Die Grundlagen des islamischen Glaubens

(Ausführlichere Fassung dieses Artikels: Blickwechsel Islam – Der Islam als vielschichtige Anfrage an Christen)

Der arabische Begriff „Islam“ bedeutet nicht – wie häufig zu hören und zu lesen – Frieden, sondern Hingabe bzw. Unterwerfung. Das heißt, dass der Mensch sich in Gottesfurcht und Dankbarkeit mit seinem ganzen Leben dem Willen seines allmächtigen Schöpfers und Erhalters unterwirft – was besonders deutlich wird in den rituellen Niederwerfungen im Rahmen des fünfmal täglichen Gebets. Im Zentrum des islamischen Glaubens steht die Überzeugung von der „Einsheit Allahs“ (tauhid) (siehe u. a. Sure 112), nach der niemand und nichts ihm gleichgestellt werden darf. Darüber hinaus beschreibt der Koran Allah als den Richter, zu dem jeder Mensch eines Tages zurückkehrt und vor dem er Rechenschaft ablegen muss. Die Gläubigen, die ihre rituellen und sozialen Pflichten gewissenhaft erfüllt haben (neben dem Beten vor allem die Almosen, das Fasten im Ramadan und die Pilgerfahrt nach Mekka), können auf den Eingang ins Paradies hoffen. Dagegen drohen zahlreiche Verse den wankelmütigen und frevelhaften Muslimen und vor allem den Ungläubigen eine ewige und schmerzhafte Bestrafung in der Hölle an. Letzte und absolute Heilsgewissheit gibt es hier nicht (siehe z. B. das „vielleicht“ in Sure 9,102), lediglich die Hoffnung auf Gottes Gnade und Erbarmen.
Es ist primär die Furcht vor dem strafenden Gott (und nicht so sehr die Dankbarkeit über erfahrene Vergebung), die den Menschen anhalten soll, den Einflüsterungen des Teufels und seinen eigenen Begierden und Lüsten zu widerstehen. Die islamische Überlieferung spricht von zwei Engeln, die die Funktion von Buchführern wahrnehmen und gute und schlechte Werke genauestens für den Tag des Gerichts festhalten, an dem menschliche Verdienste und Versäumnisse gegeneinander abgewogen werden (siehe u. a. Sure 7,8f.). Große Angst haben viele gläubige Muslime auch vor zwei Verhör-Engeln, die nach islamischer Überlieferung den Verstorbenen bereits im Grab schmerzhaften Anfechtungen und Befragungen unterziehen.

Die Struktur und Argumentation des Koran

Die wichtigste Quelle des Islam ist der Koran, den Muslime als das buchstäblich von Gott an Muhammad offenbarte Wort verstehen – durch den Erzengel Gabriel und in arabischer Sprache. Zugleich betrachtet man den arabischen Koran in seiner behaupteten Unnachahmlichkeit als einziges – oder zumindest größtes – Beglaubigungswunder Muhammads.
Folglich hat bis heute die Rezitation des arabischen Wortlauts in Moscheen und Koranschulen eine weitaus größere Bedeutung als die inhaltliche Reflexion in der eigenen Muttersprache. Aus orthodoxer Sicht kann es und darf es daher auch keine Übersetzungen des Koran geben – lediglich Annäherungen an seine ungefähre Bedeutung.
Für den christlichen Leser ist es gewöhnungsbedürftig, dass der Koran weder zeitlich noch inhaltlich bzw. thematisch gegliedert ist. Der Koran adaptiert zahlreiche biblische Personen und Begebenheiten, wie etwa Adam, Noah, Abraham, Mose, David und Jesus beziehungsweise die Schöpfung, den Sündenfall und die Sintflut.
Dies geschieht allerdings in einer islamisierten Form und nicht selten als eine Art Spiegel für Muhammads eigene Erfahrungen. Überhaupt ist der Koran ein eher geschichtsloses Werk. Erzväter, Könige und Propheten des Alten Testaments werden aus ihrem zeitlichen und örtlichen und vor allem aus ihrem heilsgeschichtlichen Kontext herausgelöst. Teilweise geraten die Zusammenhänge wohl auch deshalb durcheinander, weil Muhammad lediglich mündlich und fragmentarisch Kenntnis von der Bibel erhalten hatte und darüber hinaus auch Inhalte aus rabbinischer Kommentarliteratur und apokryphen Schriften verarbeitet hat. Muslime zählen zwar die Thora, die Psalmen und das Evangelium (injil) zu den Büchern Allahs und die Christen und Juden zu den Buchbesitzern, gehen aber gleichzeitig mit Blick auf einige spätere Koranverse davon aus, dass die Bibel im Laufe der Zeit verfälscht und insbesondere Ankündigungen Muhammads gestrichen worden seien.

