Jesu Würdenamen im Koran

Der Koran verleiht Jesus einige hohe Titel. In ihnen klingen zum Teil biblische Wendungen an. Bei einer genaueren Untersuchung zeigt sich jedoch, wie wenig wir ein gemeinsames Verständnis voraussetzen können, selbst wenn im Koran Begriffe gebraucht werden, die den christlichen entsprechen. Vieles müssen wir Muslimen von der Bibel her erklären, wenn wir ihnen bezeugen wollen, wer Jesus Christus wirklich ist.

In Sure 4,171+172 werden – in einer Auseinandersetzung Mohammeds mit den „Leuten des Buches“ – die wichtigsten Würdenamen genannt, die der Koran Jesus beilegt:

„O ihr Leute des Buches, übertreibt nicht in eurer Religion und sagt über Gott nur die Wahrheit. Christus Jesus, der Sohn der Maria, ist doch nur der Gesandte Gottes und sein Wort, das er zu Maria hinüberbrachte, und ein Geist von Ihm. So glaubt an Gott und seine Gesandten. Und sagt nicht: Drei. Hört auf, das ist besser für euch. Gott ist doch ein einziger Gott. Gepriesen sei Er und erhaben darüber, dass Er ein Kind habe … Christus wird es sicher nicht aus Widerwillen ablehnen, Diener Gottes zu sein …“

  1. Christus (al-masih): Der Koran geht an keiner Stelle auf die Bedeutung des Titels Al-Masih (Messias) ein. Zum Teil wird er wie ein Namensbestandteil ohne weiteren Inhalt behandelt, manchmal einfach anstelle von „Jesus“ gebraucht (z. B. Sure 5,72). Einzelne Koranausleger kennen durchaus die Bedeutung „der Gesalbte“. Sie legen diesen Begriff unterschiedlich aus: Jesus sei mit dem Segen Gottes gesalbt; seine Salbung bedeute seine Sündlosigkeit oder seine Berufung zum Propheten. – Der Koran kennt Jesus aber nicht als den im Alten Testament verheißenen „Gesalbten“, der seinem Volk Heil und Erlösung bringt.
  2. Sohn der Maria (ibn maryam): Die Nennung eines Sohnes nach der Mutter hat in der Regel einen negativen Beiklang, denn sie kommt nur vor, wo der Vater unbekannt ist. Der Koran betont jedoch die Unbescholtenheit Marias (21,89) und bestätigt die biblische Lehre der Jungfrauengeburt (3,47). Dabei wird allerdings hervorgehoben, dass Jesus und seine Mutter nichts anderes als Menschen waren: „Beide pflegten Speise zu essen.“ (5,75) – Einerseits bezeugt also auch der Koran die Einzigartigkeit der Geburt Jesu. Andererseits verneint er aber, dass damit ein zeichenhafter Hinweis auf einen besonderen Auftrag Jesu oder gar auf seine Gottessohnschaft verbunden sei.
  3. Gesandter Gottes (rasul allah): Mit der Aussage, dass Jesus „nur“ der Gesandte Gottes sei, bekämpft der Koran die „Übertreibung“ der Christen, die in ihm etwas Höheres als Mohammed sehen wollen. Der Islam meint, Jesus mit dem Titel „Gesandter Gottes“ oder auch „Prophet“ (19,30) hoch zu ehren. Ihm wird jedoch nur eine begrenzte Sendung (zu den 12 Stämmen Israels) zuerkannt. Teil seines Auftrags war es, den letzten Gesandten Mohammed anzukündigen.
  4. Wort Gottes (kalimat-hu): Nach dem Verständnis vieler Koranausleger bedeutet diese Bezeichnung, dass Jesus durch das Wort bzw. den Befehl Gottes geschaffen worden sei; sie bezeugt also vor allem die Allmacht Gottes. Der Koran unterstreicht: „Mit Jesus ist es vor Gott wie mit Adam. Er erschuf ihn aus Erde, dann sagte Er zu ihm:
    Sei! und er war“ (3,59). Andere erklären diesen Titel damit, dass Jesus das Wort Gottes zu den Menschen gebracht habe. – Die biblische Auffassung, dass Jesus in Person mit seinem ganzen Leben und seinem Tod das entscheidende Wort Gottes für alle Menschen sei und dass er als „Wort Gottes“ von Ewigkeit her bei Gott war, teilt der Koran nicht.
  5. Ein Geist von Gott (ruhun minhu): Diese Wendung besagt nach islamischem Verständnis, dass Jesus durch das Einhauchen des göttlichen Geistes von Maria empfangen wurde (21,91). An verschiedenen Stellen (2, 87+253; 5,110) kann der Koran davon reden, dass Allah Jesus durch den Geist der Heiligkeit gestärkt und ihn so zu Wundertaten befähigt habe.
  6. Diener/Sklave Gottes (abd allah): Mit dieser Bezeichnung wird Jesus im Grunde auf die gleiche Stufe wie alle Menschen gestellt (19,93). Der Ausdruck „Sklave Gottes“ ist allerdings nicht erniedrigend oder entwürdigend zu verstehen; im koranischen wie im biblischen Sinn weist er hin auf die hohe Bestimmung des Menschen, Gott zu dienen. – Der Koran weiß jedoch weder etwas von dem stellvertretend leidenden Gottesknecht nach Jesaja 53 noch von dem Sohn Gottes, der sich selbst erniedrigte und Knechtsgestalt annahm (Phil 2,7).

Weitere Bezeichnungen für Jesus, die an anderen Stellen im Koran vorkommen, sind: Gerechter (6,85); Angesehener und einer von den Nahegebrachten (3,45); ein Zeichen für die Menschen (19,21); ein Vorbild (43,59); der Zeuge (4,159).

Von entscheidender Bedeutung ist auch, was der Koran nicht über Jesus sagt bzw. welche Titel er vehement zurückweist: Sehr deutlich wird in Sure 4,171 die Ablehnung der Trinität und der Gottessohnschaft ausgesprochen. Andere Texte betonen ähnliches: Er ist nicht Allah (5,17) und er ist nicht Sohn Gottes (9,30). (Die Gottessohnschaft Jesu wird im Islam unter anderem aufgrund des Missverständnisses einer sexuellen Zeugung abgelehnt.)

Im Koran werden Jesus Würdenamen verliehen, die ihn eigentlich über alle anderen Propheten erheben. Das bringt manche Muslime dazu, mehr über Jesus wissen zu wollen. Die Würdenamen werden von islamischen Theologen aber jeweils so gedeutet, dass Jesus völlig in den Rahmen des islamischen Prophetenverständnisses eingepasst wird. Trotz der hohen Titel weiß der Koran nichts davon, dass in Jesus der verheißene Christus Gottes erschienen ist, der als Sohn und Knecht Gottes gehorsam wurde bis zum Tod am Kreuz, der sein Leben hingab „zu einer Erlösung für viele“ und in dem sich Gott selber offenbart.

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