemeinsam erreicht!
    Offen und verletztlich in den Lebensbereichen zu sein, die nicht schön (oder sogar sündig) sind, ist viel schwieriger. Aber uns einem Freund oder unserem Ehepartner gegenüber verantwortlich zu machen hilft uns, in unseren Taten und Versprechen treu zu bleiben. Suche dir jemand, dem du wirklich vertraust und der ehrlich mit dir sein wird!

Gekreuzigte Leidenschaften

Letztlich müssen wir uns an unseren Erlöser erinnern, der die äußerste Selbstbeherrschung vorlebte, als er ans Kreuz ging.

Als die Soldaten kamen, um Jesus im Garten Gethsemane zu verhaften, zog Petrus impulsiv sein Schwert und schnitt dem Diener des Hohenpriesters ein Ohr ab. Selbst dem besten Jünger wäre es völlig gegen die Natur gegangen, so zu antworten wie Jesus: „Meinst du nicht, dass ich meinen Vater um Hilfe bitten könnte und er mir sofort mehr als zwölf Legionen Engel stellen würde?“ (Mt 26,53). Stattdessen übte Jesus Selbstdisziplin und folgte dem Willen des Vaters, indem er ans Kreuz ging. An diesem Kreuz „haben wir das Fleisch samt den Leidenschaften und Begierden gekreuzigt“ (Gal 5,24).

Stellt euch die Schönheit und den Segen vor, die durch unsere Häuser fließen würden, wenn wir nur unsere Mauern schützen würden!

P. S. In einem Folgeartikel untersucht Erica Fitzgerald einige Alltagsbereiche, in denen wir herausgefordert sind, die „Lücken in der Mauer“ zu schließen.

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