Gott sieht das Herz an (Stellenwert und Beurteilung sogenannter „Lobpreislieder“)

Mit großer Freude beobachten wir, dass bei Christen weltweit ein starkes Bedürfnis zu erkennen ist, Gott und Jesus Christus anzubeten, zu loben und zu preisen. Äußere Formen sind dabei durchaus unterschiedlich. Z. B. stehen in Großbritannien die Geschwister grundsätzlich zum Singen auf und bleiben bei den Gebeten sitzen. Manche Lieder werden in unseren Gemeinden sitzend, andere bewusst stehend gesungen. Dabei sieht Gott unser Herz und seine Haltung ihm gegenüber an.

Unsere Glaubensväter haben öfters Gedanken darüber geäußert, wen wir in unseren öffentlichen Gebeten anreden – Gott oder Jesus – und wie wir es tun. Das betrifft natürlich auch unser Liedgut – damals wie heute. 1936 wurde in „Geistliche Lieder“ erstmalig ein Lied aufgenommen, das den „König“ lobt: 152 „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“, wobei der Textzusammenhang klarlegt, dass hier Gott als König angeredet wird, wie es Paulus in 1Tim 1,17; 6,15 beschreibt. Erst 1993 folgte 451 „Wunderbarer König“, der dort als gütiger Vater gelobt wird. Aber 313 „Welch ein Freund ist unser Jesus“ war wegen des Schlusses noch lange Zeit umstritten: „… oh, so ist uns Jesus alles: König, Priester und Prophet“, weil Jesus doch nicht unser König sei.

Wir halten fest: Jesus bestätigt sich selbst in den Evangelien als König der Juden (Joh 18,37). Die neutestamentliche Gemeinde jedoch redet ihn nirgendwo als König an, sondern ausschließlich als Herrn. Paulus macht das sehr deutlich: Jesus Christus ist Herr (=kyrios), zur Ehre Gottes, des Vaters (Phil 2,11); und er beschränkt diesen Hoheitstitel allein auf Jesus im klaren Gegensatz zur Titulierung des Kaisers in Rom als kyrios.

Der Apostel Johannes setzt seinen Schwerpunkt ein wenig anders; er schreibt mit dem Ziel, „damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und durch den Glauben an ihn in seinem Namen das Leben habt“ (Joh 20,31). Der bedrängten Gemeinde gegenüber spricht er sogar von Jesus Christus als dem Fürsten der Könige der Erde (Offb 1,5) und trifft schließlich die pauschale Aussage: „Denn das Lamm ist Herr der Herren und König der Könige“ (Offb 17,14).

In unserer westlichen Kultur nehmen wir zur Kenntnis, dass selbst die schlichte Anrede „Herr“ im menschlichen Miteinander einen erheblichen Autoritätsverlust erlitten hat und nicht mehr als ein besonderer Hoheitstitel wie im Römischen Reich empfunden wird. Ähnlich ergeht es der im NT üblichen Anrede „Herr Jesus“ (Apg 7,59). Hier sucht man biblische Alternativen, die unseren Herrn unverändert hoch erhoben über jeden Namen erkennen lassen (Phil 2,9). Die Schreiber von neuen Liedern finden da eine reiche Palette an Beschreibungen: bei Johannes (s.o.); bei Matthäus: Jesus, Retter, Emmanuel (Mt 1,21.23); bei Jesaja (9,5): Der uns geschenkte Sohn wird der künftige Herrscher sein, wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedensfürst u. v. a. m. Alle diese Titel kommen im neueren Liedgut vor, wobei der Königstitel recht beliebt ist, drückt er doch Majestät aus und lässt sich besser betonen als das einsilbige Wort „Herr“. Ein praktisches Beispiel dazu: Im Lied „Zehntausend Gründe“ übersetzen David Hanheiser und David Schnitter die Passage „I’ll worship Your holy name“ ohne weiteres mit „und bete den König an“. Diese Übertragung entspricht tatsächlich ideal dem Rhythmus der Musik in der Anzahl und den Schwerpunkten der Silben. Wir haben mal eine genauere Übersetzung versucht, sind daran aber kläglich gescheitert.

Bei der Liedauswahl für die Glaubenslieder gingen wir von Anfang an bis heute davon aus, die vielen gewünschten Lieder nicht nach ihrer Herkunft zu qualifizieren, sondern umso intensiver vom Text her zu beurteilen. Dabei haben wir alle kritischen Rückfragen ernst genommen und gesondert geprüft.

Häufig wird bei modernen Lobpreisliedern die Gefahr einer zu starken Betonung des Gefühls angemahnt. Gefühle aber gehören zum Menschen und zur Musik. Geschichte ereignet sich nun fast immer in Gegenbewegungen; sie schaukelt von einer Richtung in die entgegengesetzte – häufig zeitgleich in Literatur, Baukunst und Musik. Verspielte Romantik schwenkt um in starke Nüchternheit und beide Richtungen pendeln sich schließlich in eine ausgewogene Mitte ein: die Zeit der Klassik. Danach beginnt wieder ein ähnlicher Prozess. Auch wir Christen sind nun mal jeweils Menschen unserer Zeit (Apg 17,26). Auf den gefühlsbetonten Mystiker Gerhard Tersteegen (1697-1769), s. GL 45 und 183, folgt die Periode der nüchternen Aufklärung mit z. B. Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769), GL 462, und dann die Zeit der Klassik mit u. a. Ernst Moritz Arndt (1769-1860), GL 230, und Philipp Spitta (1801-1859), GL 16 und 215. So auch heute. Die Gegenbewegung zu den gefühlsbetonten Liedern ist schon im Gange. Gerade die neuesten Liedschöpfungen, die wir aufgenommen haben, sind wieder deutlich kerniger als die aus den letzten 15 Jahren.

Die theologischen Fragen zum Reich Gottes wurden bedacht. Reich Gottes ist da, wo Christus herrscht. Sein Reich ist ein ewiges Reich, dichtet Carl Brockhaus (1822-1899), GL 29 nach Philipp Friedrich Hiller (1699-1769). Gott hat uns errettet und uns in das Reich seines Sohnes versetzt (Kol 1,13). Da ist sogar Christus in mir, die Hoffnung der Herrlichkeit (Kol 1,27).

Mit der Auswahl der rund 565 Glaubenslieder legen wir ein breites Spektrum vor, aus dem jede Gemeinde, jede Gruppe und jeder einzelne diejenigen Lieder finden möge, um Gott und unsern Herrn Jesus in Wahrheit zu loben und anzubeten.

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