Es knirscht im Getriebe (Fallstudie)

Egon (68, Ex-Manager, 11 Enkel) und Michael (62, Beamter, 2 erwachsene Kinder) leiten gemeinsam mit Lukas (35, Schreiner, 4 Kinder) und Daniel (43, Ingenieur, 3 Kinder) seit mehreren Jahren die Christliche Gemeinde in Nordstadt. Mit ihren mittlerweile 110 Gliedern wünschten sie sich eigentlich dringend Ergänzung durch weitere Älteste oder aber einen Kreis von Diakonen, aber soweit ist man noch nicht. Vieles im Gemeindeleben läuft gut. Gottesdienst, Predigten, Hauskreise, Kinder-, Jugend-, Frauen- und Seniorenaktivitäten – viele Mitarbeiter packen mit an. Gelegentlich kommen sogar neue Leute zum Glauben, dafür ist man sehr dankbar.

Allerdings kommt in letzter Zeit immer häufiger auch Unzufriedenheit in der Gemeinde auf. Einzelne reden von „Reformstau“, andere bemängeln, dass „man gar nichts mitbekommt“, schon gar nicht, was „die da oben“ so denken. Lukas und Daniel bekommen das von den jüngeren Geschwistern schon mal gespiegelt – einige nehmen da kein Blatt vor den Mund. Und sie versuchen, die Betreffenden zu beruhigen, denn über einige der angesprochenen Themen denken sie als Älteste bereits nach. Sie sind sich allerdings unschlüssig, wieviel sie schon „verraten“ dürfen, denn Unausgegorenes wollen sie ja nicht streuen, und die älteren Kollegen tendieren eher zu Entscheidungen im kleinen Kreis – was ja manchmal auch Vorteile hat.

Egon und Michael bekommen ihrerseits von älteren Geschwistern gelegentlich Bemerkungen über angeblich „anmaßende“ und „lebensfremde“ Predigten der jüngeren Männer, auch von Lukas und Daniel, gesteckt. Sie versuchen, Verständnis zu wecken und um Geduld „mit der jungen Generation“ zu werben. Zu zweit haben sie mal darüber geredet, wie man den beiden Jüngeren diese Kritik beibringen könnte – aber sie scheuen sich etwas vor diesem Thema aus Angst vor der Gegenkritik. Auch wenn sich Lukas und Daniel damit zurückhalten, aber die ein oder andere Bemerkung hat schon verraten, dass sie – und mit ihnen manche aus der jungen, gebildeten Schicht der Gemeindeglieder – über die Qualität mancher Beiträge von altgedienten Prediger-Brüdern nicht wirklich glücklich sind.

Letztes Wochenende war dann einiges ziemlich schief gelaufen. Beim Samstags-Gemeinde-Seminar hatte der auswärtige Redner nebenbei erwähnt, dass er sich sehr über das Nachdenken zum Thema Diakonen-Einsetzung in dieser Gemeinde freuen würde. Er schien die wortlosen Reaktionen, die seine Bemerkung auslöste, nicht zu bemerken, aber anschließend in der Küche, im Foyer und auf der Herrentoilette ging es heftig zur Sache. Einige Geschwister regten sich nur wenig gedämpft darüber auf, wie hier „mal wieder“ andere mehr wüssten als sie, die es eigentlich zunächst mal betreffen würde. Ein Wort gab das andere, und den Beschwichtigern gingen die Argumente aus. Als Egon sich endlich aus seinem Gespräch mit dem Seminarleiter löste und ins Foyer kam, breitete sich dort eine unangenehme Stille aus. Manfred, der vorher das große Wort geschwungen hatte, konnte nun nicht umhin, seinem Unmut auch Egon gegenüber Ausdruck zu verleihen. Immer mehr redete er sich in Rage, die Vorwürfe betrafen längst nicht mehr nur die Diakonen-Frage. Irgendwann hatte Egon dann genug. Er schnitt Manfred das Wort ab mit der scharfen Bemerkung, wenn Leute wie er, Manfred, endlich ihre Gaben nutzen und Leitungsverantwortung übernehmen würden, dann hätten so „Versager“, wie er selber scheinbar einer sei, sich schon längst vom Ältestendienst verabschieden können. Damit war er dann gegangen und auch am Sonntag nicht wieder aufgetaucht.

Nun sitzen die vier beim regulären Ältestentreffen am Mittwoch zusammen. Alle sind geschockt und wissen gar nicht genau, wo sie nun anfangen sollen. Zum Tagesgeschäft übergehen geht nicht. Irgendwie muss die aktuelle Konfliktsituation gelöst werden. Aber sie merken, es geht nicht nur um diesen Anlass, sondern auch um die Fragen, die dazu geführt haben. Nach einer Zeit des Gebets schlägt Daniel vor, auf einem Blatt Papier die Fragen zu sammeln, die sich ihnen jetzt stellen sollten.

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Diese Fallstudie wurde frei konstruiert aus Elementen, die sich leider in nicht nur einer Gemeinde finden. Leitungs- oder Mitarbeiterkreise könnten sie als neutralen Rahmen nutzen, um gemeinsam über wichtige Fragen und Prinzipien auch für ihr eigenes Gemeindeleben nachzudenken.

Vorschlag:

  • Die Teilnehmer sammeln die Fragen und Themen, die sich aus der beschriebenen Situation ergeben. Worüber sollte man in solch einer Situation alles nachdenken?
    Beispiele:
    Gute Kommunikation – was brauchen wir da charakterlich? Und handwerklich?
    Vertrauen – wie können wir das fördern? Zwischen der Gemeinde und uns – und unter uns?
    Fehlverhalten – wir wollen wir damit umgehen, bei Geschwistern und bei uns selber? Wie erreichen wir das Herz?
    Was, wenn wir selber kritisiert oder angegriffen werden oder die Geschwister eine andere Meinung haben?
  • Wenn man sich einen ganzen Tag oder eine Klausur lang Zeit nehmen kann, könnten die einzelnen Fragen in kleineren Gruppen angedacht, dann im Plenum vorgestellt und gemeinsam diskutiert werden.
  • Man könnte auch jeweils ein Thema in den kommenden Monatsbesprechungen aufgreifen. Sinnvoll wäre die Vorbereitung durch 1-3 Teilnehmer, die dann ihre Ergebnisse präsentieren und das Nachdenken darüber leiten.
  • In jedem Fall sollten die Ergebnisse des gemeinsamen Nachdenkens mitgeschrieben und konkrete Schritte besprochen werden, wie die gewonnenen Erkenntnisse im Gemeindealltag umgesetzt werden sollen. Wenn jetzt nichts passiert, ist der Frust am Ende noch größer als er vorher schon war.

Fallstudie – Es knirscht im Getriebe als pdf

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