Durch welche Gaben wirkt der Heilige Geist heute?

Wir finden in der heiligen Schrift rund zwanzig benannte geistliche Gaben. Das Wort „Gnadengabe“ (charisma) ist eng verwandt mit dem Wort „Gnade“ („charis“). Eine geistliche Gabe ist demnach immer auf Gnade zurückzuführen. Für den Apostel Paulus war es selbstverständlich, dass allen Gliedern des Leibes Christi Gaben verliehen sind, die sich jedoch nach der ihnen gegebenen Gnade unterscheiden. Diese Gaben werden samt der dazu erforderlichen Gnade bei der Bekehrung gegeben und dienen zum Nutzen der Versammlung des lebendigen Gottes, welche der Leib Christi ist. Im Gegensatz zu natürlichen Talenten und zu selbst erlernten Fertigkeiten ist die Quelle aller geistlichen Gaben ausschließlich Gott selbst. Er weiß, was der Leib Christi braucht und was jeden einzelnen Gläubigen am besten zum Dienst befähigt. Dieses Bewusstsein sollte uns demütig machen, weil nichts aus uns kommt und wir dennoch das Vorrecht haben, Werkzeuge dieser göttlichen Gnadenwirkung zu sein. Geistliche Gaben sind nach dem Willen Gottes im Blick auf ihren Umfang und ihre Dauer begrenzt. Die Bibel lehrt, dass Gläubige, die Zeitgenossen Christi waren, gewisse wunderbare Gaben des Geistes bekamen, die die nachfolgende Generation nicht aufzuweisen hatte (Hebr 2,3.4). Jede Gabe muss nicht in jeder Generation der Geschichte der Gemeinde auftreten. So ist beispielsweise die Gabe des Apostels, die den Jüngern und Paulus gegeben wurde, ein Geschenk an die ganze Gemeinde aller Generationen. Wir haben noch heute den Nutzen dieser Gabe, die im ersten Jahrhundert gegeben wurde.

Es gibt Geistesgaben, die heute im Allgemeinen nicht mehr gegeben sind. Dazu zählen:

Das Wort der Weisheit und das Wort der Erkenntnis (1Kor 12,8)

Diese beiden Gaben wirkten in den frühen Tagen der Gemeinde, als das Neue Testament, und damit der Kanon der Heiligen Schrift, noch nicht vollendet war. Es bedurfte in dieser Zeit Menschen, die von Gott befähigt waren, sich zu tieferen Einsichten oder zur Lösung eines geistlichen Problems so zu äußern, wie es der Geist Gottes ihnen offenbarte. Dabei meint „Erkenntnis“ nicht das, was man durch Studium gewinnt, sondern einfach das, was göttlich vermittelt wurde (Apg 5,3.4). Gott gebrauchte diese beiden Gaben, um Menschen Informationen zu geben, die sie auf keine andere Weise erhalten konnten. Gewiss sind Worte der Weisheit und der Erkenntnis noch immer vonnöten, doch können wir dazu heute aus dem vollendeten Kanon der heiligen Schrift schöpfen. Ganz sicher müssen „Äußerungen der Weisheit“ und „Äußerungen der Erkenntnis“ heute immer noch durch den Geist Gottes geleitet sein, doch als eine Geistesgabe im eigentlichen Sinne sind sie dann nicht zu werten.

Glauben (1Kor 12,9)

Diese Gabe schenkte den besonderen Glauben, der nötig war, um die Gaben der Heilungen und der Wunderwirkungen ausüben zu können. Es geht hier nicht um den rettenden Glauben oder den Glauben, den wir täglich leben und auch nicht um das glaubende Vertrauen, das wir täglich brauchen. Diese Gabe wurde souverän von Gott übermittelt. Sie war nötig, um die oben erwähnten Gaben auszuüben.

