Es entstand ein Murren…

Die Gemeinde in Jerusalem hatte ein gewaltiges Wachstum, Tausende von wiedergeborenen Menschen wurden in kürzester Zeit vom Herrn „hinzugetan“. Dieses Wachstum löste allerdings nicht nur Freude aus. „Als die Jünger sich mehrten“, entstand „ein Murren“ (Apg 6,1). Bei der Versorgung der Witwen, einem diakonischen Dienst, zeigten sich Spannungen. Die eingesessene Gruppe der „Hebräer“ (Christen aus Jerusalem und Judäa) hatte den besseren Zugriff auf die Versorgung, so dass die „Hellenisten“ (griechisch sprechende bekehrte Juden aus anderen Ländern) zu kurz kamen.

Wie hätten wir reagiert? Die weniger Engagierten hätten das Problem wohl auf die lange Bank geschoben, wären davon ausgegangen, dass sich „das legt“. Andere hätten eine Serie von Predigten über „das Miteinander in der Gemeinde“ oder „die christliche Demut“ begonnen. Andere wieder hätten darauf gesetzt, dass der Heilige Geist den Einzelnen die richtige Anweisung gibt. Und schließlich hätten manche festgestellt: „Die Gemeinde ist zu groß. Sie muss geteilt werden.“

Die Apostel reagieren anders. Sie erkennen, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt, das prinzipiell gelöst werden muss. Die Art ihrer Lösung erscheint mir beispielhaft für uns zu sein (Apg 6,1-7). Sie erfolgt:

… schnell

Die Apostel lassen sich keinen Augenblick Zeit. Nachdem das Problem erkannt ist, wird die Lösung erarbeitet.

… problem- + bedürfnisorientiert

Ihre Lösung ist streng auf das eine Problem oder Bedürfnis bezogen. Dazu gehört, dass die Apostel ihre eigenen Ziele und Grenzen erkennen und deshalb Aufgaben auf andere Mitarbeiter delegieren.

… praxisorientiert

Sie geben eine direkt umsetzbare Lösung an, die alle Chancen hat, sich zu bewähren. Bei uns stehen am Ende unserer Diskussionen gelegentlich „faule“ Kompromisse, die sich nur schwer ohne neue Konflikte umsetzen lassen.

… mitarbeiterorientiert

Ihre Problemlösung besteht praktisch in Mitarbeitern, die in diese Aufgabe berufen werden. Wir würden in vielem besser zurechtkommen, wenn wir uns zuerst nach begabten Menschen „umsehen“ würden (V. 3) oder solche Mitarbeiter gezielt schulen und entwickeln würden.

… gruppenorientiert

Offensichtlich bestand die Gemeinde schon damals aus verschiedenen Gruppen und Aufgaben. Hier geht es um die Gruppe der Witwen und den Dienst ihrer Versorgung. Und Apostel sehen ihre Verantwortung. Auch heute besteht eine lebendige Gemeinde aus vielen Gruppen und Aktivitäten, für die letztlich die Ältesten verantwortlich sind.

… gemeindeorientiert

Die Apostel hätten die Autorität besessen, allein zu entscheiden, wer die Aufgabe wahrnehmen soll. Sie überlassen aber die Auswahl der Männer den „Brüdern“ (V. 3). Allerdings geben sie ihnen geistliche Kriterien zur Auswahl an die Hand („sieben Männer von gutem Zeugnis, voll Geist und Weisheit“, vgl. 1. Tim 3,8-13). Die Verantwortung als Ältester wahrzunehmen, bedeutet nicht, dass man jede Sache bis in die kleinste Einzelheit selbst regelt. Wer mitarbeitet, soll auch mitentscheiden. Und die Brüder haben offensichtlich eine sehr weise Entscheidung getroffen: Die Namen der ausgesuchten Männer sind alle griechischen Ursprungs, so dass man annehmen kann, dass die benachteiligte Gruppe der „Hellenisten“ stärker berücksichtigt wurde.

… gabenorientiert

Die Lehre von den Gnadengaben war noch nicht entwickelt. Trotzdem sollen für diese scheinbar so einfache Aufgabe Männer „voll Heiligen Geistes und Weisheit“ ausgewählt werden. Die Gabe der Weisheit war für die kluge Verwaltung der Gelder und den angemessenen Umgang mit den alten Menschen nötig.

… aufgabenorientiert

Die Apostel bezeichnen die Tätigkeit der Männer mit „dieses Geschäft“ (V. 3) oder „dieses Bedürfnis“. Ihre Aufgabe ist klar umrissen, ihre Tätigkeiten aber nicht bis ins Einzelne beschrieben.

… autoritätsorientiert

Obwohl die Apostel die Auswahl der Verantwortlichen den „Brüdern“ überlassen haben, haben doch sie die Kriterien festgelegt und dann schließlich die ausgesuchten Männer durch Gebet und Handauflegung bestätigt und bevollmächtigt (V. 5). Damit haben sie demonstriert, wer die letzte Verantwortung trägt.

… wachstumsorientiert

„Und das Wort Gottes wuchs …“ (V. 7). Dieser neue Wachstumsschub scheint das Ergebnis der strukturellen Beseitigung des Ärgernisses bei der Versorgung der Witwen zu sein.

Strukturen in der Gemeinde

Aus dem Problem der Jerusalemer Gemeinde können wir eine Menge über die Bedeutung von Strukturen in der Gemeinde lernen, zum Beispiel:

  • dass strukturelle Mängel Wachstum in einer Gemeinde behindern können.
  • dass Strukturen sich den Zielen anpassen müssen. Das neue Testament redet viel von Zielen und nur wenig von Strukturen. Wenn wir dagegen Strukturen vorgeben, könnten wir die Ziele aus dem Auge verlieren.
  • dass man umso mehr auf strukturelle Fragen achten muss, je vielfältiger die Gruppen und Aufgaben in einer Gemeinde  sind. Allerdings müssen wir eine Vielfalt von Aufgaben bewältigen, wenn wir viel bewegen wollen.
  • dass strukturelle Mängel durch begabte Männer und Frauen beseitigt werden können, die über bestimmte Aufgaben „bestellt“ sind. Das vermeidet Engpässe und Spannungen in der Arbeit sowie die Überlastung Verantwortlicher.

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