Können wir Gott zum Zorn reizen?

„Ja – leider!“, muss man wohl antworten. Aber wie kann es dazu kommen? Wo liegt der Beginn eines solch furchtbaren Zustandes? Wie lässt sich daran etwas ändern?

Zunächst müssen wir uns der absoluten Heiligkeit Gottes und seiner unendlichen Liebe bewusst sein, um dann als seine Kinder gottesfürchtig leben zu können. D. h., ihn als Autorität über uns anzuerkennen und ihn durch unser Verhalten zu ehren. Wenn Gottesfurcht vor der Heiligkeit Gottes eine Auswirkung auf unser Verhalten hat, dann kann gegenteiliges Handeln nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Was ist Gottesfurcht?

Einige Propheten des Alten Testamentes gingen bei Gottesbegegnungen zu Boden im Erschrecken vor seiner Heiligkeit, ebenso wie der Jünger Johannes auf Patmos. Das war keine Angst, sondern ein Ergriffensein im Bewusstsein der Größe und Erhabenheit Gottes. Das ist die Grundhaltung eines Erlösten.

Wie zeigt sich Gottesfurcht?

Sie ist weit mehr als ein theologischer Begriff! In Hebräer 5,7 lesen wir von unserem Herrn, „… der wegen seiner Gottesfurcht (ELB) / ehrerbietigen Scheu vor Gott (NeÜ)“ – im Sinne einer tiefen Unterwürfigkeit unter den göttlichen Auftrag – erhört wurde.

Gott sprach nach der Opferung Isaaks zu Abraham: „Nun weiß ich, dass du Gott fürchtest“ (im Sinne von „achtest“ und „verehrst“). Dies wurde deutlich im Handeln Abrahams: „… weil du deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast“ (1Mo 22,12). Als der Freund, der „Lieb-Haber“ Gottes, gab er aus ehrfürchtigem Vertrauen alles für Gott.

Auch Josefs Leben war geprägt von dem „Ich fürchte Gott“ (1Mo 42,18). Gott stand immer im Vordergrund seines Denkens. Ein stetes Handeln zur Ehre Gottes. Wer Gott fürchtet, kann Recht von Unrecht unterscheiden und führt sein Leben bewusst unter den Augen dieses heiligen Gottes. Nicht in knechtischer Furcht, sondern aus Liebe zu ihm, der für uns das Höchste gegeben hat.

Wie reizen Menschen Gott zum Zorn?

Ein unendlich gütiger Gott hat alles perfekt für ein Leben in der Gemeinschaft mit ihm gestaltet. Obwohl seine Geschöpfe ihn erkennen können, ehren sie ihn nicht, sondern führen ein eigenwilliges, sündiges Leben. Damit liegt der Zorn Gottes auf ihnen. Das richtende Handeln kann sich bei einer unbußfertigen Haltung bereits während des physischen Lebens in einem „Laufenlassen“ zeigen (1). Wir waren alle „Kinder des Zorns“ (Eph 2,1-3; Kol 3,6)! Dennoch hat der barmherzige Gott einen unendlich hohen Preis für unsere Erlösung gezahlt. Menschen, die dieses einzigartige Angebot der Liebe Gottes ausschlagen und verachten, bleiben unter dem Zorn Gottes (Joh 3,36).

Können auch Kinder Gottes Gott zum Zorn reizen?

Nun ist der Zorn Gottes nicht vergleichbar mit unserem menschlichen Zorn, der vielfach ein Verlust an Selbstbeherrschung darstellt, sondern er ist eine göttliche Demonstration seiner absoluten Heiligkeit. Damit ist die oben gestellte Frage schnell beantwortet: Gleichgültiges, ungehorsames, ungläubiges Handeln gegenüber dem offenbarten Willen Gott widerspricht unserem Auftrag „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (1Petr 1,15-16). Bei mangelndem Gebet, fehlender Bibellese und „unabhängiger“, selbstbestimmender Lebensweise, ohne Gott im Fokus zu haben, kann sich unser „Glaubensleben“ zu einer Abwärtsspirale entwickeln: Verlust der Autorität Gottes durch Unglauben, Ungehorsam bis zur offenen Rebellion. Hier greifen dann die Begriffe wie „gegen den Heiligen Geist streiten“ (Apg 7,51), ihn „betrüben“ (Eph 4,30) oder seine Wirkungen „auslöschen“ (1Thes 5,19). Sündiges Verhalten kann ein heiliger Gott bei seinen Kindern nicht dulden. Da setzt dann seine Erziehung „zum Nutzen, zu unserem Besten ein, damit wir Anteil an seiner Heiligkeit bekommen“ (Hebr 12,5-11).

