Bitte hilf meiner Seele!

Einführung (Buchauszug)

Wie stellen Sie sich einen Seelsorger vor, einen „Fachmann“, der den Menschen seelsorgerlichen Beistand anbietet?

Ich hatte früher einen schwarz gekleideten Pfarrer oder Priester vor Augen, der gütig lächelnd hinter seinem Schreibtisch oder in seinem großen Sessel thront und, mit umfangreicher Ausbildung, Lebenserfahrung und Menschenkenntnis bewaffnet, dem ihm gegenüber hockenden hilflosen „Schäfchen seiner Herde“ Ratschläge, Trost und Hilfe erteilt. Solch eine Autoritätsperson musste zumindest Theologie, am besten auch noch Psychologie oder ein ähnliches Fach studiert haben. Sonst könnte er ja nicht „Seelsorger“ sein. Viele haben diese Vorstellung, dass Seelsorge ein besonderes Fachgebiet ist, das nur einigen wenigen Spezialisten vorbehalten ist.

Wer ist Seelsorger?

In der Bibel allerdings findet man dieses Berufsbild nicht. Überhaupt kommt der Begriff „Seelsorge“ in keiner Bibelkonkordanz vor. Dennoch ist es ein durchaus biblisches, vor allem neutestamentliches Thema, nur mit anderen Vokabeln belegt. Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst von dem Bild des „alten Seelsorgers“ verabschieden und uns der Bibel und der Gemeinde zuwenden, z. B. wenn der Apostel Paulus den Ältesten von Ephesus sagt: „Gebt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in die euch der Heilige Geist als Aufseher eingesetzt hat, damit ihr treue Hirten der Gemeinde Gottes seid. Gott hat sie ja durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben“ (Apg 20,28).

Hier haben zumindest alle Ältesten die Aufgabe, die Gemeinde-Herde zu beaufsichtigen und zu hüten und damit auch seelsorgerlich zu betreuen. Das würde beweisen, dass das oben beschriebene Bild des Seelsorgers richtig ist. Natürlich ist es – biblisch gesehen – auch nicht falsch. Aber in Gottes Wort werden nicht nur die Leitenden damit betraut, sich um die Seelen ihrer Schäfchen zu sorgen. Es ist auch eine ganz allgemeine Pflicht, ein Auftrag für jeden Gläubigen, wie man aus den folgenden Bibelzitaten unschwer entnehmen kann: „Wir, die Starken, haben die Pflicht, die Schwächen der Schwachen zu tragen, anstatt selbstgefällig nur an uns zu denken. Jeder von uns soll auf den anderen Rücksicht nehmen, damit es ihm gut geht und er gefördert wird. … Deshalb nehmt euch gegenseitig an, wie auch Christus euch angenommen hat, damit Gott geehrt wird!“ (Röm 15,1-2.7).

Und wenn Paulus die Gemeinde mit einem lebenden Organismus vergleicht, schreibt er: „Gott hat den Leib so zusammengefügt, dass die geringeren Teile besonders geehrt werden, denn er wollte keine Spaltung im Körper. Alle Glieder sollen einträchtig füreinander sorgen“ (1Kor 12,24-25). Dieser Vers klingt sogar ein wenig nach „Seelsorge“!

Was ist allgemeine Seelsorge oder „Basis-­Seelsorge“?

Vor vielen Jahren gab es eine sehr gute Sendereihe des ERF mit dem Titel „Seelsorge: Lebensäußerung der Gemeinde“. Der Ausdruck trifft den biblischen Gedanken der allgemeinen Seelsorge sehr gut. Denn in einer lebendigen Gemeinde hat jedes Gemeindeglied mehr oder weniger „automatisch“ eine gewisse Sorge und Mitverantwortung für seine Glaubensgeschwister, und das drückt sich in der Bereitschaft zur gegenseitigen Seelsorge aus. Seelsorge gehört also zum ganz normalen Gemeindealltag – da, wo sich Schwestern und Brüder liebevoll umeinander kümmern. Seelsorge kann ein kurzer Telefonanruf sein, eine Anteil nehmende Bemerkung, eine herzliche Umarmung, ein aufmunterndes Wort, das Hilfsangebot beim Umzug und vieles andere mehr. Diese Basis-Seelsorge ist an keinen Raum und keinen festen Rahmen gebunden, sie findet im Foyer oder auf dem Vorplatz des Gemeindehauses statt genauso wie auf dem Sportplatz oder beim Spaziergang oder während eines gemeinsamen Abendessens. Im Wohn- oder Arbeitszimmer, beim Gespräch unter vier Augen ergeben sich natürlich die besten Gelegenheiten. Seelsorge ist eben nicht nur das hochspezialisierte Fachgebiet, das allein gut ausgebildete Fachleute ausüben können. Sicher, es gibt ganz besondere Notfälle seelischer Belastungen (und Erkrankungen), für deren Begleitung und Hilfe gute Fachkenntnisse nötig sind. Darum geht es jedoch nicht bei unseren Überlegungen zur Basis-Seelsorge.

