Gute Taten

Interview mit Martin Homberg

Was macht ihr in der Gefährdetenhilfe Kurswechsel?

Wir haben heute zwei Wohngemeinschaften für straffällig gewordene oder drogenabhängige junge Männer. In unserem Zweckbetrieb führen wir die Jungs wieder an ein geregeltes Arbeitsleben heran. In der JVA Willich (Frauengefängnis) und der JVA Iserlohn (Jugendknast) haben wir zwei seelsorgerliche Gesprächsgruppen. Für junge Leute veranstalten wir jeden Sonntagabend einen Jugendgottesdienst.

Gute Taten – dadurch wird doch niemand Christ – oder?

Ich glaube, das ist ein total falscher Ansatz. Gott fordert uns auf, Gutes zu tun. Aus Liebe zu den Menschen. Und Liebe ist immer bedingungslos. Sie fordert nicht. Erwartet nichts zurück. So hat uns ja auch Gott geliebt. Menschen merken schnell, ob sie nur unser Missionsobjekt sind oder ob es uns wirklich um den Menschen geht. Wenn sie unsere Liebe sehen, werden einige von ihnen hoffentlich auch Christ.

Wie reagieren Beobachter eurer Arbeit?

Für uns ist es sehr viel leichter geworden, mit Menschen über unseren Glauben zu reden. Weil wir durch unseren Dienst authentisch sind. Wenn ich z.B. erzähle, dass ich eine Familie mit 4 Kindern habe, mal Ingenieur war und wir jetzt als Missionare unser Leben mit Knackis und Drogis teilen und von Spendengeldern leben, hört jeder erst einmal zu. Wenn in unseren WG’s junge Christen ehrenamtlich mitarbeiten, ihr Zimmer mit einem Gefährdeten teilen und damit auf viele Freiheiten verzichten, dann wird der Glaube authentisch. Da fragen dann die Arbeitskollegen oder Studienkollegen nach oder kommen vorbei.

Kann Sozialarbeit nicht schnell zum Hauptzweck werden?

Wer die Geschichte großer Werke ansieht wird bemerken, dass die Gründer oftmals sehr hingegebene Christen waren, die ein stark missionarisches Anliegen hatten: zum Beispiel Johann Hinrich Wichern oder Friedrich Bodelschwingh. Aber über die Jahre und oft mit einer neuen Leitergeneration rückte die soziale Arbeit in den Mittelpunkt. Mission und Seelsorge sind nur noch Teilbereiche oder ganz verschwunden. Aber Jesus lehrte: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern vom Wort Gottes“ (Matthäus 4,4). Darum ist Diakonie immer auch Verkündigung und weist auf Jesus hin.

Wo siehst du die Herausforderung für die christliche Gemeinde, wenn es um Diakonie geht?

Manche soziale Arbeit des Staates fällt dem Rotstift zum Opfer. Hier sehe ich große Möglichkeiten für die Gemeinde. Hier sitzt ungeheuer viel Potential. Wir müssen neu kreativ werden und neu die Bibel lesen. Der Dienst an den „Armen, Witwen und Waisen“ stand immer ganz besonders unter dem Segen Gottes.

Was hindert uns, uns mehr diakonisch zu betätigen?

Wir müssen hingegebene Christen, die sich mit viel Einsatz und Leidensbereitschaft für ihre Mitmenschen engagieren, ermutigen und ihnen danken. Die Ich-Zentriertheit der Gesellschaft prägt auch Christen. Dienen ist nicht trendy. Auch fehlende Zeit spielt eine Rolle. Durch die veränderte Berufswelt sind die Männer oft total aufgefressen vom Job, viele Frauen durch ein verändertes Rollenbild wieder voll berufstätig. Manchmal geht das aus finanziellen Gründen nicht anders. Aber ist das wirklich immer so? Männer müssen lernen, dass weniger oft mehr ist. Beim Geld, aber auch in der Karriere. Ich denke, dass die Frage der Lebensgestaltung und der Prioritäten auch eine geistliche ist.

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