Gnadengaben der Heilungen (1Kor 12,9. 28.29)

Diese Gnadengaben in ihrer Fülle, Verschiedenheit und Überzeugungskraft wirken heute nicht mehr wie in den Tagen des Herrn und seiner Apostel. Als diese Zeit vorüber war, schwand auch diese Gnadengabe. Man heilte nicht mit apostolischer Vollmacht den Dorn im Fleisch des Paulus, den kranken Magen des Timotheus, die Krankheiten des Trophimus und Epaphroditus. Nach Jak.5,13ff soll kein Bruder mit „Gnadengaben der Heilungen“ gerufen werden, sondern die Ältesten, weil hier Sünde eine Rolle spielt. Den Ältesten war als Gruppe eine solche Gabe nicht verliehen worden. Es ist ausdrücklich zu betonen, dass Gott heute immer noch heilen kann und das auch tut. Aber das geschieht nicht mehr durch an bestimmte Personen gebundene „Gnadengaben der Heilungen“. Gott erhört Gebete und Bitten um Heilung nach seinem Willen und Wohlgefallen. Damals zeigte er durch diese Gnadengaben der Heilungen, dass das neue Werk von Gott war.

Wunderwirkungen, Wunderkräfte (1Kor 12,10.28.29)

Diese Gabe ist zu unterscheiden von der erwähnten Gabe der Heilungen; auch sie steht im Plural. Sie wurde im Dienst des Herrn sichtbar, als er Wasser in Wein verwandelte (Joh 2), 5.000 Menschen speiste (Joh 6) und den Sturm stillte (Mk 4). Aber auch im Dienst der Apostel wurden solche Wunder gewirkt, etwa bei der Auferweckung der Dorkas (Apg 9), als Elymas mit Blindheit geschlagen wurde (Apg 13), bei der Auferweckung des Eutychus (Apg 20) und bei verschiedenen Wundern, die die Apostel bewirkten (Apg 9,11).

Prophezeiung, Weissagung, Propheten (Rö 12,6; 1Kor 12,10.28.29)

Diese Gabe war grundlegend in ihrem Charakter. Ein Prophet sprach infolge einer direkten Offenbarung Gottes in der Kraft des Geistes Gottes und gab so Gottes Gedanken für die damalige Zeit wieder. Das konnte sich auf eine grundsätzliche Lehre oder auf eine spezielle Situation beziehen. Propheten in diesem Sinne gibt es heute nicht mehr. Durch die Vollendung der Heiligen Schrift ist jede Behauptung bestimmter christlicher Gruppen, Propheten zu haben, durch die Gott sich noch offenbaren würde, einer Leugnung der vollständigen Offenbarung Gottes in der Bibel gleichzusetzen. 2Petr 2,1 lässt darauf schließen, dass die Lehrer die Stelle der Propheten eingenommen haben.

Unterscheidungen der Geister (1Kor 12,10)

Diese Gabe war nötig, um den Geist hinter einer Botschaft wahrnehmen zu können, wenn sie allen echt zu sein und die Botschaft der Wahrheit zu entsprechen schien. Ein Beispiel finden wir in Apg 16,16-18, wo eine Frau wiederholt im Blick auf den Apostel Paulus und seine Mitarbeiter ausrief: „Diese Menschen sind Knechte Gottes, des Höchsten, die euch den Weg des Heils verkündigen“. Was sie sagte, war richtig, doch steckte ein böser Wahrsagergeist dahinter. Paulus erkannte, dass diese Frau besessen war. Heute haben wir den Maßstab der Bibel. An ihr können wir prüfen, ob ein Geist aus Gott spricht oder nicht. Da wir heute alle zu prüfen haben, ob die Geister aus Gott sind (1Jo 4,1), handelt es sich hierbei nicht um eine speziell vergebene Geistesgabe im eigentlichen Sinne.

Arten von Sprachen (1Kor 12,10.28.30)

Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um natürliche Sprachen handelt. In Mk 16,17 spricht der Herr Jesus von den Zeichen, die dem Glaubenden folgen werden. Da heißt es u. a.: „Sie werden in neuen Sprachen (Zungen) reden.“ Das muss nicht zwangsläufig „neu“ im Sinne einer zeitlich neuen Sprache bedeuten. Es bedeutet eher „neu“ für den Sprecher. Wer diese Gabe ausübte, redete in einer real existierenden Sprache, die sich von seiner natürlichen oder später erlernten unterschied. „Arten von Sprachen“ deutet an, dass der Betreffende in mehr als einer Sprache sprechen konnte. Eng mit dieser Gabe hing die Gabe der Auslegung der Sprachen zusammen.

