„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen…“

„… bist fern von meiner Rettung, den Worten meines Gestöhns?“ (Ps 22,2; vgl. Mt 27,46)

In diesen Worten, die der Herr Jesus am Ende der drei Stunden der Finsternis am Kreuz rief, liegt unser ewiges Heil und alles Glück. Heute darf jeder Mensch wissen: „Gott ist nicht fern von einem jeden von uns“ (Apg 17,27).

In dem Ruf Jesu am Kreuz liegen auch das Ziel und der Zweck, warum Christus Mensch geworden ist. Seine Menschwerdung allein konnte uns nicht von unseren Sünden erretten. Sündenvergebung ist nur möglich, weil Er in die Gottverlassenheit ging und sein Leben gab. Wäre Er vor den drei finsteren Stunden, bevor Er mit unseren Sünden beladen wurde, vom Kreuz herabgestiegen, wären wir noch in unseren Sünden, und die Wohnungen des Vaters blieben für immer leer. Doch seine Liebe ging bis zum Äußersten (Joh 13,1). Nur weil Er am Kreuz von Gott verlassen wurde, konnten wir in eine unbeschreibliche Nähe zu Gott gebracht werden: Wir Gläubige dürfen Ihn jetzt als Vater kennen.

Wie kann uns das Leiden Jesu am Kreuz helfen, damit wir nicht in unseren Lebensumständen verzweifeln, sondern Gott vertrauen?

Erstens können wir daraus Kraft schöpfen, dass Christus dieses unfassbare Werk für uns persönlich vollbracht hat, denn Er hat „mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben“ (Gal 2,20).

Zweitens können wir eine Lektion in Sachen Vertrauen lernen. Der Herr Jesus fragte am Kreuz nicht deshalb nach dem „Warum“, weil Er die Antwort nicht gewusst oder gar an der Liebe Gottes gezweifelt hätte. Nein, Christus wusste: Gott musste Ihn verlassen, denn Gott ist heilig (Ps 22,4) und kann deshalb keine Gemeinschaft mit Sünde haben.

Von Anfang an vertraute der Herr Jesus auf seinen Gott: „Du bist es, … der mich vertrauen ließ an meiner Mutter Brüsten. Auf dich bin ich geworfen von Mutterschoß an, von meiner Mutter Leib an bist du mein Gott“ (Ps 22,10.11). Genauso vertraute Er am Ende seines Lebens auf Gott, als die Spötter kopfschüttelnd riefen: „Er vertraute auf Gott, der rette ihn jetzt, wenn er ihn begehrt“ (Mt 27,43; vgl. Ps 22,9). Ja, im tiefsten Leid – in der Gottverlassenheit und als unser Sündenträger – vertraute Er immer noch auf seinen Gott. Er erduldete „für die vor ihm liegende Freude das Kreuz“ (Hebr 12,2) und blickte in allem Leid über dieses Leid hinaus. Er klammerte sich an seinen Gott, indem Er Gott immer noch seinen Gott nannte (Ps 22,2.3). Diesen Punkt wollen wir tief ins Herz fassen. Auch wir wollen uns an Gott klammern, wenn unsere Lebensumstände schwierig sind und wir vielleicht sogar am Leben zu verzweifeln drohen. Auch dann wollen wir „auf Jesus schauen, den „Anfänger und Vollender des Glaubens [ein anderes Wort für Vertrauen] (Hebr 12,2)!

„Als er [Jesus] zu ihm [Gott] schrie, hörte er“ (Ps 22,25). Kurz nachdem der Herr Jesus zu Gott geschrien hatte, verschied Er; sein Leiden war beendet, und weil seine Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt war, konnte Er Gott wieder „Vater“ nennen (s. Lk 23,46). Durch die Auferweckung erhörte Gott Ihn „von den Hörnern der Büffel“ (Ps 22,22.25) – d. h. von dem Tod in der schrecklichen Form des durchbohrenden Gerichtes vonseiten Gottes – und antwortete auf sein Rufen. Auch auf unser Rufen wird Gott zu seiner Zeit und auf irgendeine Art und Weise antworten.

Wenn wir selbst durch Leiden oder Schwierigkeiten geprüft werden, dann ermutigt es uns, wenn wir auf jemanden schauen können, der eine ähnliche Situation schon einmal durchgemacht und sie aus Gottes Hand angenommen hat (vgl. Hebr 12,2.3). Im Leid nehmen wir uns in der Regel oft zu wichtig und klagen Gott an. Der Herr Jesus akzeptierte es, unter den Menschen nichts zu gelten. Er rechtfertigte Gott, wollte kein Recht für sich in Anspruch nehmen: „Ich aber bin ein Wurm und kein Mann“ (Ps 22,7). Solange wir meinen, dass wir noch etwas wären, dass wir unser Leid doch nicht verdient hätten und dass Gott etwas übersehen haben müsste, sind wir noch nicht dort, wo Gott uns haben möchte.

Aber wenn wir den Blick von uns selbst wegwenden und auf den Herrn schauen, dann sehen wir jemanden, „der Mitleid zu haben vermag“ (Hebr 4,15), sogar mit den Beschwerden des Alters, obwohl Er selbst ein solches Alter nie erreichte. Das Alter ist oft mit Verlassenheit, Einsamkeit, körperlicher Schwäche und Krankheit verbunden. Der Herr weiß, wie das ist, denn Er betete: „Meine Kraft ist vertrocknet …, meine Zunge klebt an meinem Gaumen … Alle meine Gebeine könnte ich zählen“ (Ps 22,16.18). Der Herr Jesus kennt auch deine verzweifelte Situation; harre noch ein wenig aus. Schaue auf den Herrn Jesus in der Herrlichkeit; Er kümmert sich als Hoher Priester um dich!

Wie gut, dass wir so „einen großen Hohen Priester“ haben, der mit unseren Schwachheiten Mitleid hat und „in allem versucht worden ist wie wir, ausgenommen die Sünde“ (Hebr 4,14.15). Wenn sich Zweifelswolken erheben, der Teufel seine „feurigen Pfeile“ auf uns schießt und unser Vertrauen zu schwinden droht, lasst uns den „Schild des Glaubens“ erheben (Eph 6,16), mit dem wir die feurigen Pfeile auslöschen können. Der Glaube wird uns befähigen zu sagen: „Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir“ (Mt 11,26). Gott sei Dank werden wir nie in jene schreckliche Lage kommen, die der Herr Jesus am Kreuz für uns erduldet hat!

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