Meine persönlichen Statements zum missionarischen Lebensstil

1.  Meine (verpassten) Gelegenheiten

Hildegard Klein* hat es eilig. Sie kommt vom Arzt. Sie ist befreit und doch gestresst. So schnell wie möglich will sie nach Hause. Die Straßenbahn fährt in wenigen Minuten. Außer Puste lässt sie sich in den Sitz fallen. Das war knapp. Erleichtert lächelt sie. Ihr Lächeln wird von ihrer gegenübersitzenden Nachbarin – einer Frau mit südlichem Touch – aufgefangen. Sie beginnt mit gebrochenem Deutsch ein Gespräch der besonderen Art. Hildegard entdeckt das Buch in der Hand jener Frau. Sie liest tatsächlich im Neuen Testament. Jetzt fragt sie, ob Hildegard Ahnung von diesem Buch hat. Hat Hildegard. Sie ist Christin und gehört zu einer evangelikalen Gemeinde. Ein ziemlich kurzes und einsilbiges Gespräch beginnt. Ein Signal ertönt. Die nächste Haltestelle gilt Hildegard. Sie entschuldigt sich eilig und steigt aus. Sie erblickt das ungläubige, erstaunte Gesicht ihrer Straßenbahnsitznachbarin noch einmal kurz durch das verschmierte Fenster. Erst zu Hause wird Hildegard schlagartig bewusst, welch eine Gelegenheit sie verpasst hat …

Ach ja, wie gleiche ich doch Hildegard. Versäumte Gelegenheiten. Verpasste Chancen. Kurze Begegnungen mit Menschen, die Gott mir – irgendwie verspüre oder bemerke ich es in der Regel – in mein Leben geschickt hat. Ich schüttele meinen Kopf und beginne meiner Dummheit die Schuld zu geben. Ja, manchmal werden jene „Verpasser“ mein Leben begleiten, manchmal von mir entschuldigt in Vergessenheit geraten. Niemals aber darf ich einfach die „Sache“ hinwerfen – nein! Im Gegenteil, ich will mich ermutigen lassen: Gottes Horizont ist weit größer als der meine. Gott sitzt im Regiment. Er überblickt das Ganze. Er kennt alle und hat tausende Möglichkeiten, um Menschen in seine Nähe zu ziehen. Das ist für mich ein sehr guter Grund, meinen Gott zu loben und anzubeten.

Und es gilt immer und immer wieder neu. Wir Christen dürfen und müssen in unserer Generation mit unseren Befähigungen und zu unseren Lebzeiten den Mut besitzen, von Jesus weiterzusagen. Dies gilt für Männer und Frauen, Junioren und Senioren, Begabte und Unbegabte. Paulus Wort aus 2. Timotheus 4,2 ist dabei ein großer Ansporn: „Predige das Wort, stehe bereit zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre!“

2.  Mein „erhörtes“ Morgengebet

Mein Morgengebet beinhaltet häufig die Bitte: „Herr, schenke mir an diesem Tag Begegnungen mit Menschen, die deine Hilfe brauchen, damit ich ihnen eine Hilfe zu dir hin und ein Segen zu deiner Ehre sein kann. Amen.“

Es ist erstaunlich, wie der Herr dieses Gebet immer wieder erhört. Auch wenn ich oftmals eher den Eindruck habe, dass ich die Gelegenheiten, die Gott mir schenkt, vermasselt oder verpasst habe.

3.  Meine „gelebte“ Gastfreundschaft

Familie Hansen* ist stolzer Besitzer eines Einfamilienhauses. Seit nunmehr sechs Monaten leben sie in der dörflichen Idylle. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Gepflegte Bürgersteige. Sauber geschnittene Hecken und die bunte Pracht der Blumen sind eine Augenweide. Die Nachbarn grüßen freundlich und ein kurzer Plausch bei den Begegnungen auf dem Gehweg ist immer irgendwie drin.

Sonntags gegen 9.00 Uhr steigen die Hansens in schicker Garderobe in ihren Van. Die Nachbarn munkeln, was die wohl in aller …frühe machen?

Für Familie Hansen ist der Gottesdienstbesuch am Sonntag (meist) freudige Routine. Heute haben sie sich vorgenommen, den Sommer mit einem Abschlussgrillen in ihrem Garten ausklingen zu lassen. Dazu haben sie einige Freunde aus der Gemeinde eingeladen. Spontan werden Fritz und Gundula Weigand* aus der unmittelbaren Nachbarschaft über den Gartenzaun ebenso geladen. Tatsächlich sind sie gekommen. Etwas peinlich und zurückhaltend ist es anfangs schon, aber nach einigem Smalltalk bricht das Eis.