Auslegung der Sprachen (1Kor 12,10.30)

Da dies auch eine geistliche Gabe war, kann es sich hierbei nicht um rein sprachliche Fähigkeiten eines anwesenden Bruders handeln, die ihn befähigten, das Gesagte zu übersetzen. Dann würde das eine natürliche, jedoch keine geistliche Gabe sein. Es ist auffällig, dass „Sprachen“ mit „Auslegung von Sprachen“ in den Aufzählungen immer am Schluss stehen und offenbar die niedrigsten Gaben sind. Von daher überrascht die Flut von Literatur, die dieser Gabe in gewissen Kreisen eine Vorrangstellung einräumt, die ihr damals schon nicht und heute erst recht nicht zukommt.

Apostel (Apg 13,1; 1Kor 12,28.29; Eph 4,11)

Dabei denken wir an die Zwölf – wobei Matthias anstelle von Judas berufen worden war – und an Paulus. Ihre Legitimation als Apostel gründet sich auf göttliche Berufung. Diese Zwölf waren mit dem Herrn Jesus zusammen gewesen und sie waren Augenzeugen seiner Auferstehung geworden (Apg 1,21.22). Paulus hatte den auferstandenen Herrn in seiner Herrlichkeit gesehen (Apg 9,1; 15,8). Heute gibt es keine Apostel mehr, denn es gibt heute keinen Menschen, der diese Bedingungen erfüllt. Die Gabe des Apostels gehörte zum Fundament und stand in Verbindung mit einer Offenbarung Gottes. Deshalb hatten die Apostel in ihrer Lehre göttliche Autorität. Durch diese genannten Gaben mit ihrem übernatürlichen Charakter wirkte Gott in den Tagen der frühen Gemeinde, um seine Macht in der neuen Ordnung aufzuzeigen, die er nun aufgerichtet hatte. Die Bibel lässt an vielen Stellen erkennen, dass der Anfang einer neuen Haushaltung auch neue Bekundungen der Macht Gottes sichtbar machten, die zeitlich begrenzt waren. 1Kor 13,8-10 lässt darauf schließen, dass alle genannten Gaben weggetan werden, auch wenn stellvertretend nur drei genannt werden. Dies würde geschehen, wenn „das Vollkommene“ gekommen sein wird, was sich am ehesten auf den vollendeten Kanon der Heiligen Schrift bezieht, der in sich selbst vollkommen ist.

 

Der Geist Gottes wirkt auch heute noch durch besondere Gaben, die schon in den ersten Tagen der Gemeinde sichtbar wurden. Dabei werden auch heute nicht nur geistliche Kräfte ausgeteilt, sondern auch Menschen als „Gaben“ gegeben:

Lehrer (Apg 13,1; Röm 12,7; 1Kor 12,28.29; Eph 4,11)

Die Gabe des Lehrers bestand und besteht noch heute darin, Bekehrten die grundlegenden Lehren ihres Glaubens mitsamt ihren praktischen Auswirkungen erläutern zu können.

Hilfeleistungen (1Kor 12,28)

Diese Gabe wird noch immer in allgemeiner und praktischer Weise aktiv, sobald ihre Notwendigkeit erkannt wird. Der Rahmen ist hier sehr weit gespannt. Manche verbinden dies mit der prinzipiellen Aufgabe von Diakonen. Der Apostel Paulus sprach von der Unterstützung der Schwachen (Apg 20,35), und davon, die Kleinmütigen zu trösten und sich der Schwachen anzunehmen (1Thes 5,14). Das schließt die Hilfe für Arme und Bedürftige ein.

Regierungen (1Kor 12,28)

Diese Gabe war und ist eine von Gott gegebene Fähigkeit, die örtliche Versammlung durch schwierige Zeiten und gefahrvolle Situationen zu leiten. Gott schenkt Männern diese Gabe, um für die Einheit, die Gesundheit, den geistlichen Reichtum und das Wohlergehen der örtlichen Gemeinde zu arbeiten.

Dienst (Röm 12,7)

Ursprünglich wurde das Wort „diakonia“ für jemanden gebraucht, der zu Tisch bediente. Später wurde es für alle niederen Dienste verwendet. So gibt es auch heute viele Gläubige, die in den kleinen Dingen treu dienen und dabei glücklich sind, einfachste Aufgaben für den Herrn zu tun. Sie tun das in dem Wissen, dass dies ihre besondere Gabe ist.