Was aber geschieht, wenn Erziehung nicht fruchtet?

Israel, durch das Passah erlöst, zog als Zeichen des Sieges mit „erhobener Hand“ aus der Knechtschaft Ägyptens aus. Dann murrte es zehnmal in der Wüste, bis es in Kadesch Barnea zur offenen Rebellion gegen Gott kam. Hier war aufgrund des fortgesetzten Verhaltens ein Punkt erreicht, wo trotz der Vergebung Gottes die Folge ihrer bewussten Sünde nicht mehr rückgängig gemacht wurde: Sie, die Erlösten, durften in ihrem physischen Leben nicht mehr die Segnungen Kanaans genießen. Sie starben in der Wüste. Die Merkmale ihrer Sünde zeigen, dass sie bewusst und nachhaltig dem Eigenwillen den Vorzug gaben vor Gottes Heiligkeit und seinen Geboten.

Gott wacht ebenso über der Heiligkeit seiner neutestamentlichen Gemeinde. Er duldet keine Lüge und Heuchelei. Sünde verführt andere und schadet der Zeugniswirkung. Sünde muss entfernt werden, da die Gemeinde sonst nicht sieghaft wirken und die Heiligkeit Gottes spiegeln kann. Heilsame Furcht vor dieser Heiligkeit bewahrte die junge Gemeinde. Dies deutet auf einen unveränderten Grundsatz Gottes: Die Errettung vom ewigen Tod ist gesichert – aber erzieherisches Handeln Gottes bis zum Verlust des physischen Lebens ist möglich. 1. Korinther 11,27-32 enthält eine entsprechende Warnung: „Deshalb sind viele unter euch krank, schwach, ein gut Teil sind entschlafen.“ Eine derartige Züchtigung dient unserer Korrektur, damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden.

Aber Vorsicht vor einer vorschnellen Verallgemeinerung dieses Gedankens! Hüten wir uns davor, jede Krankheit und jeden Tod in dieser Weise zu deuten – es ist immer Gottes souveränes Handeln, der unser Bestes im Sinn hat! Es entspricht seiner individuellen Seelsorge an seinen Kindern und kann vielfach völlig andere Gründe haben! (2)

Die Frage bleibt: Streiten wir nicht bereits mit unserer Lebensweise in Leichtfertigkeit bis zur Ignoranz gegenüber der Sünde gegen Gott (vgl. Jak 4,4)? „Reizen wir den Herrn zur Eifersucht? Sind wir etwa stärker als er?“ (1Kor 10,22). Ein derartiges „Kräftemessen“ bringt uns um den Genuss der Segnungen und der Gemeinschaft mit unserem Herrn, denn seine Heiligkeit schließt Sünde absolut aus.

Was aber ist Gottes Ziel mit uns?

Er hat uns dazu „bestimmt, in Wesen und Gestalt seinem Sohn gleich zu werden“ (Röm 8,29, NeÜ), „damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden“ (Hebr 12,10). Das Beschäftigen mit unserem Herrn verändert uns und „erzieht uns dazu … mit Ehrfurcht vor Gott in der heutigen Welt zu leben“ (Tit 2,12, NeÜ), „indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes“ (2Kor 7,1). Das darf tägliche Praxis sein. Dann gilt uns der Zuspruch unseres Herrn: „Indem ich guter Zuversicht bin, dass der, welcher ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollführen wird bis auf den Tag Jesu Christi“ (Phil 1,6).

 

Anmerkungen:

(1) vgl. Röm 1,18-32; Ps 5,5: „Wer Böses tut, ist dir verhasst.“ Siehe auch Röm 2,5: „Nach deiner Störrigkeit und deinem unbußfertigen Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf am Tage des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes.“
(2) 1. Hiob (1,1; 42,5) erfuhr nie das „Warum“ seines Leidens – aber er erhielt eine tiefe Gotteserkenntnis und verherrlichte durch sein Aushalten Gott.
2. der Blindgeborene, Joh 9,3; Jesus sagte über ihn: „Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern, sondern auf dass die Werke Gottes an ihm geoffenbart würden.“
3. Lazarus, Joh 11,40 u 42: „… so würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen … auf dass sie glauben“

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