Gastfreundschaft

Was ist von einem kurzen Beitrag zum Thema „Gastfreundschaft“ zu erwarten? Natürlich geht es um Gastgeber, mehr um sie, als um ihre Gäste. Ein Knigge für Gastgeber wird das dennoch nicht. Dafür fühlen sich andere zuständig und können es auch besser.

Hier geht es um andere Schwerpunkte. Zuerst um einen, der mit Gastfreundschaft gar nicht viel zu tun zu haben scheint und für den es auch keinen wirklich feststehenden Begriff gibt. Wir nennen ihn einmal Menschenliebe.

Menschenliebe

Das Wort kommt nur einmal im Neuen Testament vor. Im Brief an Titus kann man lesen, dass in Jesus Christus „die Güte und Menschenliebe“ von Gott, unserem Retter, sichtbar wurde. Es ist eine Haltung, die nicht nur einen Job erledigt, sondern Interesse an Menschen zeigt; es ist ein Menschen-zugewandt-Sein, eine Zuneigung, zu der er sich nicht überwinden muss, sondern die seine Natur ist.
Das mag einer der grundlegenden Unterschiede zwischen dem Herrn und den Pharisäern gewesen sein. Diese hatten Ehrfurcht vor den Geboten, aber wenig Liebe zu den Menschen, derentwegen es diese Gebote überhaupt gab.

Wir sehen bei ihnen, dass man durchaus um Frömmigkeit bemüht sein kann, ohne wirklich Interesse an Menschen zu haben. Das war nicht nur ein Problem vieler Pharisäer. Von Natur aus sind wir alle keine ausgeprägten Menschenfreunde, sondern eher auf uns selbst fokussiert. Es ist meist ein längerer Prozess, bis das Wesen des Herrn, der Einfluss seines Wortes und das Vorbild mancher Christen daran Grundlegendes verbessert. Man kann das Richtige tun, ohne es im Geist des Auftraggebers zu tun. Das kann auch das Thema Gastfreundschaft betreffen. Es geht um Menschen, denen wir als Gastgeber dienen. Wir wollen ihrem Körper Gutes tun, aber auch dem inneren Menschen. Eigentlich liegt die positive Intention schon im verwendeten Begriff: Wir reden von Gastfreundschaft, nicht von Gastbewirtung oder Gästebetrieb.

Spezielle Situationen

Es passiert ziemlich schnell, dass man in seiner Funktion als Gastgeber unsicher werden kann und trotz guter Absichten nicht die gewünschten Ziele erreicht. Deshalb ein paar Anregungen für drei konkretete Situationen:

Hauskreise

Der häusliche Rahmen ist ein vorzüglicher Ort für Gespräche über das Wort Gottes. Die überschaubare Größe sorgt für Nähe, Information und Anteilnahme, wie sie im Rahmen der Gemeinde gar nicht möglich sind. Nun braucht jeder Hauskreis ein Haus, in dem er stattfindet und damit Gastgeber. Gastgeber stehen vor der Frage, was stellt man Gästen, die zum Hauskreis kommen, auf den Tisch? Ist man ein schlechter Gastgeber, wenn man nur ein Getränk anbietet?

Nein, überhaupt nicht! Es gibt zwei gute Gründe:

  1. Wenn Hauskreise gleichzeitig geistliches und kulinarisches Ereignis sind, kann man die Tendenz beobachten, dass allmählich das „Fleisch den Geist erdrückt“. Kürzlich war ich gastweise in einem sehr netten Hauskreis, der mit einem leckeren Essen begann. Appetit hatten alle mitgebracht, aber keiner hatte eine Bibel dabei.
  2. Gerade bei rotierenden Hauskreisen gibt es irgendwann fast Furcht, Gastgeber sein zu müssen, denn man will ja nicht hinter den anderen Gastgebern zurückstehen. Deshalb: Hauskreise brauchen freundliche Gastgeber, aber kein Menü.

Große familiäre Netzwerke

Es gibt manche Gemeinden, die ohne große Familienverbände gar nicht denkbar wären. Den gleichen Nachnahmen findet man an etlichen Haustüren, fast alle sind irgendwie miteinander verwandt. Und wenn sie sich gut verstehen, dann gibt es viel zu feiern: Geburtstage, Hochzeiten und sonstige Jubiläen. Gastfreundschaft ist nahezu selbstverständlich und wird eifrig gepflegt. Dagegen ist gar nichts einzuwenden, aber … wer nicht zu dieser großen Sippe gehört, kann leicht den Eindruck haben, „nicht dazuzugehören“. Neue Geschwister, Singles und Geschwister, deren Angehörige nicht gläubig sind, bleiben außen vor. Es ist eine Gastfreundschaft, die sich in einem geschlossenen Kreis von „Einladen“ und „Eingeladen werden“ bewegt. Damit ist das Wesen christlicher Gastfreundschaft nicht ausgeschöpft. Was tun, bei so viel Verwandtschaft?

Wir haben es schon so gemacht: Bei bestimmten Anlässen die „üblichen Gäste“ informiert, dass wir diesmal nur Leute einladen, die nicht in familiären Netzwerken zu Hause sind. Das gefährdet nicht den Familienfrieden und ist für manche andere ein großes Glück.

Ein Reisebruder als Gast

Dieser kleine Beitrag ist eine gute Gelegenheit, als Betroffener zu schreiben. Wir (es geht anderen wahrscheinlich genauso) erleben sehr nette, herzliche Gastgeber, die den Aufenthalt möglichst angenehm gestalten wollen. Meist sind damit auch Besuche und Mahlzeiten in anderen Familien verbunden – es ist ja auch schön, Geschwister kennenzulernen, alte Verbindungen zu vertiefen, miteinander zu essen, zu reden und zu beten.

Früher war es fast die Regel, dass Reisebrüder jeden Tag Sonntag hatten – jedenfalls im Blick auf die Mahlzeiten. Das ist nicht mehr so ausgeprägt, dennoch hier die Anregung: Es kann durchaus „normal“ zugehen. Reisebrüder brauchen nichts anderes als jede normale Familie. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Sie haben im Durchschnitt schon Übergewicht.
  2. Sie sind in der Gemeinde einfach „auf Arbeit“ und nicht im Urlaub.
  3. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass nur die beste Küche als Gastgeber geeignet ist.

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