Luther und die Ehre Gottes

UNSER VATER IM HIMMEL!
DEIN NAME WERDE GEHEILIGT.
(Matthäus 6,9)

Die Wahrheit erhellt den Blick – auf alles, auch auf Gott! Als Luther den Kern des Evangeliums neu entdeckte und dann auch für andere entfaltete, bewirkte dies eine erweiterte und klarere Sicht von Gott. Daraus entstand bei Luther eine tiefe Dankbarkeit und das unmittelbare Bedürfnis, beständig Gott zu loben und zu rühmen für das, was er ist, und für das, was er für die Menschen getan hat. Gegenüber einem großen Gott erkennt man nun mal, wie klein man als Mensch ist. In der Kirche damaliger Zeit hatte sich das aber besonders bei vielen kirchlichen Würdenträgern und sogar bei den Päpsten umgekehrt – eben weil dieser große Gott aus dem Blick geraten und durch religiöse Rituale und ruhmsüchtige Menschen verdrängt worden war. Es wurden Menschen groß gemacht, und Menschen strebten nach Ehre und Ruhm, statt sie Gott zu geben.

Gott hat den Menschen tatsächlich aus tiefster Sündentiefe emporgezogen und erhöht, indem er ihn rettet, rechtfertigt und zu seinem Kind macht. Doch ist es nun nicht so wie einst im Garten Eden, dass der erlöste Mensch so groß sein will wie Gott. Vielmehr erkennt er an, dass Gott unendlich größer ist. In Demut will er diesen Gott anbeten und ihm Ehre geben.

Wer damals im Verlauf der Reformation Luthers Lehren folgte und dem Evangelium, das er ins Licht brachte, dem wurde ebenso wie Luther selbst sein „Visier“ geöffnet und sein Blick geklärt für den wahren und lebendigen Gott, wie er sich den Menschen in seinem Wort offenbart. Was man da erkennen kann, bewegt zutiefst das Herz, weckt Liebe und Dankbarkeit und führt zur Beugung statt zur Selbsterhöhung.

Im letzten Schritt dieser Serie zum 500. Jahrestag der Reformation wollen wir erneut dem folgen, was Luther in seinen Schriften festgehalten hat. So hat er dort auch immer wieder die Ehre Gottes betont. Deutlich wird das z. B. in seinen Gedanken zum Vaterunser, insbesondere im Zusammenhang mit der Anrede Gottes, „Unser Vater“, und der ersten Bitte, „Dein Name werde geheiligt!“

Gottes Ehre im Vaterunser

Das Vaterunser genießt bei ihm eine so hohe Wertschätzung, weil der Herr selbst es seinen Nachfolgern gegeben hat: „Weil dieses Gebet von unserem Herrn einen Ursprung hat, wird es ohne Zweifel das höchste, edelste und beste Gebet sein, denn hätte er ein besseres gewusst, der fromme, treue Schulmeister, er würde es uns auch gelehrt haben.“ (1) Damit sind nicht etwa alle anderen Gebete schlechter, aber es ist doch so, dass dieses Gebet besondere Eigenschaften aufweist und Lehren enthält, die wir beachten sollten.

Luther sah aber auch den Missbrauch dieses Gebets und beklagte, „dass ein solches Gebet eines solchen Meisters in aller Welt so ohne Ehrerbietung gedankenlos dahergeplappert wird“ (2). Daher war für ihn das Vaterunser „der größte Märtyrer auf Erden. Denn fast jedermann missbraucht es, und nur wenige geben ihm die rechte Ehre, indem sie richtig damit umgehen.“ (3)

Gott ehren, indem wir ihn als Vater anreden

Doch kommen wir zu dem, was Luther uns damit über die Ehre Gottes mitteilt. Schon die Anrede in diesem Gebet zeigt es uns. Indem man Gott als Vater anredet, ehrt man ihn. „Es ist kein Name unter allen Namen, mit welchem wir Gott besser anreden können, denn ‚Vater‘. … Denn der Name ‚Vater‘ ist von Natur eingeboren und natürlich süß. Darum gefällt er Gott auch am allerbesten und bewegt ihn am allermeisten uns zu erhören. In diesem bekennen wir uns auch als Gottes Kinder …“ (4).

Überhaupt entsprechen die richtige Anrede Gottes und die erste Bitte dieses Gebets ja der Rangfolge der Zehn Gebote, deren erstes auf Gott und seinen Vorrang verweist und deren zweites den Missbrauch seines Namens strengstens untersagt. Des Weiteren werden durch die Verortung Gottes im Himmel die Verhältnisse betont, wie sie der Wirklichkeit entsprechen: Gott ist im Himmel und der Mensch ist auf der Erde, sodass ein Gläubiger damit gleichsam zum Ausdruck bringt: „Ach, Vater, du bist im Himmel, ich dein elendes Kind bin auf Erden, im Elend, weit von dir, in aller Gefahr, in Jammer und in Not, unter den Teufeln und größten Feinden und dem mancher Gefahr.“

Gott wird geehrt, wenn wir uns ihm gegenüber niederbeugen und ganz klein machen, wenn wir uns vor ihm demütigen! Je größer wir uns selbst machen, um so kleiner machen wir Gott. (Drastisch, wie Luther ist, spricht er sogar von Gotteslästerung.) Gott aber will ein demütiges Herz. Das ruft sein Erbarmen hervor und bewegt ihn, seinen Kindern zu helfen.

