Ein kleiner Fehltritt? (Vom Wesen der Sünde und ihrer Auswirkung)

„Wir sind alle kleine Sünderlein …“ – 1972 wurde dieser „Schlager“ populär (1). Seitdem ziehen viele den Text zur Rechtfertigung eigenen Denkens und Handelns heran: „… ’s war immer so. Der Herrgott wird es uns bestimmt verzeih’n, ’s war immer, immer so“. Es ist gängige Meinung, dass jeder Mensch „nur ein kleiner Sünder“ ist, und was alle schon immer getan haben und tun, wird ja wohl nicht so schlimm sein.

Viele Wortverbindungen sind uns geläufig, z. B. Erbsünde, Bausünden, Sündenregister, Steuersünder, Verkehrssünder, sündhaft (teuer), Sündenbabel, (im Genuss) sündigen, Jugendsünde, Umweltsünde, Todsünde. Die Liste ließe sich fortsetzen. Die meisten dieser Begriffe aber haben zur Folge, dass die eigentliche Bedeutung und Auswirkung des Grundwortes „Sünde“ verblasst.

Die Herkunft des Wortes „Sünde“ ist ungewiss. Als Lehnwort gelangte es wohl erstmals mit dem Christentum in den Wortschatz der germanischen Sprachen (2) und ist seit dem 8. Jahrhundert bekannt.

Sünde – ihr Wesen

Vergehen, Übertretung, Delikt, Fehler, Fehltritt, Verfehlung, Zielverfehlung … – Wörter, die gleichbedeutend oder sinnverwandt und uns allen vertraut sind. Die Bedeutung der Wörter lässt erkennen, dass wir durch unser Verhalten schuldig werden. Doch an wem eigentlich? Sofort fallen uns zwischenmenschliche Beziehungen ein. Denn hier, im Miteinander in Ehe, Familie, Schule, Beruf, unter Gläubigen wird die Folge des Fehlverhaltens offensichtlich. Aber die „horizontale Ebene“ greift zu kurz – die vertikale Richtung ist wichtiger, denn dort liegt letztlich das ursächliche Motiv für unseren Fehler, die Sünde.

Die Sünde richtet sich in erster Linie nicht gegen den Mitmenschen, sondern gegen Gott. Zitate aus AT und NT belegen das:

  • David: „… gegen dich allein habe ich gesündigt …“ (Ps 51,6).
  • Juda und Jerusalem: „… zahlreich sind unsere Treulosigkeiten; gegen dich haben wir gesündigt“ (Jer 14,7).
  • Israel klagt: „Das Zürnen des HERRN will ich tragen – denn ich habe gegen ihn gesündigt …“ (Mi 7,9).
  • Der heimkehrende Sohn spricht zum Vater: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir …“ (Lk 15,21).

Der Grundsatz hat sich nicht geändert: Sünde trifft immer zuerst unsere Beziehung zu dem lebendigen Gott. Seine Ordnungen und Anweisungen werden von uns nicht befolgt. Sünden sind also Gedanken und Taten, die Menschen begehen und die nicht dem Willen Gottes entsprechen. Die Sünde bewirkt Trennung zwischen dem lebendigen Gott und dem Menschen. Dabei spielt keine Rolle, wie groß oder klein die Sünde auch sein mag: „Jede Ungerechtigkeit ist Sünde …“ (1Jo 5,17).

Für Israel war es noch persönlicher, „intimer“: Die Beziehung zu dem lebendigen Gott war wie eine Ehe, und sich von ihm abzuwenden bedeutete, die Ehe zu brechen (vgl. Hes 23,37 und Jer 3,8).

Sünde – ihr Ursprung

„Für den christlichen Glauben ist Sünde zuerst die grundsätzliche Entfremdung vom Geber des Lebens. Eine Beziehungsstörung zwischen mir und dem Grund meines Lebens, sodass ich insgesamt in meiner ganzen Existenz fehl laufe, fehlorientiert bin, in die falsche Richtung gehe.“ (3)

Zunächst ist da die vertraute Gemeinschaft zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer. Der Mensch befolgt die gute, von Gott gegebene Ordnung. Doch die Beziehung wird bald gestört: Der Mensch erliegt der Verführung (1Mo 3). Er ist bereit, sich verführen zu lassen, denn der Gehorsam Gott gegenüber hat plötzlich keine absolute Priorität mehr in seinem Leben – es bekommt eine andere Orientierung – im Grunde die, „sich selbst zu verwirklichen“, zu fragen: Was habe ich davon?

Sünde – ihre Auswirkungen

Die Folgen sind unausweichlich und schrecklich: die „rote Karte“, der Ausschluss aus der Gemeinschaft mit dem Schöpfer. Das bedeutet Trennung von Gott, die sich bis heute fortsetzt (s. Röm 5,12) und der sich kein einziger entziehen kann. Die Sünde bestimmt unser menschliches Leben, das nun gekennzeichnet ist von Kampf, Not, Sterben und Gottesferne. Der Lohn für jede (noch so kleine) Sünde ist der Tod (s. Röm 6,23).

Der Bericht von den ersten Menschen macht exemplarisch deutlich, dass wir Menschen auf der Flucht sind. Es ist die Flucht vor dem letzten, schrecklichsten Eingeständnis, dass wir nicht nackt, sondern ungehorsam, dass wir nicht elend, sondern schuldig sind vor dem lebendigen Gott. Da hilft nur eins: die Lebensrichtung zu ändern!

 

Fußnoten:

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/ am 08.04.2018
  2. Vergleiche https://de.wikipedia.org/wiki/ S%C3%BCnde#Etymologie vom 16.04.2018 und https://de.wiktionary.org/wiki/S%C3%BCnde vom 02.04.2018; s. a. DUDEN Herkunftswörterbuch, Mannheim 2001
  3. Zitiert nach Andreas Malessa in: http://www.deutschlandfunkkultur.de/was-ist-eine-suende.1278.de.print?dram:article_id=192608 vom 02.04.2018

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