Hat ein Christ eine politische Verantwortung?

Viel ist schon zu dieser Frage gesagt und geschrieben worden. Ich will deshalb zu diesem Thema nur meine unmaßgebliche Ansicht weitergeben.

Zum Begriff Politik hier nur zwei Zitate, wobei es aber weitere mit anderen Schwerpunkten gibt: „Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen“ (Machiavelli, um 1515). Und: „Politik ist das Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung …“ (Max Weber, 1919) (1).

So frage ich mich, ob Christen – ich meine stets nur Neugeborene – den Auftrag haben, nach Macht in dieser Welt zu trachten. Der Herr Jesus sagte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Weder er noch seine Jünger versuchten, auf die politischen Verhältnisse einzuwirken, und forderten auch andere nicht dazu auf.

Den einzigen Hinweis im Neuen Testament, wie ein Christ Politik beeinflussen kann und soll, finde ich in 1. Timotheus 2,1.2, wo Paulus ernstlich ermahnt, für alle zu beten, die hoheitlich tätig sind. Ich fürchte, dass wir Christen diese „Einflussnahme“ längst nicht so nutzen, wie wir es sollten.

Nun sagen Christen, die freundlicher zur Politik stehen: „Es geht uns nicht um Macht, wir haben aber gerade als Christen Verantwortung in der Gesellschaft und möchten das Gute fördern und Schaden verhindern.“ Aber wie will man das erreichen, wenn man nicht die Macht dazu hat? In allen Gremien, wo Christen sich beteiligen, sind sie in einer sehr überschaubaren Minderheit mit entsprechend geringen Einflussmöglichkeiten.

Schauen wir uns drei Beispiele aus der Bibel an, wo Gläubige unter Ungläubigen „politisch“ tätig waren. Lot war mit aktiv im Stadtrat von Sodom (1Mo 19). Inwieweit konnte er der Perversität der Leute dort wehren oder den Untergang der Stadt verhindern?

Daniel war quasi der 2. Mann im Staate. Auch er konnte am Größenwahn Nebukadnezars nichts ändern und nicht verhindern, dass seine drei Freunde in den Feuerofen geworfen wurden und später er in die Löwengrube.

Josef dagegen, ebenfalls der Zweite im Land, konnte durch die ihm von Gott geschenkte Weisheit Ägypten und die umliegenden Länder vor Hungersnot bewahren. Er verweist jedoch ausdrücklich darauf, dass Gott es so beabsichtigt hat (1Mo 50,20). Das sagen allerdings auch heute manche Christen, es sei Gottes Wille, dass sie politisch tätig sein sollen. Ob das aber jeder mit der gleichen Berechtigung wie Josef sagen kann? Als krasses Beispiel könnte hier der US-Präsident George W. Bush genannt werden, der sich als neugeborener Christ ausgab und den Irak-Krieg 2003 so begründete: „Gott hat uns aufgerufen, unser Land zu verteidigen und die Welt zum Frieden zu führen.“ (2)

Wie „friedlich“ auch nur der Nahe Osten durch den Irak-Krieg geworden ist, kann heute jeder sehen. Übrigens – auch Josefs Maßnahmen führten dazu, dass alle Ägypter ihr Land an den Pharao verloren und dessen Leibeigene wurden (1Mo 47).

Nach Röm 13,1 sind die bestehenden staatlichen Mächte von Gott verordnet. Hätten Christen die Machtergreifung Hitlers 1933 verhindern können? Oder in Russland, China, Vietnam, Nordkorea, Kuba und vielen anderen Ländern die kommunistischen oder sonstigen Diktaturen? So bete ich weiterhin, dass Gott in seiner Gnade unserem Land Frieden und Freiheit erhalten möge.

Welche Staatsform ist für Christen die beste?

Darüber können wir uns zwar Gedanken machen, an bestehenden Staatsformen können wir Christen aber kaum etwas ändern. Das Problem ist weniger die Form, es sind vielmehr diejenigen, die die Macht ausüben. Die meisten von uns werden wohl dankbar sein für die Demokratie, in der wir leben und die uns so viele Möglichkeiten bietet, für Gott tätig zu sein. Ein vollkommenes System ist Demokratie aber ebenfalls nicht, denn eine (oft nur geringe) Mehrheit drückt ihren Willen der (oft großen) Minderheit auf. Der „Brexit“ der Briten im Juni zeigt das drastisch: Für den unsinnigen Austritt aus der EU stimmten 52 % der Wähler, tatsächlich waren es aber nur 36 % der Wahlberechtigten, denn nur 70 % haben sich an der Wahl beteiligt. Die 64 %, die nicht für den Austritt waren, mussten das Ergebnis aber hinnehmen. Vor vielen Jahren las ich, der britische Kriegspremier Winston Churchill solle gesagt haben: „Um festzustellen, wie unsinnig Demokratie ist, braucht man sich nur zehn Minuten lang mit einem Mann von der Straße über Politik zu unterhalten.“ Und die Christen werden in keiner Demokratie je die Mehrheit erringen.

Was den Glauben der Menschen in unserem Land betrifft, so sind wir inzwischen schon dankbar, wenn bei Evangelisationen und Straßeneinsätzen berichtet werden kann: „Es konnten einige Gespräche geführt werden“ (ohne sichtbares Ergebnis). Verschwindend wenige Menschen sind bei uns am Evangelium interessiert.

In China übernahmen die Kommunisten unter Mao Zedong 1949 die Macht und bekämpften rigoros jede Art von Glauben; der Höhepunkt war dabei die „Kulturrevolution“ ab 1966. In all diesen Jahrzehnten hatte die kleine Minderheit der Christen besonders zu leiden. Inzwischen dürfte China aber das Land sein, das die höchste Zunahme an Christen aufzuweisen hat, immer noch unter einem, wenn auch gemäßigten, totalitärem Regime. Oft war das Evangelium im Laufe der Geschichte am stärksten wirksam, wenn es unterdrückt wurde.

Die vollkommene Staatsform wird es erst geben, wenn unser Herr Jesus Christus für tausend Jahre auf dieser Erde regieren wird. Möge Gott uns helfen, dass wir mit dem zweitletzten Vers der Bibel immer dringlicher beten: Amen, komm, Herr Jesus!

 

Fundstellen:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Politik
(2) http://www.spiegel.de/spiegel/ print/d-26383998.html

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