Man ehrt Gott auch, indem man ihn nicht für sich alleine beansprucht, sondern sich einreiht in die Menge der Vielen, die ebenso Gottes Kinder sind und seine Hilfe erbitten. „Denn so er unser aller Vater ist, will er, dass wir unter einander Brüder sein sollen, freundlich lieben und für einander bitten gleichwie für uns selbst.“

Gott ehren, indem wir seinen Namen heiligen

Die erste Bitte, „Geheiligt werde dein Name“, verweist erneut auf den Namen Gottes. Der Name ist Inbegriff der Ehre, daher darf er nicht in den Schmutz gezogen oder missbraucht werden. Der Name Gottes wird von uns geehrt und „geheiligt“, wenn wir unsere Natur als Gotteskinder zeigen, daher wir „sollen sein gütig, barmherzig, keusch, gerecht, wahrhaftig, einfältig, freundlich, friedsam, eines süßen Herzens zu einem jeglichen Menschen, auch zu seinen (Gottes) Feinden.“ „Wer aber zornig, unfriedsam, neidisch, bitter, ungütig, unbarmherzig, unkeusch ist, und flucht, lügt, schwört, betrügt, afterredet, der tut Unehre“ und er ehrt unter dem Kennzeichen des großen Gottes statt diesen den Teufel. Nicht nur „mit dem Munde“, sondern „mit allen Gliedern des Leibes und der Seele“ wird der Name Gottes „geheiligt oder verunheiligt“.

Wer nun aber das Gute, das er tut, sich selbst gutschreibt, der beraubt Gott ebenso seiner Ehre. „Siehe, das heißt Gottes Namen und Ehre gestohlen (wenn wir andere richten) … Denn Gott gebührt allein zu richten. … Auch ist es allein Gottes Name, dass er heilig, fromm, gut ist; … so jemand etwas vor dem anderen hat, so ist es doch nicht sein, sondern allein Gottes … wer dieses gebraucht nicht zum Dienst, sondern zur Verachtung seines Nächsten, dieser ist ein Dieb der Ehre Gottes, und will das sein und heißen, das Gott und Gottes ist, und nicht sein ist.“

Es genügt nicht, mit Worten zu beteuern, dass man Gott ehre, dies sozusagen gedankenlos (und heuchlerisch) durch eine Art Formel zu bekunden, sondern in der Reaktion auf das, was uns Gott nicht nur an Gutem zukommen lässt, sondern auch an Nöten, Widerstand, Ungemach usw., wird offenbar, ob unser Herz von Selbstsucht und Stolz erfüllt ist oder wirklich von dem Wunsch beseelt, Gott in allem die Ehre zu geben: „In allem, das sie tun, wollen sie Gottes Ehre allein suchen; und dürfen noch dabei schwören, sie suchen nicht ihre Ehre. So geistlich, gründlich, tief ist ihre Bosheit. Aber merke auf die Frucht und Werke, so wirst du finden, wenn ihr Vornehmen nicht so geht, wie sie denken, so fängt ein Klagen und merkwürdiges Benehmen an, dass niemand mit ihnen auskommen kann. … (Sie) können nicht vergessen das Leid, das man ihnen tat, sie behaupten, daß man Gottes Ehre verhindert habe und widerstrebe dem Guten, daß sie gesucht und gemeint haben; und können ihr verflucht Richten und Afterreden nicht sein lassen. … Siehe, wie tief die Gotteslästerung in diesen Geistern verborgen ist, die immer das sein und haben wollen, das Gottes allein ist, das ist, Weisheit, Gerechtigkeit, Namen und Ehre.“

Gottes Hilfe in Anspruch nehmen

Luther blickt tief in die Abgründe der menschlichen Seele, und wir sollten es auch tun – bei uns selbst! Um gehörig zu erschrecken und immer wieder Gottes Hilfe in Anspruch zu nehmen, damit ihm wirklich die Ehre zukommt, die ihm gebührt. Beten wir doch mit Luther seine folgenden Worte, um zu diesem Ziel zu gelangen und dabei zu bleiben:

„Ach! Lieber Vater, dein Name werde geheiligt in uns; das ist, ich bekenne, daß ich, leider! Deinen Namen oft verunehrt habe, und auch noch mit Hoffahrt durch meine eigene Ehre und Namen deinen Namen lästere. Darum, durch deine Gnade hilf mir, daß in mir mein Name abgehe, und ich zunichte werde, auf das du allein und dein Name und Ehre in mir sei.“

 

Fußnoten:

(1) Vater Unser – eine Auslegung des Vater Unsers von Dr. Martin Luther, Quelle: ProjektGutenberg.de
(2) Eine einfältige Weise zu beten, 1535, vgl. WA 38, 364, 16-27.
(3) Ebd.
(4) Vater Unser, a. a. O. Alle nachfolgenden weiteren Zitate aus derselben Quelle.

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