Ermahnung (Röm 12,8)

Das Wort bedeutet, „jemanden zur Seite rufen, um zu trösten und zu ermutigen“. Das klassische Beispiel hierfür ist Barnabas, der „Sohn des Trostes“. Als er in Antiochia die Gnade Gottes sah, „ermahnte er alle, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren“ (Apg 11,23). Der Ermahnende hat die Fähigkeit bekommen, andere zu ermutigen, wobei er mit gutem Beispiel voran geht.

Mitteilen (Röm 12,8)

Obwohl dies eher eine Verantwortung aller zu sein scheint, ist es tatsächlich so, dass nur manche für diesen Dienst besonders geeignet sind. Sie sind Kanäle, durch die der Herr wirkt, und auf wundersamen Wegen Gottes befinden sich diese Diener selten selbst in einer Notlage. Gott gibt ihnen das, was sie abgegeben haben, zurück. Es liegt in der Natur dieser Gabe, dass sie öffentlich nicht wahrgenommen wird. Sie soll „in Einfalt“, mit einfacher Gesinnung, ohne dass sich irgendwelche Motive dahinter verbergen, getätigt werden.

Vorstehen (Röm 12,8)

Das Wort bedeutet so viel, wie „vor etwas stellen“. Es beschreibt jemanden, der die Geschicke der Versammlung leitet und dessen Dienst darin besteht, vor den Heiligen zu stehen, um sie in den Wegen Gottes zu leiten. Das bedeutet viel Fleiß. Beachten wir, dass dies eine von Gott verliehene Gnadengabe ist, die nicht durch eine demokratische Wahl oder eine offene Proklamierung erzielt werden kann! Diese Gabe verlangt von dem Betreffenden viel ab. Der Apostel Paulus sprach von der täglichen Sorge um die Versammlung Gottes (2Kor 11,28).

Barmherzigkeit üben (Röm 12,8)

Diese Gabe bedeutet ein Streben nach Erleichterung für den anderen. Wer dazu bewegt ist, wird das nach bestem Vermögen tun. Diese Gabe bedeutet ein besonderes Mitgefühl praktischer Natur, ungeachtet der eigenen Situation. Deshalb liegt die Betonung darauf, dies mit Freudigkeit zu tun.

Evangelisten (Eph 4,11)

Einige von ihnen tun „das Werk eines Evangelisten“, andere sind „Evangelisten“. Es scheint daher nicht unwichtig zu unterscheiden, ob jemand eine Gabe hat oder eine Gabe ist. Evangelisten sind Verkündiger der frohen Botschaft vom Heil, das allein in Jesus Christus zu finden ist. Sie führen verlorene Seelen zum Retter.

Hirten (Eph 4,11)

Den Hirten, die der Versammlung Gottes als Gabe gegeben sind, ist der Herr Jesus selbst das große Vorbild (Mt 2,6; Joh 10,11; 1Petr 2,25; 5,4; Hebr 13,20). Der Hirte geht voran, passt auf, sondert ab, holt zurück und ernährt. Sein Dienst richtet sich an Herz und Gewissen. Das setzt Wärme, Hege und Pflege voraus. Dass die Dienste des Hirten und des Lehrers komplementär sein können, wird in Epheser 5,29 nahegelegt. Hier spricht der Apostel vom Herrn, der seine Gemeinde nährt (durch Lehrer) und pflegt (durch Hirten).

 

„Je nachdem ein jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dienet einander damit als gute Verwalter der mancherlei Gnade Gottes“  (1Petr 4,10)

 

Literatur:

  • Die Heilige Schrift, nichtrevidierte Elberfelder Übersetzung, CSV Hückeswagen, 2007
  • Fred Stallan: Was die Bibel lehrt: Römerbrief, CV Dillenburg, 2001
  • Jack Hunter: Was die Bibel lehrt: 1. Korintherbrief, CV Dillenburg, 1993
  • A. Leckie: Was die Bibel lehrt: Epheserbrief, CV Dillenburg, 1989
  • Charles C. Ryrie: Ihr werdet Kraft empfangen, CV Dillenburg, 2003

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