„Ehre, wem Ehre gebührt“

Der Ehrbegriff fristet in unserer Gesellschaft ein recht kümmerliches Dasein. Teilweise hält man ihn für antiquiert, d. h. nicht mehr zeitgemäß, und andererseits gilt er durch sträflichen Missbrauch in der Ära der Zeit von 1933- 1945 als immens belastet. Obwohl seine sprachliche Herkunft „ere“ (mittelhochdeutsch) und „era“ (althochdeutsch) den Gedanken der Ehrfurcht aufgrund eines offenbaren und sittlichen Wertes in den Mittelpunkt stellen.

Von daher trifft der Ehrbegriff mehrheitlich auf eine Person von wesentlich höherem Alter oder Rang zu, die diesen Ansprüchen in größtmöglicher Ausstrahlung und erkennbarer Darstellung genügt. Einer Person, die in ihrem Handeln kaum den kleinsten Makel einer Ungerechtigkeit bzw. Undurchsichtigkeit in sich birgt. Sie lässt eine absolut lautere Gesinnung in ihrer schöpferischen Autorität erkennen. Alles in allem eine Person, deren Integrität von allen menschlichen, durch die Sünde hervorgerufenen Schwächen und Makeln in ihrer Unberührtheit meilenweit entfernt ist. Eine Erhabenheit, die kein Mensch auf dieser Erde, ob in exponierter Stellung oder in schlichter täglicher Pflichterfüllung, für sich in Anspruch nehmen könnte. Eine Person, deren Würde dadurch gekennzeichnet ist, dass sie selbst in einem für alle Sünde und menschlichem Versagen „unzugänglichem Licht“ ihr ureigenes Zuhause hat. Von daher offenbaren alle Wesensäußerungen und Handlungen eine respektvolle Souveränität, für die es auf dieser Erde keine Vergleiche gibt. Es ist absolut müßig, solche zu suchen. Also: „Ehre, wem Ehre gebührt.“ Wem gebührt aber diese Ehre?

C. F. Gellert hat in seinem Danklied die gebührende Antwort gegeben:

„Du (Gott) bist‘s, dem Ruhm und Ehre gebühret;
und Ruhm und Ehre bring ich dir.
Du, Herr, hast stets mein Schicksal regieret,
und deine Hand war über mir.“
„Vergiss nicht deines Gottes, o Seele!
Vergiss nicht, was er dir getan.
Verehr und halte seine Befehle,
und bet ihn durch Gehorsam an.“

Bevor ein Mensch zu dieser Sichtweise kommen kann, bedarf es einer Umkehr zu dem lebendigen Gott und einer Öffnung der bisher durch die Sünde gehaltenen Augen für die Herrlichkeit und Autorität dieses unvergleichlichen Gottes, der sich in Jesus Christus uns Menschen geoffenbart hat. Erst dann kann es zu einer Äußerung kommen, wie David sie im 86. Psalm (V. 12) zum Ausdruck bringt: „Ich danke dir, Herr, mein Gott, von ganzem Herzen und ehre deinen Namen ewiglich“ (LU).

Die unumschränkte Handlungsweise unseres Gottes und seine Erhabenheit lassen den wiedergeborenen Menschen erkennen, wie der gewaltige Gott sich in seinem Sohn zu den Menschen herabneigt und offenbart. „Du bist würdig, unser Herr und Gott, die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht zu nehmen, denn du hast alle Dinge erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen worden“ (Offb 4,12).

Die angemessene Weise, diesem Schöpfer und zu unserem Heil handelnden Gott zu begegnen, ist Demut. „Der Ehre geht Demut voraus“ (Spr 15,33). Nur aus dieser Haltung erwächst Hochachtung, Verehrung und Ehrerbietung in Wort und Handlungen und angemessenem Erscheinungsbild. „Gebt dem Herrn die Ehre seines Namens! Bringt Speisopfer und kommt vor sein Angesicht! Betet den Herrn an in heiliger Pracht!” (1Chr 16,29).

Der Ehre geht Demut voraus

Bei aller geschenkter Nähe bleibt dennoch ein gebührender Abstand zu dem, der auf dem Thron seinen unumschränkten Platz hat. Der in demütiger Haltung anbetende Mensch, der willens ist, Gott durch sein Leben und durch sein Gebet/Reden zu ehren, wird auf jede billige Sprache und plumpe unehrenhafte Vertraulichkeit gern verzichten. Huldigung bzw. Anbetung Gottes ist stets untrennbar mit gelebter Unterwürfigkeit und demütiger Anerkennung verbunden. Sie ist gekennzeichnet durch Respekt, Bewunderung und Hochachtung, aber eben auch mit der aus seinen Eigenschaften hervorgehenden ehrfurchtsvollen Scheu. Dadurch entsteht ein Verhalten in allen Bereichen des Lebens, das dem Ehre gibt, der sie allein beanspruchen darf (Joh 5,44). Es ist gleichsam der Ehrenkodex eines begnadigten Sünders, „in Neuheit des Lebens zu wandeln“ und damit Gott zu ehren.

Dabei geht es nicht um floskelhaft Ausgesprochenes bzw. Angelerntes, sondern um die Äußerung eines IHM hingegebenen Herzens (Spr 23,26 und Jes 29,13). In Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ führt er im 13. Abschnitt aus: „Hier siehst du aber, aus welchem Grund dem Glauben zu recht so viel zugeschrieben wird, dass er alle Gebote erfüllt und ohne alle Werke gerecht macht. Denn du siehst hier, dass er allein das erste Gebot erfüllt, in dem geboten wird: Du sollst den einen Gott ehren. Das ist (kann) niemand anders als der Glaube des Herzens.“

In dieser Gesinnung und Glauben lebte einer der größten Tonkünstler des Barockzeitalters, Johann Sebastian Bach, der seine ihm geschenkte Gabe „ad majorem gloriam deo“ zur höheren bzw. zur größeren Ehre Gottes einsetzte. Aber selbst sein sicher redliches Bemühen reicht nicht an den vollendeten Gehorsam des Sohnes Gottes und an seine in allem tadellose Lebensführung heran, der bei allen Aufträgen und Plänen seines Vaters mit Fug und Recht aussprechen konnte: „Ich ehre meinen Vater“ (Joh 8,49). Welch ein nachahmenswertes Vorbild!

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