Wir wollen uns auf den Bereich des „normalen“ Gemeindelebens beschränken und versuchen, sensibler zu werden für die Sorgen und Lebensumstände unserer Glaubensgeschwister. Seelsorge ist einerseits eine ganz wichtige Voraussetzung für biblische Gemeinschaft von Gläubigen: Wenn wir nicht bereit sind, an dem anderen Anteil zu nehmen und uns um ihn zu kümmern, wird keine vertraute Gemeinschaft wachsen können. Andererseits ist Seelsorge auch ganz selbstverständlich eine Folge echter gelebter Gemeinschaft: Wir kennen uns gut, haben Vertrauen zueinander, wir lieben uns im biblischen Sinne, und es ist uns nicht egal, wenn der andere krank oder in Not ist. Wenn wir uns die Gemeinde als „Familie Gottes“ vorstellen, ergibt sich daraus – wie in jeder irdischen Familie –, dass sich die Familienmitglieder umeinander kümmern und sich „Sorgen machen um die Seele“ des anderen. Ohne Zweifel lassen sich einige seelische Belastungen und Störungen vermeiden, wenn wir in den Gemeinden die Fürsorgepflicht ernst nehmen und früh genug die Sorgen und Nöte des anderen tragen helfen.

Diese ganz einfache Seelsorge sollte nahezu jeder in der Gemeinde ausüben können – natürlich je nach persönlicher Begabung. Und was ganz wichtig ist: Jeder sollte sie auch annehmen können! Das Annehmen von Hilfe oder Korrektur ist meist schwerer, als selbst Helfer zu sein!

Wenn man genau hinsieht, gibt es erstaunlich viele Hinweise zum Thema „Seelsorge“ im Neuen Testament…

Inhalt

Teil A: Biblische Grundlagen der Seelsorge

  1. Biblische Seelsorge – was ist das?
    (Einführung – Die vier Ebenen in Seelsorge und Therapie – Jesus gibt eine „Nachhilfestunde“ – Voraussetzungen biblischer Seelsorge)
  2. Biblische Seelsorge – wer braucht das?
    (Die Bedeutung des Menschenbildes – Wo Seelsorge nötig ist – Ursachen seelischer Störungen)
  3. Biblische Seelsorge – wie geht das?
    (Das Gespräch – Einige Gesprächselemente – Gesprächsprobleme – Die Werkzeuge biblischer Seelsorge – „Weist die Unordentlichen zurecht!“ – „Tröstet die Kleinmütigen!“ – Nehmt euch der Schwachen an!“ – „Seid langmütig gegen alle!“)

Teil B: Die wichtigsten psychischen Erkrankungen

  1. Depressionen
    (Was ist eine Depression? – Woran leidet der depressiv Kranke? (Symptome) – Wie entsteht eine Depression? – Arten und Ursachen der Depressionen – Glaubensprobleme bei depressiv Kranken – Selbstmord,die lebensgefährliche Seite der Depression – Seelsorge, Hilfe und Behandlung bei Depressionen – Was ist eine Depression nicht?)
  2. Angst und Angststörungen
    (Die ganz normale Angst des Lebens – Seelsorge bei der normalen Angst des Lebens – Angststörungen/ Angstkrankheit – Verschiedene Arten der Angststörung – Seelsorge, Hilfe und Behandlung bei Angststörungen)
  3. Zwang und Zwangsstörungen
    (Der normale Zwang im Alltag – Die zwanghafte Persönlichkeit – Die Zwangsstörungen – Wodurch entstehen Zwangsstörungen? – Seelsorge, Hilfe und Behandlung bei Zwangsstörungen)
  4. Alkoholkrankheit
    (Alkohol, ein Volksproblem – Alkohol, ein medizinisches Problem – Alkohol, ein biblisches Problem – Alkohol, ein Seelsorge-Problem)
  5. Psychosomatische Krankheiten – seelische Ursachen
    (Was sind psychosomatische Krankheiten? – Wie entstehen psychosomatische Krankheiten? – Seelische Ursachen für psychosomatische Krankheiten – Seelsorge und Hilfe bei psychosomatische Krankheiten)

Teil C: Besondere Seelsorgethemen

  1. Stress – Ursachen und Bewältigung
    (Was ist Stress eigentlich? – Übersicht über die wichtigsten Stressfaktoren – Wege zur Stressbewältigung – Das bekannteste Mittel gegen Stress: Entspannung)
  2. Kränkung und Verbitterung vermeiden
    (Was ist Kränkung, was ist Verbitterung? – Meine persönliche Reaktion – Gibt es (k)einen Ausweg? – Wie gehe ich mit Konflikten um? – Wie kann ich Konflikte lösen?)
  3. Einander verstehen: Generationsprobleme in der Pubertät
    (Was ist „typisch“ für die Jugendgeneration? – Welchen äußeren Einflüssen sind junge Menschen ausgesetzt? – Was tut sich in den sogenannten „Entwicklungsjahren“ zwischen 12 und 24? – Was ist „typisch“ für die Elterngeneration? – Was können wir tun, um uns besser zu verstehen?)
  4. Missbrauch
    (Geistlicher Missbrauch – Sexueller Missbrauch/Sexuelle Gewalt)
  5. Die heilsame Kraft der Vergebung
    (Was ist Vergebung nicht? – Was ist Vergebung? – Die Folgen – Die Schritte der Vergebung)
  6. Seelsorge bei Sterbenden
    (Die Vorphase – Die Rehabilitationsphase – Die Terminalphase – Die Finalphase)
  7. Glückselig oder depressiv?
    (Ein biblisches Vorsorge- und Fitness-Programm für die Seele)

 

(Das Buch ist erhältlich unter www.cb-buchshop.de)

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