Der islamische Überlegenheits- und Herrschaftsanspruch

Während sich Muhammad zu Beginn seiner Verkündigung in Mekka hauptsächlich gegen die arabischen Polytheisten richtet und die Gemeinsamkeiten mit den so genannten Buchbesitzern (Juden und Christen) betont, wendet sich das Blatt mit seiner Auswanderung nach Medina, wo er nicht nur zum religiösen Anführer, sondern auch zum Gesetzgeber, Richter und Feldherrn der muslimischen Gemeinschaft wird. Der Ton gegenüber den Christen und Juden, die mehrheitlich Muhammad nicht als Propheten anerkennen, verschärft sich in dieser Zeit. Die Entwicklung gipfelt schließlich in mehreren Feldzügen gegen die jüdischen Stämme von Medina, einem deutlichen Aufruf zur Abgrenzung von Juden und Christen sowie der Anordnung, die Buchbesitzer im Kampf zu unterwerfen (Suren 5,51 und 9,29). Solche und andere Verse wurden später auch zur Legitimation der frühislamischen Eroberungen herangezogen.
Der Islam erscheint in den späten Koranversen als wahre Ur- und Endreligion des Menschen, der Allah nach Sure 9,33 zum Sieg über jede andere Religion verhelfen wird. Entsprechend gilt Muhammad im Islam als „Siegel der Propheten“ (Sure 33,40). Die oben genannten biblischen Personen – vor allem Abraham – erscheinen im Koran als paradigmatische Muslime und Vorläufer Muhammads, die stets nur zur Unterwerfung unter den einen Gott aufgerufen und selbst gebetet, gefastet und die anderen rituellen und sozialen Pflichten des Islam erfüllt haben.

Eine Anfrage an unser theologisches Profil

Auf den ersten Blick gibt es tatsächlich viele Gemeinsamkeiten zwischen Islam und Christentum. Sowohl Muslime als auch Christen glauben an einen Schöpfer, der den einzelnen Menschen gewollt und geformt hat. Damit ist man sich auch einig, dass es eine gewisse Schöpfungsordnung gibt und Gott festlegt, was gut und böse ist. Christen und Muslime glauben an ein Leben nach dem Tod und einen Tag des Gerichts, an dem sie Rechenschaft vor Gott ablegen müssen. Darüber hinaus wird heute häufig auf gemeinsame Schlüsselbegriffe wie Gnade und Barmherzigkeit verwiesen. Wer sich jedoch genauer mit den dahinter stehenden Inhalten befasst, stößt auf entscheidende Unterschiede:

Während der Islam keine persönliche Offenbarung Gottes kennt, ist die Selbststoffenbarung Gottes in Jesus Christus – vor allem sein Tod und seine Auferstehung – Dreh- und Angelpunkt des Evangeliums.
Während der Koran die Einsheit Gottes betont und den Glauben an die Gottessohnschaft Jesu als Vielgötterei verurteilt (siehe u. a. Sure 5,73), hat sich Gott nach christlicher Überzeugung als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart. Gerade weil Gott in sich bereits ein Beziehungswesen ist, verstehen Christen beispielsweise die Liebe als eine ewige Wesenseigenschaft Gottes.
Im Islam bezeichnet der Begriff des Glaubens vor allem die Anerkennung der alleinigen Herrschaft Gottes. In der Bibel wird der Glaube dagegen viel stärker als eine Vertrauensbeziehung zwischen Gott und Mensch beschrieben. Gott schließt einen Bund mit dem Menschen und dieser lebt fortan im Vertrauen auf Gottes Verheißungen. Während der Koran jede Stellvertretung ablehnt (Sure 35,18) und die Kreuzigung Jesu leugnet (Sure 4,157), kann beispielsweise der Apostel Johannes mit Blick auf das vollkommene Opfer Jesu den Christen in Kleinasien mit Gewissheit schreiben: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit“ (1. Johannes 1,9).
Auffällig ist auch, dass eine menschliche Prüfung Gottes im Koran ausgeschlossen (Sure 21,23) und Zweifel von islamischen Theologen in der Regel mit Unglauben und Sünde gleichgesetzt wird. Dagegen haben sowohl Hiobs Leidensgeschichte und die Klagepsalmen als auch der zweifelnde Johannes (der Täufer) (Matthäus 11,2-6) und der skeptische Thomas (Johannes 20,24-29) Eingang in die Bibel gefunden.