Später wird Frau Weigand sagen, dass sie jetzt wisse, dass Hansens fromme Leute sind und dass sie am Sonntag zum Gottesdienst in die Stadt fahren, in die Südweststraße. Sie wird auch sagen, dass sie besonders beeindruckt ist, als alle am Ende des Grillens das Lied „Der Mond ist aufgegangen …“ gesungen haben. Was weiter daraus wird, bleibt spannend …

Petrus sagt uns Christen sehr deutlich: „Seid gastfrei gegeneinander ohne Murren!“ (1. Petrus 4,9). Ernsthaft will ich mich heute fragen, wann ich eigentlich das letzte Mal jemanden zu mir eingeladen habe, der nicht mit mir verwandt oder befreundet ist. Gemeinsam können wir als „Familienrat“ uns diese Frage ebenfalls stellen: „Wen können wir ganz spontan ohne großen Aufwand am Sonntag zum Tee- oder Kaffeetrinken oder zu einem Spieleabend einladen?“

Missionarischer Lebensstil bedeutet zudem, mein „eigenes Leben mitzuteilen“. Andere Menschen sollen dadurch erfahren, dass Jesus mein Heiland und Herr ist. Dieses Rezept wird von Paulus in 1. Thessalonicher 2,8 mitgegeben: „So, in Liebe zu euch hingezogen, waren wir willig, euch nicht allein das Evangelium Gottes, sondern auch unser eigenes Leben mitzuteilen, weil ihr uns lieb geworden wart.“

Die Garantie ist eindeutig: Es funktioniert!

4.  Mein „gehaltenes“ Liebesseil

Das Liebesseil ist für mich eine großartige Metapher in Anlehnung an die Aussage des alttestamentlichen Propheten Hosea: „Mit menschlichen Tauen zog ich sie, mit Seilen der Liebe, und ich war ihnen wie solche, die das Joch auf ihren Kinnbacken anheben, und sanft zu ihm gab ich ihm zu essen.“ (Hosea 11,4)

Dieses prophetische Wort hat seine eigene Wirkung – hoffentlich nicht nur für mein Herz. Ich will so gerne mit überzeugenden Argumenten hantieren, mit Wortgewalt und Schlagfertigkeit. Aber Hosea sagt mir ganz deutlich: „Nimm die Seile der Liebe!“

Liebe hat enorme Anziehungskraft. Gott war bereit, seinen Sohn aus Liebe in eine verlorene Welt zu geben. Die Liebe von Jesus strahlt trotz des furchtbaren und schrecklichen Kreuzgeschehens durch alle Zeiten hindurch auch in mein Herz hinein.

Manchmal ist es mir erlaubt, in Gottes Team am Strang mitzuziehen, damit ein Mensch zum Glauben an den Herrn Jesus kommt.

Manchmal darf ich das Liebesseil halten, wenn andere Glaubensgeschwister hinunter in den Abgrund der Sünde und des Verderbens geseilt werden, um Menschen aus dem Schlamm der Verlorenheit herauszuholen.

Manchmal darf ich das Liebesseil hinauswerfen – wenn es gilt, die Botschaft von Jesus zu bezeugen.

Erik Flügge** ist unter anderem Autor des Buches „Der Jargon der Betroffenheit“. Die folgende nacherzählte Anekdote geht mir persönlich ganz schön unter die Haut:

„Excuse me, please!“ Mit diesen Worten wird eines Tages ein eiliger Kommunikations-Experte in der Kölner Innenstadt angesprochen. „Oh, ein Tourist“ denkt er, „der Mann sucht bestimmt irgendetwas – ich kann ihn ja jetzt nicht hier stehen lassen …“ „Do you speak English?“ fragt ihn der ältere Mann mit einer Stimme, die einem Hörbuchsprecher gehören könnte. Ich spreche sehr gerne Englisch, denkt der Angesprochene und antwortet: „Sure!“ – sicher! Der andere lächelt ihn freundlich an. Mit seiner wunderschönen Stimme sagt er: „Do you know that Jesus loves you?“ – Weißt du, dass Jesus dich liebt? Dieser Satz trifft das Herz und berührt das Innerste des Experten für Kommunikation. Er antwortet: „Oh, yes, of course!“ – Oh, ja selbstverständlich!

Ich finde diese nicht alltägliche Begegnung faszinierend. Wie natürlich kann ich doch ohne weiteres von Jesus sprechen. Ein Satz sagt das ganze Evangelium: „Weißt du, dass Jesus dich liebt?“

Und so will ich mir selbst antworten: „Oh, ja, selbstverständlich! Jesus liebt mich!“

Mit diesem Wort: „Jesus liebt dich!“ grüßt herzlichst,

Erik Junker

 

*    Name verändert
**  Name nicht verändert

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