Besonders gravierend sind die Unterschiede im Sündenverständnis. Im Koran geht es dabei lediglich um einzelne Taten, durch die der Mensch gegen sich selbst frevelt (z. B. Sure 7,23) – keinesfalls aber Gott persönlich trifft oder verletzt. Dagegen betet David in seinem bekannten Bußpsalm: „Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt und getan, was böse ist in deinen Augen“ (Psalm 51,6a). Der Sündenfall hat in der Bibel sehr viel dramatischere Konsequenzen. Der Mensch gilt seitdem als verloren und muss wiedergefunden, gerettet und versöhnt werden mit Gott.
Auch David und Petrus werden schonungslos mit all ihren Licht- und Schattenseiten dargestellt. Während der Mensch im Islam primär ein Informationsdefizit hat und als schwaches Geschöpf lediglich der Rechtleitung und Vergebung einzelner Sünden bedarf, braucht es im Christentum vor allem Vergebung, Rettung von außen und einen Erlöser von oben.

Jesus erscheint im Koran lediglich als ein großer – wenn auch aufgrund der Jungfrauengeburt, seiner Sündlosigkeit und seiner gewaltigen Wunder außergewöhnlicher – Prophet und Vorläufer und Ankündiger Muhammads. In der Bibel dagegen offenbart sich Gott selbst in Christus, so dass dieser von sich behaupten kann: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Johannes 14,9). Als leidender Gottesknecht am Kreuz (Jesaja 53) ist er für Christen nicht nur ein Prophet unter vielen, sondern der verheißene Messias und der einzige Mittler zwischen Gott und Mensch (1. Timotheus 2,5).
Der Mensch kommt – wie der Koran in Sure 19,93 darlegt – ausschließlich als Diener „zum Barmherzigen“. Dagegen heißt es in Johannes 1,12: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ Auch der Apostel Paulus, der sich zu Beginn einiger Briefe selbst als Knecht Gottes oder Knecht Jesus Christi bezeichnet, hält im Römerbrief fest: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ (Römer 8,15).

Zusammenfassend könnte man formulieren, dass es im Islam um die Unterwerfung (islam) des „alten“ Menschen geht, während das Evangelium in der Bibel die frohe Botschaft von der Erlösung und Neuschaffung des „alten“ Menschen durch seine Versöhnung mit Gott darstellt.

Die Liebe Gottes – Aktion oder Reaktion?

Ganz deutlich werden die Unterschiede beim Begriff der Liebe Gottes. So heißt es beispielsweise in Sure 3,31: „Sag: Wenn ihr Gott liebt, dann folgt mir [Muhammad], damit (auch) Gott euch liebt und euch eure Schuld vergibt! Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben.“ Der evangelische Theologe Heiko Krimmer hat ein solches Denken einmal treffend als „um-zu-Ethik“ beschrieben, nach der ich etwas tue, um mir Gottes Gunst zu erwerben. Dem steht ihm zufolge die christliche „weil-Ethik“ gegenüber, nach der Christen in der Liebe wandeln, weil sie zuvor bereits von Gott geliebt worden sind. Diese Ethik basiert darauf, dass Gott seine Liebe zu uns dadurch bewiesen hat, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren (Römer 6,8). Paulus kann daher die Gläubigen in Ephesus ermuntern, einander zu vergeben, „so wie auch Christus euch [zuvor] vergeben hat“ (Epheser 4,32). Ein genauerer Blick hinter die äußere Schale des Begriffs offenbart also einen völlig anderen Inhalt.

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